2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview der Woche
Der Präsident Rainer Lorz spricht über die Chancen der Kickers gegen Wolfsburg und die Bedeutung des Pokals. Foto: Baumann
Der Präsident Rainer Lorz spricht über die Chancen der Kickers gegen Wolfsburg und die Bedeutung des Pokals. Foto: Baumann

Lorz: Sensation nicht ausgeschlossen

Der Präsident der Stuttgarter Kickers im großen Interview vor dem DFB-Pokalspiel gegen Wolfsburg

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Die Stuttgarter Kickers haben zum zweiten Mal nacheinander ein attraktives Los im DFB-Pokal gezogen: 2014 Dortmund, dieses Mal den Titelverteidiger Wolfsburg, der am Samstag (15.30 Uhr) ins Gazi-Stadion kommt. Der Präsident Rainer Lorz spricht in unserem Interview der Woche über die Chancen der Kickers gegen Wolfsburg und die Bedeutung des Pokals.

Herr Lorz, wie froh sind Sie denn, dass der Verein das Pokalspiel gegen den VfL Wolfsburg nicht in die Mercedes-Benz-Arena verlegt hat, nachdem es selbst fürs Gazi-Stadion noch ein paar Karten gibt?
Rainer Lorz: Für uns war eine Verlegung nie wirklich ein Thema, auch wenn der VfL Wolfsburg sportlich ein sehr attraktives Los ist. Aber unsere Heimat ist nun mal das Gazi-Stadion, und da muss schon sehr viel passieren, damit wir umziehen. So wie eben im vergangenen Jahr gegen Borussia Dortmund, sonst hätten wir unser Spiel in Reutlingen austragen müssen. Zudem wird das Gazi-Stadion am Samstag ausverkauft sein – das ist auch ein positives Zeichen.

Erhoffen Sie sich denn in Degerloch auch größere Chancen auf eine Sensation?
Lorz: Man muss natürlich sehen, dass Wolfsburg in Deutschland momentan vielleicht das beste Team ist, das haben sie ja gerade im Supercup gezeigt. Da muss also schon sehr viel zusammenkommen, damit eine Sensation zustande kommt – ausgeschlossen ist es nicht. Und natürlich sind die Aussichten im Gazi-Stadion besser als in einer anderen Arena, mit der wir uns möglicherweise erst noch anfreunden müssten.

Ist der DFB-Pokal inzwischen ein wichtiger Baustein für den Saisonetat?
Lorz: Auf jeden Fall. Der DFB-Pokal bringt ja Fernsehgelder in der Größenordnung von 100 000 Euro sowie zusätzliche Einnahmen aus der Zentralvermarktung. Also ist es wichtig, dass wir uns für die erste Hauptrunde qualifizieren.

Kann man denn sagen, was bei einem ausverkauften Stadion hängenbleibt?
Lorz: Das ist immer etwas schwierig zu beziffern, weil der Gegner auch seinen Anteil bekommt und die Kosten relativ hoch sind. Aber unterm Strich dürften bei 11 000 Zuschauern etwas mehr als 200 000 Euro übrig bleiben. Das ist natürlich deutlich weniger als gegen Dortmund, als wir 37 000 Zuschauer hatten.

Neben den Einnahmen hat der Pokal ja auch einen Imagegewinn zur Folge. Wie würden Sie den einschätzen?
Lorz: Die dritte Liga steht zwar sehr im Fokus und gilt als eine der besten dritten Ligen der Welt, trotzdem genießt sie bundesweit keine so hohe Aufmerksamkeit wie der DFB-Pokal. Das sieht man schon bei der Auslosung, da wird man als Verein ganz anders wahrgenommen. Das ist für uns wichtig, weil wir dann im Konzert der Großen – als Gegner – mitgenannt werden.

Sie haben die Liga angeschnitten. Das Wort Aufstieg wurde trotz Platz vier in der Vorsaison auch in dieser Spielzeit nicht offensiv vorgegeben. Warum nicht?
Lorz: Wir wissen, dass wir eine gute Mannschaft haben, eine spielerisch sogar sehr starke, von der wir überzeugt sind. Andererseits ist die Leistungsdichte in der dritten Liga enorm hoch. Wenn man da den Aufstieg als Ziel ausgibt oder gar fordert, hat das häufig kontraproduktive Effekte. Das ist ein Langstreckenrennen, bei dem man am Ende vorne dabei sein muss. Dass alle ehrgeizig sind und etwas erreichen wollen, haben wir gezeigt; dieses Denken ist auch bei den Spielern vorhanden, da muss man nicht ständig lauthals Ziele verkünden.

Heißt das im Umkehrschluss, die Kickers können inzwischen in der dritten Liga auch ganz ordentlich leben?
Lorz: Unser primärer Anspruch nach dem Aufstieg war ja, in der dritten Liga ein etablierter Verein zu werden. Natürlich wollen wir weiter nach oben kommen. Aber es ist eben nicht so, dass es heißt: aus wirtschaftlichen oder anders gearteten Gründen müssen die Kickers aufsteigen. Unser Ziel ist es, dass wir uns – egal in welcher Liga – als Verein weiterentwickeln.

