Und so muss sich Matthias Stingl im Moment in Geduld üben. Das Problem ist, dass aufgrund der Corona-Pandemie die USA ihre Konsulate geschlossen haben, die Visa-Anträge bleiben liegen und werden schlicht nicht bearbeitet. "Ich hoffe, dass vielleicht im August was vorwärts geht. Am 10. August würde die Vorbereitung meines College-Soccer-Teams beginnen. Spätestens am 1. September muss ich drüben sein, denn dann beginnt das Studium und das hat Priorität für mich." Und wenn sich die Situation bis dahin nicht entspannt? "Dann müsste es wohl oder übel irgendwie online gehen."
Drei Jahre will der Niederbayer in Lowell bleiben, einer Universitätsstadt rund 30 Kilometer von Boston entfernt. Seinen Bachelor in Business Administration will er dort ablegen, so lange gilt auch seine Spielgenehmigung. Im Fokus soll aber schon der akademische Werdegang und anschließende Abschluss stehen. "Ich weiß ehrlich gesagt noch gar nicht wirklich, was mich sportlich erwartet. lch denke, das Niveau wird irgendwo zwischen Regional- und Bayernliga anzusiedeln sein. Was ich mir erhoffe? Von der MLS (höchste Profiliga in Amerika, Anm.d.Red.) träume ich nicht. Ich will aber vor allem athletisch auf ein neues Level kommen. Gerade dafür ist der College-Sport ja bekannt", erklärt Stingl. Die Sportstadt Boston dürfte für den bekennenden Basketball-Fan einige Schmankerl bereithalten: "Ich freue mich auf Spieler der Celtics in der NBA. Auch das Eishockey-Team Boston Bruins gehört zu den besten des Landes." Daneben wäre noch die Football-Giganten der New England Patriots und das MLS-Team New England Revolution zu nennen. Langweilig dürfte ihm also nicht werden. Aber: Alles noch Zukunftsmusik!
Derzeit nämlich muss er noch vorliebnehmen mit dem elterlichen Zuhause in Winzer (Lkr. Deggendorf), wo er seit der Kündigung seiner Wohnung in Burghausen untergekommen ist. Während die Corona-Krise den Fußball lahmgelegt hat, hat Matthias Stingl die Zeit genutzt und bei der Firma ZF in Passau ein Praktikum absolviert. Sportlich hätte er sich natürlich einen gänzlich anderen Abgang aus Burghausen gewünscht. "Ich konnte mich leider nicht einmal persönlich verabschieden. Das ist schon brutal schade." Trotz seines erlittenen Kreuzbandrisses will er die Zeit an der Salzach nicht missen. Burghausen, das war für ihn fast ein Sehnsuchtsort wenn man so will. "Nach meiner Zeit in Paderborn hat es mich doch wieder arg zurückgezogen in meine bayerische Heimat."
Der Profifußball muss es für Matthias Stingl aber gar nicht mehr sein. Für sich hat er eine ideale Nische gefunden: Studium in den USA verbunden mit semiprofessionellem College-Soccer. Nach seiner schweren Knieverletzung meint er, in vier bis sechs Wochen wieder in ein Mannschaftstraining einsteigen zu können. Am Comeback arbeitet er derzeit an einem ganz besonderen Ort: Zuhause in Winzer. "Ich gehe derzeit oft auf den Platz und mache Übungen", verrät Stingl und schickt dabei wohl Stoßgebete gen Himmel, dass sein Visa-Antrag möglichst bald bearbeitet wird. Und sollte sich das alles wider Erwarten doch noch hinziehen wie Kaugummi, ja was dann? "Sollte ich tatsächlich bis Winter nicht in die USA reisen können, würde ich mir eine Möglichkeit suchen, um mich fit zu halten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo bei einem Verein ins Wettkampfgeschehen einzugreifen. Das Verletzungsrisiko wäre mir einfach zu groß", sagt Stingl. Soweit soll es aber nicht kommen. Die Koffer sind schließlich schon gepackt.