2024-05-10T08:19:16.237Z

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Schwarzer Tee gehört zur türkischen Tradition. Damit die Kinder auf dem Vereinsgelände später mal so Fußball spielen können wie die Personen im Hintergrund, erträgt der TKSV seine sportliche Misere.
Schwarzer Tee gehört zur türkischen Tradition. Damit die Kinder auf dem Vereinsgelände später mal so Fußball spielen können wie die Personen im Hintergrund, erträgt der TKSV seine sportliche Misere.

Leiden für die nächste Generation

Der TKSV Donauwörth wird wohl mit null Punkten und einem katastrophalen Torverhältnis aus der A-Klasse Nord absteigen +++ Ans Aufgeben dachten die Verantwortlichen nie

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Norbert Miesbauer hat als Kreisspielleiter in elf Jahren viel gesehen. Aufholjagden bis zum Schluss, dramatische Wendungen am letzten Spieltag, strahlende Sieger, weinende Verlierer. Doch an eine Misere, wie sie der TKSV Donauwörth erlebt, kann sich Miesbauer nicht erinnern. 27 Mal hat der TKSV gespielt, 27 Mal hat die Mannschaft verloren – bei 13 geschossenen und 212 Gegentoren. Am härtesten erwischte es die Mannschaft am 11. November mit einem 0:19 beim FSV Reimlingen. Am knappsten war die Niederlage am ersten Spieltag, dem 19. August: 0:2 beim FC Nordries. Im Schnitt rappelt es hinten fast achtmal pro Spiel. „Ich glaube nicht, dass es je eine Mannschaft bei uns im Kreis gegeben hat, die nicht einen einzigen Punkt geholt hat. In der Winterpause dachte ich, irgendwann klingelt mein Handy und der TKSV meldet sich ab“, sagt Miesbauer.
Doch der Anruf kam nicht. Stattdessen wandte sich der Vorstand des Kultur- und Sportvereins an zwei Männer: Serdar Kirmizi und Özdemir Öz. „Wenn man so etwas sieht, muss man helfen“, sagt Öz. Vor allem, weil er 20 Jahre lang für den TKSV gespielt hat und dem Verein immer freundschaftlich verbunden geblieben ist, wurde er Trainer und Libero – mit Ambitionen. „Ich will die schlechten Ergebnisse vergessen machen“, sagte er vor dem Rückrundenstart.
Im ersten Spiel am 17. März fing es auch gar nicht mal so schlecht an. „Gegen Brachstadt waren wir für 20 Minuten in Führung. Da dachten wir, jetzt geht es aufwärts“, erinnert sich Serdar Kirmizi, der als Spartenleiter Fußball und rechter Verteidiger zu seinem Verein des Herzens zurückgekehrt war. Es kam anders. Mitabsteiger Brachstadt gewann noch mit 6:1, der TKSV war geschlagen. Wieder einmal. Danach stellte sich beim Trainer der Eindruck ein, dass es mit dem Vergessenmachen der schlechten Ergebnisse wohl nichts werden wird. Was man Öz nämlich als Mannschaft hinterlassen hatte, glich einem brachliegenden Feld, das erst wieder mühsam bewirtschaftet werden muss, damit wieder etwas darauf wachsen kann.