Finanziell funktioniert es also aktuell?
Lorz: Man muss dazu sagen, dass wir in den letzten beiden Jahren wesentlich bessere Voraussetzungen geschaffen haben, um unse­re  sportlichen Ziele zu verwirklichen. Das funktioniert natürlich nur, solange die ­Einnahmesituation stimmt: insbesondere durch mehr Zuschauer und höhere Sponsoringgelder. Sobald das stagniert oder zurückgeht, müsste man gewisse Dinge hinterfragen. Aktuell sind wir auf einem Standard, den andere Vereine schon erreicht haben. Und der ist in der dritten Liga sehr hoch: Inzwischen haben 19 von 20 Vereinen eine Rasenheizung, ungefähr zehn ein neues Stadion. Da so mitzuhalten, wie wir es tun, ist schon eine Leistung.

Stichwort Stadion: Wie wichtig war der Umbau der Haupttribüne?
Lorz: Zunächst einmal war es die Grundvoraussetzung dafür, dass wir in der dritten Liga im Gazi-Stadion überhaupt weitermachen können. Wir haben dadurch die Sitzplatzkapazität verdoppelt, das bedeutet einen höheren Durchschnittspreis. Zudem haben wir andere Möglichkeiten im Businessbereich, in dem wir statt früher 250 Plätze jetzt über 450 haben. Da kann man sich ausrechnen, dass sich das auf der Ertragsseite deutlich bemerkbar macht.

Neue Tribüne, mehr Zuschauer – sind die Kickers noch vom Investor Quattrex abhängig?
Lorz: Abhängig nicht. Es war eine Anschubfinanzierung, jetzt sind wir in der Phase, in der „der Vertrag gelebt wird“. Und ich glaube, wenn man es rückblickend betrachtet, hat die Anschubfinanzierung genau das erreicht, was wir beabsichtigt haben, nämlich uns in die Lage versetzt, Mehreinnahmen zu erzielen.

Aber alles hat irgendwann ein Ende.
Lorz: Zunächst einmal haben Verträge ihre Laufzeit, aber es ist immer das Ziel, den Etat aus eigenen Mitteln stemmen zu können. Momentan sind wir da in einer sehr guten Situation, weil wir mit Besar Halimi auch zum ersten Mal einen signifikanten Transferüberschuss erzielt haben, was für die Kickers lange Jahre keine echte Quelle war. Da müssen wir wieder hinkommen, dass das ein Bestandteil der Finanzierung wird.

Halimi war ja ein Transferhickhack, bei dem zwischenzeitlich eine Million Euro im Gespräch war, jetzt soll es rund ein Drittel davon geworden sein. Sind Sie damit zufrieden?
Lorz: Das ist ja immer ein Geschäft, an dem drei Parteien beteiligt sind. Der abgebende Verein, der aufnehmende Club und der Spieler. Am Ende müssen alle Ja sagen. Wir haben Ja gesagt, also war es für uns ein Ergebnis, mit dem wir leben konnten.

Sie haben mit MHP als Hauptsponsor und Porsche im Nachwuchsbereich renommierte Partner gewinnen können. Spüren Sie eine Sogwirkung?
Lorz: Man merkt schon, dass dadurch die Attraktivität für andere Unternehmen steigt, sich zu engagieren. Und wir werden in der Öffentlichkeit anders wahrgenommen, das macht es für uns auch leichter, neue Sponsoren für die Kickers zu gewinnen.

Es macht im Moment also mehr Spaß denn je, Kickers-Präsident zu sein?
Lorz: Es gibt immer irgendwo Themen, bei denen man sagt: Das läuft nicht so gut. Aber natürlich ist die Situation heute deutlich besser als bei meinem Amtsantritt – und es macht auch mehr Spaß.

Also werden Sie im Herbst erneut für das Amt kandidieren?
Lorz: Erst einmal muss der Aufsichtsrat seine Mannschaft zusammenbekommen, und dann müssen Gespräche geführt werden. Aber es sieht gut aus.

Und beim Trainer, dessen Vertrag zum Saisonende ausläuft? Der Bayern-Coach Pep Guardiola hat dieser Tage gesagt, drei Jahre bei einem Verein seien heute schon eine lange Zeit. Sind Sie denn überzeugt, das Horst Steffen bei den Kickers länger arbeiten wird ?
Lorz: Ich würde es mir sehr wünschen und habe auch den Eindruck, dass es ihm bei uns sehr gut gefällt. Die ersten Gespräche sind bereits geführt worden – und wir werden die Zeit finden, Nägel mit Köpfen zu machen. Auch wenn jetzt erst mal der Pokal ansteht.

Aufrufe: 06.8.2015, 15:00 Uhr
StZ/umpAutor