2024-04-24T13:20:38.835Z

Interview der Woche
Ex-SVW-Coach Bert Balte im großen FuPa Interview der Woche: "Ich muss von einer Sache wirklich überzeugt sein, und das war ich nicht mehr." Foto: FuPa.
Ex-SVW-Coach Bert Balte im großen FuPa Interview der Woche: "Ich muss von einer Sache wirklich überzeugt sein, und das war ich nicht mehr." Foto: FuPa.

"Vieles war eingekrustet"

Scheidender SVW-Coach Bert Balte im FuPa-Interview der Woche +++ "Entweder es gibt den 100-prozentigen Bert Balte oder gar keinen" +++ Kritik an Verein und Kaderplanung, aber auch Balte räumt Fehler ein

WEISENAU. Vier Niederlagen am Stück mit zunehmend desolaten Leistungen waren zu viel des Schlechten: Am Dienstag hat Bert Balte seinen Rücktritt als Trainer des SVW Mainz bekannt gegeben. Eigentlich war am Abend ein Gespräch mit dem Vorstand vorgesehen, bei dem Wege aus dem Landesliga-Keller ausgelotet werden sollten. Dazu kam es nicht mehr. Im Interview der Woche gibt Balte Auskunft über seine Beweggründe, die weit über das jüngste 2:7 gegen RWO Alzey hinausreichen.

Herr Balte, am Montag hatte es noch geheißen, Sie wollen weitermachen, am Dienstag haben Sie Ihren Rücktritt bekannt gegeben. Was hat sich in der Zwischenzeit getan?

Ich hatte nach dem Spiel gegen Alzey zwei Tage Zeit, mir Gedanken zu machen. Ich musste einige Dinge bedenken. Als Trainer ist es notwendig, auch eine Selbstanalyse zu erstellen. Ich will nichts Negatives über den Verein sagen, dazu habe ich ein viel zu gutes Verhältnis zu den Verantwortlichen. Aber beim Verein ist eben einiges eingekrustet, und ich möchte gern, dass es immer nach vorne geht, man auch offen für neue Ideen ist.

Da gab es also offenbar Differenzen. Worum ging es dabei konkret?

Dass der Trainer seine Ideen und Prinzipien in sportlicher Hinsicht durchsetzen kann. Da ging es nicht so richtig vorwärts.

Ich würde mal sagen, der Kader steht in der Tabelle ohne die vielen Verletzten aktuell ungefähr da, wo er hingehört. Das hätte man vorhersehen können, und Sie haben in der Vorbereitung bereits wiederholt gewarnt...

Die Kaderplanung war natürlich problematisch. Die Möglichkeit, Spieler, die ein, zwei Klassen höher gespielt haben, zu holen, war einfach nicht da. Ein Jannik Wex, der von Gonsenheim nach Alzey gegangen ist, saß beispielsweise auch bei uns am Verhandlungstisch. Ihn hätte ich liebend gern geholt, aber dann reicht es eben nicht. Als es letztes Jahr besser lief, hatte ich intern einen Vorstoß unternommen, Richtung Verbandsliga zu schauen. Das ist aber auf keine allzu große Resonanz gestoßen, um es mal so auszudrücken.

Es gibt Stimmen, die sagen, dass in den vergangenen beiden Spielzeiten angesichts der Qualität im Kader letztlich zu wenig rausgesprungen ist und man deshalb nun sparsamer ist.

Ich halte diese Argumentation für falsch. Letztes Jahr war ein absolutes Seuchenjahr, wie ich es in meiner langen Zeit als Trainer noch nie erlebt habe. Wir hatten so viele Verletzte, auch viele wichtige Leistungsträger. In der Rückrunde waren teilweise nur noch 13, 14 Spieler da. Ich bin richtig stolz auf die Mannschaft, dass sie in dieser Situation den Klassenerhalt geschafft hat. Das ist absolut als Erfolg zu sehen.

Dass viele Leistungsträger noch lange verletzt bleiben werden, war allerdings bei der Kaderplanung für diese Saison absehbar. Ist der Klub da zu wenig ins Risiko gegangen?

Wir haben natürlich gehofft, dass Dennis De Sousa schneller fit wird, aber er hat einen Rückschlag erlitten. Bei Adem Kaya, der uns als Stürmer und Anführer immens fehlt, hatte ich auf eine frühere Rückkehr gehofft, auch bei Matthias Wincek oder Nico Huber. Das war vielleicht blauäugig. Hinzu kommt, dass die Entwicklung einiger junger Spieler nicht so schnell ging, wie ich mir das erhofft hatte. Aber dass junge Spieler auch mal Rückschritte durchmachen, ist völlig normal. Ja, ich hatte mir mehr erhofft, aber ich muss auch im Rahmen meiner Prinzipien arbeiten können.

