2024-04-15T13:50:30.002Z

Allgemeines
– Foto: Heiko van der Velden

Adli Lachheb und sein Fußball-Märchen

Als junger Mann reiste der Tunesier nach Deutschland, um Profi zu werden. In Straelen ist er heimisch geworden.

Als tunesischer Jugend-Nationalspieler hatte der heute 33-jährige Adli Lachheb bereits in jungen Jahren die halbe Welt gesehen. Wegen der politischen Unruhen, die als „arabischer Frühling“ in die Geschichte eingegangen sind, platzte sein Debüt in der A-Nationalmannschaft. Für den Confed-Cup 2005 und der anschließenden WM 2006 in Deutschland hatte sich sein Heimatland Tunesien qualifiziert.

Der Anblick der imposanten Fußballstadien, die er als Teenager bei beiden Wettbewerben im Fernsehen zu sehen bekam, ließ den hochtalentierten Kicker nicht mehr los – in solchen Stadien wollte er auch spielen. Lachheb wuchs am Mittelmeer in der tunesischen Hafenstadt Monastir auf. Sein Vater arbeitete als Buchhalter, seine Mutter bei der regionalen Schulverwaltung. Fußball spielte er bei den „Blau-Weißen“, dem US Monastir. An der staatlichen Schule seiner Heimatstadt bestand er die technische Abiturprüfung.

Von seinem Entschluss, eine Karriere als Fußball-Profi in Deutschland zu wagen, waren seine Eltern alles andere als begeistert. Doch die Entscheidung hatte er längst für sich getroffen. Er schrieb sich an der TU Darmstatt als Student ein, packte seine Koffer und landete als 19-Jähriger mutterseelenalleine und ohne Deutschkenntnisse am Flughafen in Frankfurt – das Abenteuer konnte beginnen.

Von den neuen Eindrücken in einer für ihn völlig anderen Welt wurde er förmlich erschlagen. Seine Gefühle pendelten zwischen Begeisterung und leisen Zweifeln daran, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Vollkommen auf sich alleine angewiesen, stellte er sich beim FSV Frankfurt und der Eintracht vor. Ein gültiges Visum hatte er, doch mögliche Vertragsunterzeichnungen scheiterten an der noch nicht ausgestellten Aufenthaltserlaubnis. Von der vierten Liga bei Kickers Offenbach II gelang ihm nach einem Jahr der Sprung in Liga drei. Den Weg hatte Marco Reich, Ex-Profi des 1. FC Kaiserslautern, geebnet. Ein Jahr später lief er für Erzgebirge Aue in der Zweiten Bundesliga auf. „Aus sportlicher Sicht waren die zwei Jahre bei Aue die besten während meiner ganzen Karriere. Wir wurden Herbstmeister und ich habe im DFB-Pokal mitgespielt“, sagt Lachheb.

Trotz der erfolgreichen Zeit im Osten Deutschlands nahm er ein Angebot des MSV Duisburg an, der damals ebenfalls in der Zweiten Liga kickte. „Von Anfang an war es nie meine Absicht, mich irgendwo länger aufzuhalten. Zu groß war mein Drang, immer was Neues zu sehen und zu erleben. Und beim MSV war alles noch einmal eine Nummer größer und professioneller als in Aue“, so Lachheb.

Spätestens nach dieser Saison im Trikot der Zebras war die Absicht in ihm gereift gereift, Deutschland zu seinem neuen Zuhause zu machen, denn als Profi hatte er alles erreicht, wovon er als Jugendlicher geträumt hatte. Er hatte in den großen Stadien gegen die großen Vereine gespielt. Ganz nebenbei mag er die deutsche Mentalität und weiß die Möglichkeiten zu schätzen, die das Land den Menschen zu bieten hat.

Nach einer zweijährigen Verletzungsserie kämpfte er sich mit eiserner Disziplin zurück und tingelte als Fußball-Profi durch das Land, bis er am 21. Juli 2018 beim Freundschaftsspiel gegen Fortuna Köln zum ersten Mal für den SV Straelen auflief. Wenn es nach Adli Lachheb geht, ist nach dieser Saison keineswegs Schluss mit dem Fußballspielen. „Zwei, drei Jahre traue ich mir bei guter Gesundheit schon noch zu. Und gerne beim SV Straelen“, sagt der 1,94 Meter große Abwehrriese. Stephan Houben, Sportlicher Leiter des SV Straelen, hört diese Lebensplanung gerne: „Adli ist ein absoluter Führungsspieler und Leistungsträger in unserem Team. Er ist kein Lautsprecher. Doch wenn er den Mund aufmacht, sollten insbesondere die jüngeren Spieler gut zuhören. Er lebt den Fußball. Diskussionen sind, auch wenn er manchmal seinen tunesischen Sturkopf durchsetzen möchte, immer sachlich und konstruktiv.“

An eine Rückkehr nach Tunesien denkt er nicht, er sei deutscher Staatsbürger und sehe seine Zukunft in Deutschland, vielleicht sogar für immer in Straelen, denn der Niederrhein sei für ihn sehr lebens- und liebenswert. Die abschließende Frage, ob sein Verein am Ende der Saison die Klasse hält, beantwortet Adli Lachheb wie ein Vollblutprofi: „Ich bin davon überzeugt, dass die Mannschaft die Qualität dazu hat und alle Voraussetzungen mitbringt, um konkurrenzfähig zu sein und die Liga zu halten.“

Aufrufe: 09.10.2020, 23:30 Uhr
RP / Heinz SpützAutor