25 Spieler zählt der Kader des TKSV. Eigentlich. Doch von den vielen jungen Spielern, die vor dieser Spielzeit so hoffnungsvoll gestartet waren, blieb kaum einer übrig. „Nach den ersten Niederlagen waren sie plötzlich nicht mehr da. Wenn man nachfragt, ob sie mal wieder kommen, bekommt man nur Ausreden“, sagt Kirmizi. Übrig geblieben ist ein Team, das vom Alter her eigentlich als Reserve- oder Altherrenmannschaft auflaufen müsste. „Zwei Spieler sind unter 25, der Rest ist zwischen 35 und 43 Jahre alt“, sagt Öz. Im Tor wechseln sich die Feldspieler ab, einen festen Schlussmann hat der TKSV nicht mehr. Aufgrund dieser Umstände hält sich Öz mit Brandreden in der Kabine zurück: „Meine Spieler sind vielleicht alt und nicht die besten Fußballer, aber sie sind nicht blöd.“ Bei allen Niederlagen bleibt der Tabellenletzte aber immer fair. „Fouls aus Frust oder Tätlichkeiten gibt es bei uns nicht“, verspricht Öz. Kreisspielleiter Miesbauer bestätigt das: „Wenn es um die Fairness geht, habe ich in dieser Saison nie etwas Schlechtes über den TKSV gehört.“
Besonders zuverlässig scheinen die Spieler aber nicht zu sein. Wenn Kirmizi unter der Woche in einer für die Mannschaft gegründeten Facebook-Gruppe fragt, wer zum Spiel kommt, sind die Antworten überschaubar. „Ich schreib’ rein, wer kommt, soll auf ,Gefällt mir‘ drücken. Meistens drücken nur zwei“, erzählt Kirmizi. Elf Spieler auf das Feld zu bekommen, hat er trotzdem irgendwie immer geschafft. Auch wenn mitunter der Betreuer der Mannschaft sich ein Trikot überziehen musste. So blieb es bei zwei selbst verschuldeten Spielabsagen aus der Hinrunde – eine dritte hätte sich der TKSV auch nicht mehr leisten dürfen.
Denn der Verein hat Pläne. Das Sportheim an der Augsburger Straße ist in die Jahre gekommen. Der Holzboden knarzt, die Türrahmen sind mit Alufolie gepolstert. Der TKSV will das Gebäude abreißen lassen und ein neues bauen. Für dieses Vorhaben hofft der Verein auf Zuschüsse vom Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV). Doch wenn die dritte selbst verschuldete Spielabsage gefolgt wäre, hätte die Mannschaft abgemeldet werden müssen. Eine Strafe, die sich der TKSV nicht leisten kann, weil das „Sport“ im Vereinsnamen lediglich für Fußball steht.
Kein Fußball, keine Zuschüsse, kein neues Sportheim und am Ende kein Verein mehr – so lautet die Kettenreaktion, die eine Abmeldung der Mannschaft laut Kirmizi zufolge haben könnte. „Wir spielen Fußball, damit dieser Verein erhalten bleibt. Hier wurde alles Generationen vor uns aufgebaut. Wir sind es unseren Kindern schuldig, ihnen eines Tages diesen Verein überlassen zu können.“ Deswegen lassen sich er und Öz den Spott von Außenstehenden gefallen. „In der Arbeit muss ich mir einiges anhören. Da kommen natürlich viele Sprüche, weil die Leute nicht verstehen, warum wir uns das antun“, sagt Öz.
Wenn der TKSV am Sonntag sein letztes Saisonspiel beim SV Megesheim bestreitet, ist die Mannschaft am Ziel. Zwar rechnet der Trainer nicht damit, dass ausgerechnet gegen den Tabellendritten ein Erfolg gelingt, doch seine Spieler haben durchgehalten – der sportlichen Misere, den schmerzenden Altherrenknochen und dem beißenden Spott zum Trotz. „Ich bin stolz auf alle, die mit uns die Saison durchgezogen haben“, sagt Öz.
Nächstes Jahr soll alles besser werden. In der B-Klasse, der untersten Liga. „Wir haben einige Zusagen von neuen Spielern, auch ein Torwart ist in Aussicht“, sagt Kirmizi. Dass der TKSV schon vor dieser Saison ähnlich hoffnungsvoll war, weiß er. Und genau deshalb verspricht er: „Ich liebe diesen Verein und werde immer zu ihm stehen. Egal, was kommt.“
Aufrufe: 08.6.2013, 05:39 Uhr
Donauwörther Zeitung / Marcel StaudtAutor