2024-05-08T14:46:11.570Z

Querpass
Abwehrsäule von Mainz 05: Auf Peter Neustädter (li.) war hinten Verlass.
Abwehrsäule von Mainz 05: Auf Peter Neustädter (li.) war hinten Verlass. – Foto: hbz (Archiv)

Ligaverbleib auch Neustädters Mission

U17-BUNDESLIGA +++ Früherer Mainz-05-Spieler lebt als Coach der U 17 des SV Wehen Wiesbaden Professionalität vor

Wiesbaden. Während die SVWW-Profis in Spanien für den Zweitliga-Verbleib schwitzen, setzt Trainer Peter Neustädter alle Hebel in Bewegung, die eigene U 17 in der Bundesliga zu halten. Die Teilnahme am Sonnenberger Liliencup-Turnier (Sa., ab 12 Uhr, So., ab 10.45 Uhr, Halle am Platz der Deutschen Einheit) sieht er als wichtigen Baustein der Vorbereitung an. Neustädter selbst lebt seinen Jungs Professionalität vor.

Durch Willens- und Charakterstärke Profi geworden: Wobei ihm selbst Talent nur bedingt in die Wiege gelegt worden war. „Ich war 15 Jahre und hatte praktisch keine Basis. Außer, dass ich schnell war, fest und weit schießen konnte. Aber ich wollte unbedingt Fußball spielen und unbedingt Profi werden“, erinnert sich der 53-Jährige. Und tatsächlich versetzte er durch die ihm eigene Willens- und Charakterstärke Berge. „Heute gibt es Jungs, die alles drauf haben, aber der Charakter ist vielleicht nicht entsprechend ausgeprägt“, weiß Neustädter.

Mit seinen familiären Wurzeln in der damaligen Sowjet-Republik Kirgisistan schaffte er es in die U15-Auswahl der großen Sowjetunion. Es war der Beginn einer bewegten, wechselvollen und intensiven Karriere in mehreren Ländern. Mit drei Länderspielen für Kasachstan, dem Nachbarland von Kirgisistan, mit 16 Bundesliga-Einsätzen unter Winfried Schäfer beim Karlsruher SC und der langen Phase zwischen 1994 und 2003 mit 239 Zweitliga-Spielen und neun Toren für den FSV Mainz 05. Danach wechselte Neustädter ins Trainer-Fach, nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an und erwarb die Fußballlehrer-Lizenz.

Jungs allumfassend ausbilden: Seit dem Sommer 2019 bringt er als Trainer seine reichhaltigen Erfahrungen und seine Philosophie bei den in die Bundesliga aufgestiegenen U17-Junioren des Zweitligisten SV Wehen Wiesbaden ein. SVWW-Sportdirektor Christian Hock, sein früherer Mainzer Weggefährte, hatte ihn nach Wiesbaden gelotst. Talente allumfassend ausbilden, sie bestmöglich auf den eventuellen Sprung in den Profibereich vorbereiten und natürlich der Erstliga-Verbleib – diese Ziele versucht er, unter einen Hut zu bringen. Auch wolle er seine Jungs vor Fehlern bewahren, „die ich während meiner Laufbahn gemacht habe“. Bislang lässt sich das sehr gut an. Als Achter besteht ein Vier-Punkte-Abstand zum ersten Abstiegsrang. Gegen den aktuellen Rangdritten FC Bayern (3:0) und Tabellenführer Mainz 05 (3:2) haben seine Schützlinge unter Beweis gestellt, dass mit absoluter Einstellung und Disziplin Topergebnisse möglich sind. „Doch erreicht haben wir noch nichts“, duldet Neustädter keinerlei Zurücklehnen oder Stillstand.

Auch in der Halle gegen 05er: Auch nicht beim Liliencup, wo es zum erneuten Aufeinandertreffen mit Mainz 05 kommt: „Mit der Bande macht das noch mehr Spaß, wenn es um die Handlungsschnelligkeit geht und darum, Situationen zu erfassen.“ Überhaupt bündelt Neustädter in seiner vielschichtigen Trainings-Methodik körperliche und geistige Elemente. Seinen Jungs hat er Übungen für ein Warm-up direkt nach dem Aufstehen an die Hand gegeben, „um den Körper für den Tag zu aktivieren“. Genauso schickt er ihnen spezifische Videosequenzen „mit guten Szenen aus anderen Ligen“ aufs Smartphone, legt ihnen Fachbücher ans Herz, in denen die Faktoren Wahrnehmung und schnelles Erfassen von Spielsituationen Schwerpunkte bilden. Zudem liefere ihm sein jüngerer Sohn Daniel (25), der beim Oberligisten 1. FC Bocholt spielt, manchmal Impulse für die Trainingsarbeit, während sein älterer Sohn Roman (31), der zwei Länderspiele für Deutschland absolviert hat, seit 2016 für Russland spielt, nunmehr Profi bei Dynamo Moskau ist. Roman hatte bei Mainz 05 die komplette Jugend durchlaufen, spielte in der 05-Zweiten unter seinem Vater.

Mit 16 Jahren 3000 Kilometer von der Familie weg: Peter Neustädter war im Alter von 16 Jahren ins Sportinternat von Zenit St. Petersburg gewechselt – 3000 Kilometer entfernt von seiner Heimat Kirgisistan. „Ich habe meine Eltern gefragt, ob ich diesen Weg gehen kann. Es wurde nicht lange diskutiert, sie hatten gesehen, wie engagiert ich bin. Doch bei Zenit haben mich die Jungs beim ersten Hallentraining erst einmal richtig auseinandergenommen. Daraufhin habe ich mir ein Seil gekauft, jeden Morgen 250 Sprünge gemacht und Liegestützen gemacht – und im Training Gas gegeben. Mit 17 durfte ich bei Zenit in der ersten Mannschaft mittrainieren und in der zweiten spielen“, schildert Neustädter, der später als konsequenter Manndecker auch Gegenspieler von Oleg Blochin war.

Extraschichten mit Oliver Kahn: 1991 siedelten seine Eltern nach Deutschland über, Peter Neustädter gelangte einhergehend zum KSC. Dank Winfried Schäfer habe er einen Vertrag bekommen und mit Oliver Kahn zusammengespielt: „Zweimal in der Woche hat er gefragt, ob ich nach dem Training noch Freistöße und Flanken schieße. Anschließend sind wir in die Sauna gegangen, danach nach Hause. Doch Kahn ging noch in den Kraftraum“, weiß Neustädter. Erlebnisse und Erfahrungen, die ihn bei seiner aktuellen Aufgabe beeinflussen. Es ist die Botschaft an seine Talente: Wer sich über das normale Pensum hinaus engagiert, hat größere Chancen, einen der begehrten Plätze im Profilager zu ergattern.
Aufrufe: 017.1.2020, 14:20 Uhr
Stephan NeumannAutor