Was werfen Sie sich selbst vor?

Rückblickend räume ich einen Fehler ein: Ich hätte schon Ende Mai, als es hieß, dass man nur noch auf junge Spieler setzen will, sagen sollen, dass es vielleicht besser ist, wenn jemand anders den Neuanfang begleitet. Aber ich bin halt euphorisch und packe gern schwierige Sachen an.

Dennoch haben Sie nun den Klub verlassen. Die sportliche Entwicklung in dieser Saison kann kaum der einzige Grund sein.

Nein. Entweder es gibt den 100-prozentigen Bert Balte oder gar keinen. Ich bin ein impulsiver Trainer und muss meine Impulsivität auch ausleben dürfen. Da gab es bei dem ein oder anderen Probleme, aber nicht bei den Spielern! Ich möchte keine Namen nennen.

Dass ein Bert Balte an der Seitenlinie nicht zu den Stillen im Lande zählt, sollte sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten im Mainzer Fußball eigentlich herumgesprochen haben. Stimmt es denn, dass es seitens des Vorstands seit Sonntag keinen Kontakt gab und niemand Ihnen den Rücktritt nahe gelegt hat?

Ja, das stimmt. Aber ich muss sagen, dass auch ein Trainer ein Seelenleben hat und mal Zuspruch und Motivation von außen braucht.

Hätte man Sie noch vom Verbleib überzeugen können?

Wenn man die angesprochenen Probleme im Sinne aller angegangen wäre, vielleicht. Aber wahrscheinlich hätte es keinen Sinn mehr gemacht. Ich muss von einer Sache wirklich überzeugt sein, und das war ich nicht mehr.

Vergangene Woche hatten Sie der Mannschaft bereits den Rücktritt angeboten. Wie haben die Spieler da auf Ihr Angebot reagiert?

Dass sie es weiter mit mir probieren wollen. Die Trainingseinheiten waren auch klasse, aber im Spiel hat sich das dann leider nicht gezeigt. Und ich will dann schon eine deutliche Reaktion auf dem Platz sehen, die aber nicht erfolgt ist.

Wie haben die Spieler nun auf den Rücktritt reagiert? Haben Sie sich persönlich verabschiedet?

Nein, ich habe nur mit dem Vorstand gesprochen. Es ist ja ohnehin schon genug Unruhe da. Wenn sich einmal die Gelegenheit ergibt, verabschiede ich mich auch. Einige Jungs bedauern es und haben mir sehr nette Mails geschrieben, auch vom Verein. Andere bedauern es natürlich nicht, aber das ist ganz normal. Als Trainer muss man eben Entscheidungen treffen, die manchen weh tun.

Eine solche war sicher der Austausch des Kapitäns vergangene Woche. Ein letzter Schuss, der aber nicht saß? Was war der Beweggrund?

Ich habe mit Max Sutor ein dreiviertelstündiges Gespräch geführt. Er war über Jahre ein sehr guter Kapitän, aber in der aktuellen Lage brauchte ich einen Kapitän, der stärker als Sprachrohr nach innen und auch nach außen agiert, der auch mal auf die Pauke haut und aus sich rausgeht. Axel Schulze ist ein solcher Typ. Das hat mit dem Mensch Max Sutor überhaupt nichts zu tun.

Welches Signal haben Sie sich von dem Wechsel erhofft?

Der Verein hat eine gewisse Komfortzone. Die Spieler bekommen ihre Sachen gewaschen, müssen nur mit Kulturtäschchen zum Treffpunkt kommen. Es hat sich eine gewisse Bequemlichkeit eingeschlichen. Aber man braucht auch einen richtigen Erfolgswillen, um etwas zu erreichen, und den sah ich nicht bei jedem so ausgeprägt. Wenn man Erfolg will, geht es eben manchmal nur mit der härteren Gangart. Im Verein gab es Strömungen, die das kritisch gesehen haben. Da hätte der Verein eingreifen müssen. Das stößt mir sauer auf. Ich hoffe, der Verein nimmt das als Denkanstoß mit. Man braucht einen absoluten Zusammenhalt, um aus so einer Lage rauszukommen, und der war nicht mehr gegeben.

Wie geht es nun weiter mit Bert Balte?

Der macht jetzt erst Mal mit seiner Abteilung das Sportabzeichen! Das werden sicher zwei lustige Tage. Als Trainer will ich auf jeden Fall weitermachen. Ich bin noch lange nicht zu alt und habe großen Spaß daran. Alle Vereine, die Aufstiegsmöglichkeiten bieten, sind interessant. Und ich werde mich mehr um meine Familie kümmern, die häufig zu kurz kommt. Wie heißt es so schön: Schaun mer mal!

Aufrufe: 014.9.2016, 17:15 Uhr
Torben SchröderAutor