2024-05-02T16:12:49.858Z

FuPa Portrait

"Tolle Chance, große Ehre"

FUSSBALL Der gebürtige Geinsheimer Meikel Schönweitz trainiert das U 17-Nationalteam

Frankfurt/MAINZ. Zwei Anrufe haben das Leben von Meikel Schönweitz nachhaltig beeinflusst: 2010 der von Volker Kersting, dem Leiter des Nachwuchsleistungszentrums von Mainz 05, und 2014 der vom Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes, Hansi Flick. Nach dem ersten Telefonat wurde der gebürtige Geinsheimer B-Jugend-Trainer bei den Nullfünfern, nach dem zweiten U 16-Nationaltrainer. Heute betreut er die U 17-Nachwuchs des Fußball-Weltmeisters und will mit ihr Ende März in Düsseldorf gegen die Slowakei, Bulgarien und die Niederlande die Qualifikation für die Europameisterschaft im Mai in Aserbaidschan schaffen.

Dass der in Mainz lebende Schönweitz schon mit 30 Jahren Coach eines Nachwuchs-Bundesligisten und mit 34 Jugend-Nationaltrainer wurde, ist auch deshalb ungewöhnlich, weil er selbst nie höherklassig am Ball war. Nach den Anfängen beim SV 07 Geinsheim verbrachte er die gesamte Jugendzeit bei seinem Stammverein, stand in Kreis-, Bezirks- und Hessenauswahl und schaffte im Seniorenbereich mit Geinsheim, Eschborn und Eddersheim fünf Aufstiege in zehn Jahren - aber immer nur auf Gruppen- und Verbandsligaebene.

,,Akzeptanzprobleme gibt es deshalb aber nicht", sagt Schönweitz, dessen Trainerlaufbahn schon mit zwölf Jahren als F-Jugend-Coach begann. ,,Das Fehlen einer eigenen Profikarriere ist kein Ausschlusskriterium mehr." Die Ausbildung zum Fußballlehrer absolvierte der Diplom-Sportwissenschaftler mit Ex-Nationalspielern wie Stefan Effenberg und Mehmet Scholl. ,,In dieser Zeit habe ich sehr viel gelernt, wie Profis ticken." Mit Scholl hat er noch regelmäßig Kontakt, ,,ein faszinierender Mensch auch außerhalb des Fußballs".

Staffelsieg mit Mainzer U17

Auf dem Weg zum Klubtrainer war auch Schönweitz in Mainz, wo er sein U17-Team zum Staffelsieg in einer Jugend-Bundesliga führte. Doch Hansi Flicks Angebot war zu verlockend: ,,Eine tolle Chance der persönlichen Weiterentwicklung und eine große Ehre, als verantwortlicher Trainer sein Land zu vertreten."

Bereut hat Schönweitz seine Entscheidung nicht, auch wenn er die tägliche Arbeit auf dem Platz und die wöchentlichen Spiele hin und wieder vermisst. ,,Der Job ist enorm vielseitig. Ich bekomme einen tiefen Einblick in viele Aspekte des Fußballs, lerne viele interessante Menschen, Länder und Mentalitäten kennen und kann durch meine Aufgabe als Koordinator für die U 15 bis U 17 vieles bewegen - sei es in der Talentförderung, im Scouting oder in der Spielphilosophie des DFB".

Das Pensum als Jugend-Nationaltrainer ist enorm, wie ein Auszug aus dem Februar-Terminkalender zeigt: 1. bis 10. Algarve-Cup in Portugal, 11. Nachbereitung und Rückmeldung an die Vereine, 12. und 13. zweitägiges Meeting der Scouting-Abteilung, 15. bis 17. Tagung der Trainer aus den Nachwuchsleistungszentren, 18. bis 21. DFB-Trainertagung in Düsseldorf. ,,Es ist eine sehr intensive Zeit", sagt Schönweitz. ,,Mit der Entwicklung meiner Mannschaft bin ich hochzufrieden." Höhepunkte seiner bisherigen DFB-Zeit seien ein Länderspiel gegen Frankreich in Stuttgart vor knapp 30 000 Zuschauern und kürzlich der Sieg beim Algarve-Cup durch ein 5:0 gegen Portugal gewesen, das zuvor in 23 Spielen ungeschlagen war.

Damit der Nachwuchs einmal in die Fußstapfen der Weltmeister von 2014 treten kann, ,,versuchen wir, optimale Bedingungen zu schaffen". Und auch abseits des Platzes werden die Auswahlspieler auf eine Profikarriere vorbereitet, indem etwa Pressekonferenzen abgehalten werden. ,,Das Fußballgeschäft ist nicht nur Glanz, sondern teilweise sehr hart. Darauf versuchen wir die Jungs mit unterschiedlichen Maßnahmen vorzubereiten."

Regelmäßige Sichtungen

Ab der U 14 werden die Talente bei Turnieren deutschlandweit gesichtet. Dann gibt es erste nationale Lehrgänge, parallel werden die Spieler über die Verbandsauswahlen beobachtet. Ab der U 17 werden die Spiele der Jugend-Bundesligen regelmäßig von einem Scoutingteam gesichtet. ,,Ich selbst schaue mir so viele Spiele wie möglich an, auch Testspiele oder Hallenturniere", sagt Schönweitz. Allerdings seien im Juniorenalter noch große Schwankungen möglich, ,,da die körperliche Entwicklung samt Pubertät eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt."

Nur wenige packen den Sprung in den Profibereich. Talent alleine reiche nicht, sagt Schönweitz: ,,Es kommt darauf an, was man aus dem Talent macht. Um wirklich oben anzukommen, muss man sehr viel Arbeit investieren. Die Topspieler in der U 17 trainieren sechs- bis zehnmal in der Woche. Im Grunde leben sie nur noch zwischen Schlafen, Schule und Fußball. Letztlich benötigt man aber auch das Quäntchen Glück, um an einen Trainer zu geraten, der einen fördert."

Das Quäntchen Glück hatte auch Meikel Schönweitz bei seiner Trainerkarriere. Auf die Frage, ob seine Karriereplanung nach dem Auslaufen des Vertrags beim DFB im Sommer eher den Verbleib im Nationalteam-Bereich oder die Rückkehr zum Vereinsfußball vorsieht, hält er sich bedeckt: ,,Eine grundsätzliche Karriereplanung habe ich nicht. Natürlich laufen bereits Gespräche, aber ich fiebere nun erst einmal der EM-Quali entgegen." Sollte Schönweitz alle vier Jahre karriererelevante Telefonanrufe erhalten, stünde die nächste Entscheidung ja auch erst 2018 an...



MEIKEL SCHÖNWEITZ ÜBER ...

- ... die Nachwuchsarbeit in Deutschland: ,,Wir haben sehr gute Strukturen, um die uns viele Nationen beneiden, die sie teilweise auch kopieren. Aber wir müssen ständig aufmerksam sein und optimieren, wir dürfen uns keinesfalls auf Erfolgen ausruhen, denn die anderen schlafen nicht. Vor allem Frankreich und England sind derzeit stark im Kommen, aber auch Österreich und die Schweiz machen eine gute Arbeit."

. ... das ,,In-Watte-Packen" der Talente: ,,Die Professionalität ist auf einem Level angelangt, an dem man wieder etwas zurückschrauben müsste - zugunsten der Selbstständigkeit der Talente. Sie wohnen teilweise in Internaten, sind ständig in Hotels und Sportschulen, da bleiben viele Alltagserfahrungen auf der Strecke."

Aufrufe: 010.3.2016, 17:00 Uhr
Heiko WeissingerAutor