2024-04-23T13:35:06.289Z

Interview

Mittelhessens Legionäre: Leonie Pankratz

SERIE: +++ Gebürtige Gießenerin feste Größe bei Bundesligist Hoffenheim +++ Leonie Pankratz über ihre Gießener Heimat, ihre Karriere, ihre Interessen und andere (Fußball-)Kulturen +++

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Der Sommer hält Mittelhessen fest im Griff. Nichtsdestotrotz wird bei einigen Vereinen schon wieder ordentlich trainiert und geschwitzt: die Fußball-Saison 2015/16 naht. Noch haben wir allerdings ein paar Wochen vor uns, ehe die ersten Partien angepfiffen werden. Zeit genug also, um auch mal über den Tellerrand unserer schönen Fußball-Heimat zu blicken. FuPa Mittelhessen stellt daher in diesen Tagen den oder die eine oder andere „Fußball-Legionär/in“ vor - Spieler also, die in Gießen, Alsfeld, Büdingen oder beispielsweise Gelnhausen groß geworden sind, ihre Fußballschuhe mittlerweile aber in der Fremde schnüren.

Heute ist Leonie Pankratz an der Reihe, die mit ihren 25 Jahren schon einige (Fußball-)Kulturen kennengelernt hat. Sowohl in Spanien, als auch in Portugal schnürte sie jeweils in der ersten Liga die Fußballschuhe und etablierte sich in den vergangenen zwei Jahren als Stammspielerin bei Bundesligist TSG 1899 Hoffenheim. Gelernt hat sich das Fußballspielen aber in der Jugend des VfB 1900 Gießen.


FuPa: Guten Tag Frau Pankratz. Sie sind gebürtige Gießenerin. Ihre derzeitige fußballerische Heimat Hoffenheim liegt rund 200 km entfernt. Wie oft schaffen Sie es noch in die alte Heimat?

Leonie Pankratz: Aufgrund meines Studiums und des Trainings schaffe ich es leider nicht mehr so oft nach Gießen. Meine Eltern wohnen aber noch hier und die besuche ich vier bis fünfmal im Jahr. Gerade zu größeren Feiern wie Ostern oder Weihnachten bin ich immer bei ihnen.

FuPa: Haben Sie einen Lieblingsort oder persönlichen Geheimtipp, an dem Sie, wenn Sie es nach Gießen schaffen, am liebsten Ihre Zeit verbringen?

Pankratz: Die meiste Zeit verbringe ich bei meinen Eltern. Aber ich schlendere auch sehr gerne durch den Seltersweg, weil wir dort früher gewohnt haben, oder gehe auf den Wochenmarkt.

FuPa: Sie haben in Gießen auch ihre fußballerischen Wurzeln. Wie sind Sie zum Fußball gekommen?

Pankratz: Durch meinen vier Jahre älteren Bruder, der in der Jugend beim VfB Gießen gespielt hat. Er hat mich schon im Kinderzimmer immer ins Tor gestellt und draufgeballert. Mit sechs Jahren habe ich bei den Bambinis des VfB auch im Verein angefangen zu spielen. Bis zur C-Jugend war ich dort das einzige Mädchen und habe in der später anfangs die Jungs vermisst, hatte aber keine Probleme mich bei den Mädels zu integrieren. 2006 bin ich dann zum 1. FFC Frankfurt gewechselt.

FuPa: Halten Sie noch Kontakt zu ehemaligen Mitspielern oder verfolgen den mittelhessischen Amateurfußball noch?

Pankratz: Zu einigen habe ich über Facebook noch hin und wieder Kontakt. Außerdem treffe ich ein paar alte Weggefährten aus dem Verein oder der Schule manchmal, wenn ich in Gießen durch die Innenstadt laufe. Auch lese ich, wenn ich in Gießen bin, die heimische Lokalpresse. Da begegnen mir bekannte Namen.

FuPa: Sie haben eben schon erwähnt, dass Sie nach der Jugend vom VfB Gießen zum 1. FFC Frankfurt gewechselt sind. Was war für diesen Wechsel ausschlaggebend?

