2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
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Torwarttraining: „Heute stehen richtige Athleten im Tor“

Interview mit dem Towarttrainer der TSG Hoffenheim

Der Torwarttrainer des Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim ist mit seiner Philosophie des Torwarttrainings weltweit erfolgreich. Jetzt kooperiert Michael Rechner mit dem JFV Ahlerstedt/Ottendorf/Heeslingen. Im Interview erklärt er seine Ideen und Ansätze.

Herr Rechner, früher hieß es immer, die Dicken stehen im Tor. Waren Sie früher auch ein Moppelchen?

Das war ganz früher sicher mal der Fall. Heute haben wir im Tor richtige Athleten - schnellkräftige, bewegliche und explosive Torhüter. Ich selbst war natürlich auch ein Top-Athlet (lacht).

Ihrer sportlichen Vita ist zu entnehmen, dass Sie Ihre Karriere als Torhüter früh beendet und sich der Torwartausbildung gewidmet haben. Welche Ansätze verfolgten Sie damals?

Ich war fünf Jahre Profi und habe sieben Mal 2. Bundesliga gespielt. Für ganz oben hat es bei mir nicht gereicht. Deshalb habe ich früh entschieden, ein Sport-Studium abzuschließen und meine Trainerscheine zu machen. Im Nachhinein war es die genau richtige Entscheidung. Ich bin erst 37 Jahre alt- habe aber schon elf Jahre Trainererfahrung. Die hilft mir enorm weiter.

Was macht Ihr Torwarttraining so besonders?

Unser Torwarttraining ist aus meiner Sicht nicht besonders - es fließen einfach mehrere Faktoren ein: eigene Spiel-Erfahrung, meine Ausbildung, meine Ideen, meine Hospitationen, die fantastische Zusammenarbeit mit dem gesamten Team. Zum Beispiel haben wir mit Julian Nagelsmann einen Cheftrainer, der mir viele Freiheiten gibt und der vor allem sehr viel Vertrauen und Wertschätzung der Torwartabteilung entgegenbringt. Er ist ein ganz wichtiges Element in der Entwicklung der Torhüter.

Worin liegen die Vorteile des Software-basierten Torwarttrainings?

Die Vorteile sind eindeutig: Durch die Dokumentation von Training und Spiel erhalten wir viele Daten. Diese nutzen wir wiederum für unsere Trainingssteuerung und unsere Trainingsinhalte. Wir können einfach analysieren, in welchen Situationen Tore fallen, diese Situationen stellen wir dann im Training nach. Spielnahes Torwarttraining nennen wir das. Dazu hilft uns die Software in der Kommunikation im Verein. Alle Trainer arbeiten damit und somit sind alle Torwarttrainer auf einem Wissensstand.

Setzen Sie beim Scouting der Torhüter auch auf Technik - oder auf das altbewährte Beobachten im Stadion sowie Sichten von Videomaterial?

Sowohl als auch. Natürlich halten wir auch viele Daten in der Software fest und entscheiden anschließend. Trotzdem sind der Live-Eindruck und das Gefühl, welches man entwickelt, immer das Entscheidende am Ende.I nwieweit unterscheidet sich Ihr Torwarttraining zu anderen Profimannschaften? In vielen Profiteams wird hervorragend gearbeitet. Nicht von alleine haben wir in Deutschland die besten Torhüter der Welt. Wir geben uns in Hoffenheim sicher sehr viel Mühe - trotzdem gibt es auch viele andere Klubs mit erstklassiger Arbeit in diesem Spezialbereich.

Woran lässt sich der mögliche Erfolg Ihres Torwarttrainings festmachen? Müssten die Hoffenheimer Keeper inzwischen nicht besser sein als Manuel Neuer?

Für mich sind mehrere Faktoren wichtig. Ganz oben steht für mich das Teamwork in drei Bereichen. Die Zusammenarbeit im Torwartteam, die Arbeit mit den Torwarttrainern im gesamten Klub und die Arbeit im Trainerstab der Profimannschaft. In allen drei Bereichen haben wir eine fantastische Zusammenarbeit - darauf bin ich sehr stolz. Natürlich sind wir mit der Entwicklung unserer Jungs auch sehr zufrieden. Oli Baumann ist ein absoluter Rückhalt unserer Mannschaft und hat wesentlich zur Champions League-Qualifikation beigetragen. Dazu haben wir mit Marvin Schwäbe (aktuell an Dresden ausgeliehen und aktueller U21-Nationaltorwart, Anm. d. Red.) und Gregor Kobel (aktueller U21-Nationaltorwart der Schweiz, Anm. d. Red.) zwei Top-Torwarttalente aus unserer Akademie im Profikader integriert. Alex Stolz, unser Backup, komplettiert dieses tolle Team. Manuel Neuer bleibt trotzdem unerreicht (lacht).

Wie hat sich das Torwartspiel in den vergangenen Jahren verändert?

Das Spiel hat sich sicher verändert. Die Spieleröffnung wird immer bedeutender - gerade bei Ballbesitzteams wie Hoffenheim. Dazu wird auch vermehrt ein Torwart benötigt, der mutig den Raum verteidigen kann. Trotzdem ist und bleibt die Torverteidigung die elementare Grundlage. Nur wenn du Unhaltbare verteidigst, bist Du ein Weltklasse-Torwart - wie Neuer, Buffon oder Courtois.

Ist das Beispiel Buffon oder auch Kahn nicht auch der Beweis dafür, dass ein guter Torhüter einfach ein guter Torhüter ist?

Man benötigt heute die beschriebenen drei Elemente: Torverteidigung, Raumverteidigung und Spieleröffnung. Nur wenn ein Torwart in allen drei Bereichen erstklassig ist, wird er auch ein Top-Torhüter sein können.

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Aufrufe: 010.8.2017, 16:30 Uhr
Tageblatt / Von Tim Scholz, Jan Bröhan und Daniel Autor