2024-04-16T09:15:35.043Z

Im Nachfassen
Beim ETSV Weiche gesetzt: Abwehrtalent Torge Paetow (links), hier im Duell mit Anttti Mäkijärvi vom VfB Oldenburg. Foto: objectivo/Koberg
Beim ETSV Weiche gesetzt: Abwehrtalent Torge Paetow (links), hier im Duell mit Anttti Mäkijärvi vom VfB Oldenburg. Foto: objectivo/Koberg

Talent mit Drittliga-Perspektive

ETSV Weiches Torge Paetow steht auch auf der Wunschliste einiger U23-Teams von Bundesligisten

Verlinkte Inhalte

Die Aufmerksamkeit beim ETSV Weiche bekommen meistens andere. Torjäger Tim Wulff oder aber Routiniers wie Christian Jürgensen oder Marc Böhnke. Torge Paetow steht eher in der zweiten Reihe. ,,Damit kann ich gut leben", sagt der 20-jährige Abwehrspieler. Kein Wunder, schließlich steht er sportlich keineswegs in der zweiten Reihe. Der Nordfriese ist der jüngste Stammspieler der Flensburger. Seit er im August 2014 gegen Meppen erstmals aufgestellt wurde, hat er 43 von 44 möglichen Punktspielen bestritten.

Paetow weiß, wem er das zu verdanken hat: Daniel Jurgeleit. ,,Wir vertrauen uns", sagt der Defensivmann. ,,Er hätte mich nicht sofort spielen lassen müssen. Aber er hat auf mich gesetzt." Für den Trainer war das in der Situation selbstverständlich. ,,Er hatte von Anfang an die nötige Robustheit. Das hatte er schon ganz zu Anfang im Test gegen den HSV bewiesen", beschreibt Jurgeleit den Beginn der Zusammenarbeit. ,,Er ist klar im Kopf und willig." Etwas überrascht war er, das Talent aus der A-Jugend von Holstein Kiel zu bekommen. Doch einen Drittliga-Vertrag boten die ,,Störche" nicht an. ,,Ich habe ihn natürlich gerne genommen", so Jurgeleit, der sich nun bestätigt sieht. ,,Jeder Trainer kann sich glücklich schätzen, so einen Spieler im Team zu haben."

Der so Gelobte fühlt sich beim ETSV längst pudelwohl. ,,Am Anfang war es noch eine Umstellung. Aber inzwischen fühle ich mich nicht mehr als der Jüngste", erklärt Paetow. Die Akzeptanz bei den Mitspielern ist längst da. ,,Wir verstehen uns alle gut, ziehen an einem Strang. Das ist ein Teil des Erfolgs." Gutes Stellungsspiel, ordentliches Passspiel, Kopfballstärke in der Defensive - so benennt Paetow seine Stärken. Jurgeleit sieht keine grundlegenden Schwächen, mahnt aber an: ,,Manchmal will er noch zu viel und zu früh nach vorn. Aber die Ruhe kommt mit der Erfahrung."

Paetow arbeitet neben dem Training noch individuell an seinem Passspiel. ,,Fehlpässe sehen bei einem Verteidiger immer doof aus", erklärt er. ,,Da kann ich noch präziser werden." Zusätzlicher Pluspunkt für das Talent sind die Einwürfe. ,,Ich habe noch nie gemessen, wie weit ich komme", sagt er zwar. ,,Aber irgendwann ist im Training aufgefallen, dass das eine Waffe sein könnte. Wir haben viele große Spieler." Inzwischen zählen die Würfe des Ex-Handballers (,,In der C-Jugend musste ich mich entscheiden") zum Standard-Repertoire der Flensburger und haben schon Tore eingeleitet.

Wenn er nicht gerade einwirft, ist die Position als rechtes Glied der Dreierkette Paetows Stammplatz geworden. ,,Die Rolle gefällt mir. Da sind auch mal Vorstöße möglich und man ist immer noch abgesichert", erklärt er. Auf den Außenbahnen hat er auch gespielt, war in der Jugend als Rechtsfuß oft linker Verteidiger. ,,Den linken habe ich nicht nur zum Stehen", schmunzelt er.

Vorzüge wie diese machen Paetow für andere Vereine interessant. ,,Mein Traum ist, Profi zu werden", sagt der Abiturient, der nach seinem Schulabschluss im Sommer in Kiel wieder bei den Eltern in Garding wohnt und ein Fernstudium aufgenommen hat. Die 3. Liga ist das nächste Ziel. Und die traut ihm auch Jurgeleit zu. Der 51-Jährige weiß, dass er seine Entdeckung im Sommer verlieren könnte - der Vertrag läuft aus. Er vergleicht Paetow ein wenig mit Hauke Wahl. Das Eigengewächs transferierte Holstein Kiel im Sommer für 800 000 Euro nach Paderborn. Nun ist so etwas auch in der 3. Liga die Ausnahme. ,,Aber die Entwicklung ist bei Torge auch längst nicht abgeschlossen", ist Jurgeleit sicher. Auf der Wunschliste steht Paetow bei einigen U23-Teams der Bundesligisten. ,,Da würde ich ihm aber nur zuraten, wenn es eine Klasse höher ist", so der Trainer.

Der Spieler selbst hat im Pokal-Vergleich mit Holstein und in Tests gegen Profis gemerkt, dass eine Klasse höher ,,körperlich und vom Tempo her eine Umstellung" nötig wäre. ,,Aber davon könnte ich lernen." Insbesondere das höhere Trainingspensum - bei Weiche sind es ,,nur" drei bis vier Einheiten pro Woche - würde dabei helfen. ,,In der A-Jugend haben wir auch ab und zu schon vormittags trainiert. In Flensburg geht das natürlich nicht, weil alle berufstätig sind", weiß Paetow.

Derzeit freut er sich besonders auf die Spitzenspiele. ,,Wenn es wie nächste Woche gegen Wolfsburg geht, macht das noch mehr Spaß", betont der 20-Jährige. ,,Letztes Jahr haben wir da zwei Mal gut ausgesehen." Wäre da nicht die Lizenz-Problematik, könnte es auch in Weiche mit der 3. Liga klappen. Doch vom Titel will Paetow nicht reden: ,,Wir haben uns keine neuen Ziele gesetzt. Wir wollen den 5. Platz vom letzten Jahr verbessern." Gelingt das, wird die Profifußballszene weiter neugierig auf die Entwicklung in Weiche blicken. Und einem 20-jährigen Verteidigertalent wird dann vielleicht sogar die meiste Aufmerksamkeit gewidmet.
Aufrufe: 09.11.2015, 17:30 Uhr
SHZ / Christian JessenAutor