Pankratz: Frankfurt war der einzig namhafte Verein in der Gegend. Dort konnte ich bei der zweiten Mannschaft Zweite Bundesliga spielen und bei der Ersten mittrainieren. Weil ich noch keinen Führerschein hatte und parallel an der Gießener Ostschule mein Abitur gemacht habe, konnte ich immer mit dem Zug nach Frankfurt pendeln.

FuPa: Nach dem Abitur sind Sie für ein Jahr nach Spanien gegangen. Was haben Sie aus dieser Zeit an persönlicher und fußballerischer Entwicklung mitgenommen?

Pankratz: Ich wollte nach dem Abitur einfach mal etwas anderes machen und meine Sprachkenntnisse ausbauen, und unbedingt weiter Profifußball spielen. In Valencia konnte ich beides miteinander verbinden. Bei Levante UD wurde ich erstmals zur professionellen Vertragsspielerin und hatte zweimal am Tag Training. Zum ersten Mal musste ich dort lernen, mit großem Konkurrenzkampf umzugehen und auch fand mich ab und zu auf der Bank wieder. Das waren neue Erfahrungen für mich. Auch ist der Fußball in Spanien viel technischer als in Deutschland. Dazu kam, dass ich erstmals von zu Hause raus war, in einem fremden Land, indem ich die Sprache nicht optimal beherrsche. Aber ich wurde dort von allen Seiten mit offenen Armen empfangen, das hat mir geholfen.



Leonie Pankratz avancierte mit ihrer Schnelligkeit und ihren präzisen Flanken schnell zur Stammkraft in Hoffenheim. Foto: privat.

FuPa: Nach diesem Jahr sind Sie 2010 nach Deutschland zurückgekehrt und zum damaligen Zweitligisten TSG Hoffenheim gewechselt. Wie kam es zu diesem Engagement und was hat Sie an der TSG gereizt?

Pankratz: In Hoffenheim sind die Bedingungen sehr modern. Wir haben für die Frauenabteilung ein eigenes Leistungszentrum. Das ist noch eher die Ausnahme im Profifußball. Außerdem hatten die TSG das klare Ziel in die Bundesliga aufzusteigen. Das gesamte Paket hat mich überzeugt.

FuPa: Gleichzeitig haben Sie angefangen Übersetzungswissenschaften in den Sprachen Spanisch und Portugiesisch in Heidelberg zu studieren. Welche Herausforderungen mussten Sie bewältigen, um Fußball und Studium unter einen Hut zu bekommen?

Pankratz: Zuvor habe ich noch zwei Semester Lehramt studiert, aber recht schnell gemerkt, dass das nicht unbedingt mein Fall ist. Danach fing ich mit dem Bachelor zur Dolmetscherin an, den ich vor Kurzem abgeschlossen habe. Die Vernunft sagte mir nach dem Auslandsjahr, dass das Studium vorgeht. Aber ich habe dann doch eher meinen Stundenplan um die Trainingszeiten herum gelegt. Dadurch hatte nie ein klassisches Studentenleben. Alles unter einen Hut zu bekommen erfordert viel Zeitmanagement, ist mir aber bisher gut gelungen.

Die TSG gibt mir aber auch die Möglichkeit, das Studium zusätzlich zu absolvieren. Als mir die Uni einen Erasmus-Aufenthalt im Ausland nahe legte, bot mir Hoffenheim an, den Vertrag für diese Zeit aufzulösen und anschließend wieder zurückzukehren.

FuPa: Im November 2012 haben Sie dann, nachdem Sie sich Hoffenheim in Liga zwei als Stammspielerin etabliert hatten, ein Auslandsemester in Portugal absolviert und dort mit Boavista Porto den Pokalsieg gefeiert. Im Endspiel wurden Sie zur Spielerin des Spiels gewählt. Würden Sie diesen Abschnitt als bisheriges Karrierehighlight betrachten?

Pankratz: So ein Pokalendspiel wünscht sich jede Spielerin. Dass es zum Titel und der persönlichen Ehrung gereicht hat, macht es für mich noch schöner. Von daher war es definitiv ein Höhepunkt, wenngleich auch der Aufstieg mit Hoffenheim in die Bundesliga super war.

FuPa: Wo liegen die fußballerischen Unterschiede zwischen Portugal und Deutschland?

Pankratz: Alle Spieler und Spielerinnen dort sind Straßenfußballer und haben Cristiano Ronaldo als Vorbild. Es herrscht dafür weniger Disziplin als in Deutschland, der Fußball ist dort noch mehr auf einer Amateurebene und der Frauenfußball ist nicht so angesehen. Wir konnten immer erst um 21:30 Uhr auf den Platz, nachdem alle Männerteams mit ihrem Training fertig waren.

FuPa: Ist Ihnen der Abschied aus Portugal schwergefallen?

Pankratz: Ich hatte kurzzeitig eine Post-Erasmus-Depression. Durch den Aufstieg der TSG in Liga eins konnte ich schnell den Fokus darauf legen, künftig gegen die Besten in Deutschland zu spielen und war schnell motiviert für diese neue Aufgabe.



Nach einer hartnäckigen Achillessehnenentzündung hat Leonie Pankratz nur ein Ziel: Schnellstmöglich fit werden und mit der TSG Erstligafußball spielen. Foto: privat.


FuPa: In den letzten zwei Jahren sind Sie zur Stammspielerin avanciert. Anfang Juli startete Hoffenheim in die Vorbereitung auf die neue Saison, die am 30. August mit dem Auswärtsspiel in Freiburg beginnt. Was sind Ihre Wünsche und Ziele für die neue Runde?

Pankratz: Am Ende der letzten Runde habe ich mir eine hartnäckige Achillessehnenentzündung zugezogen. Das ist eine ungewohnte Situation und eine neue Herausforderung für mich. Daher verbringe ich momentan viel Zeit in der Reha und beim Physiotherapeuten. Mein Ziel ist es, so schnell wie möglich wieder fit zu werden. Es steht jedoch noch in der Schwebe, wie lange die Verletzung noch anhält. Mindestens zwei Monate kann es noch dauern. Ich denke aber positiv und erhalte tolle Unterstützung vom Verein. Mein Trainer (Anm. d. Red.: Jürgen Ehrmann) fragt oft nach, wie es mir geht.

Sobald ich wieder fit bin, will ich der TSG helfen, solange wie möglich in der ersten Liga zu bleiben. Denn wer dort einmal gespielt hat, will nicht mehr tiefer herumkicken. Zudem startet im Oktober mein Fernstudium zum Management-Master.

FuPa: Haben Sie eigentlich ein fußballerisches Vorbild?

Pankratz: Ein wirkliches Vorbild habe ich nicht. Von seiner Art zu spielen fand ich Zinédine Zidane super. Aber ich war nie jemand, der einen Stil kopiert, sondern ich wollte vielmehr meine eigenen Stärken kennenlernen, einsetzen und weiter entwicklen.

FuPa: Themenwechsel zum Abschluss: Welche Musik hören Sie privat?

Pankratz: Ich höre gerne R’n’B, Soul und vor allem portugiesische und spanische Musik. Da mein Freund aus Spanien kommt, besuchen wir dort oft seine Familie und ich bin dem Land und der Kultur sehr verbunden.

FuPa: Haben Sie noch Interessen außerhalb des Fußballs?

Pankratz: Ich treffe mich gerne mit meinen Freunden und pflege zwischen Uni und Fußball meine sozialen Kontakte. Außerdem bin ich sehr reiselustig. Auf Abenteuerreisen neue Kulturen und Lebensweisen kennenlernen reizt mich. Mit meinem Freund war ich während der Sommerpause beispielsweise in Kambodscha und Südkorea. Mein großer Traum war und ist es eine Weltreise zu machen. Das ist mit dem Profifußball aber nicht vereinbar.

FuPa: Frau Pankratz, herzlichen Dank für das interessante Gespräch und für Ihre Karriere und Ihre Gesundheit alles Gute.

Aufrufe: 024.7.2015, 10:00 Uhr
Tim GeorgAutor