2024-04-24T13:20:38.835Z

Interview

Verband entscheidet über Amateurfußball hinweg

Norbert Staller, der langjährige Kreisvorsitzende des Fußball-Kreises Pirmasens-Zweibrücken, weiß wovon er spricht. Der 83-Jährige lebt Amateurfußball und hat ihn aus allen Blickwinkeln erfahren. In unserem Interview spricht er über seine Leidenschaft, den Amateurfußball und legt dabei auch den Finger in die Wunden.

Amateurfußball steht für Sport, Emotionen, Begeisterung und Miteinander. Einer, der das seit vielen Jahrzehnten lebt, ist der Pirmasenser Norbert Staller (83), der über ein Jahrzehnt lang Vorsitzender des Fußballkreises Pirmasens /Zweibrücken war und seit 1948 dem runden Leder in vielfältiger Weise als Spieler, Funktionär und Vereinsvorsitzender verbunden ist. FuPa.net hat mit ihm über die Entwicklung, Chancen aber auch über Hindernisse und Gefahren für den Amateurfußball gesprochen.

Hallo Herr Staller, Sie sind 83 Jahre jung und blicken auf ein Leben voller Fußball zurück. Ist der Ball - neben Ihrer Frau Irene - Ihre wahre Leidenschaft oder sind Sie einfach nur fußballverrückt?

Norbert Staller: (lacht) Beides kann man so sagen. Wenn es die Gesundheit zulässt, gehe ich noch heute jede Woche bei Wind und Wetter zu den Spielen meines Stammvereins SV Ruhbank (A-Klasse/Pirmasens-Zweibrücken) auf den Sportplatz. Ob zuhause oder auswärts, das spielt für mich keine Rolle. Ich schaue mir aber auch interessante Partien von anderen Vereinen an, wie beispielsweise das Kreisfinale, das jährlich im Pirmasenser Framas Stadion ausgetragen wird. Ohne Fußball geht es bei mir nicht. Daher bin ich schon ein Stück weit fußballverrückt.

Was hat Ihnen der Amateurfußball als Funktionär und Spieler gegeben?

Norbert Staller: Alles, einfach alles. Amateurfußball bedeutet: Gesellschaftliche Verbindungen pflegen. Darüber hinaus wird durch den Sport die Integration gefördert. Es entstehen Freundschaften, weit über Spielstätten und Ortsgrenzen hinaus. Fußball fördert die Begegnungen mit Gleichgesinnten aus anderen Vereinen und zwischen deren Funktionären. Es findet auf und neben den Spielfeldern ein reger Austausch zwischen Menschen statt, die die gleiche Sache lieben. So sind bei mir im Laufe der Jahre Verbindungen und Freundschaften entstanden, die auch über weite Distanzen hinweg halten und die ich nie mehr missen möchte.

Alles was Sie sagen ist nachvollziehbar, aber warum werden die Zuschauer auf den kleinen Sportplätzen immer weniger?

Norbert Staller: Das hängt vornehmlich mit der Kommerzialisierung des Profisports, wie beispielsweise der Bundesliga, der englischen Premiere League oder der Champions League zusammen. Wenn sie wollen, können sie jeden Tag ein, zwei, oder drei Fußballspiele im Fernsehen aus Deutschland, Italien, Spanien oder Frankreich live verfolgen. Dazu brauchen Sie nicht mal mehr aus dem Haus heraus zu gehen. Dass die Bundesliga sonntags parallel zum traditionellen Spieltag der Amateure läuft, trägt ebenfalls zu Zuschauer- und Interessen-Konflikten bei. Die Überlegung lautet dann: Bleibe ich in meinem warmen Sessel sitzen, oder ziehe ich eine gute Jacke an, nehme den Schirm in die Hand und schaue mir ein Spiel vor Ort unter und mit Freunden an? Daran haben doch auch unsere großen Vereine in der Südwestpfalz, wie der FK Pirmasens in der Regionalliga und zu besten Oberligazeiten der SC Hauenstein, zu knabbern.

Wie lässt sich diese Entwicklung aufhalten oder umkehren?

Norbert Staller: Gute Frage, nächste Frage: das ist aufgrund unserer demografischen Gegebenheiten wohl nicht möglich. Erstens fehlt es den Fußballvereinen, gerade in den ländlichen Gebieten, an Nachwuchs. Wir waren früher in einem Jahrgang 60 bis 70 Kinder, heute sind es nur 15 bis 20 – wenn überhaupt. Die Folge davon ist: Die Jugendteams zentralisieren sich bei den großen Vereinen, statt wie früher in den kleinen Dörfern und Stadtteilen. Der Weg geht dann meistens weiter in die höheren Ligen, ab der Verbandsliga aufwärts. Den eigentlichen Dorffußball, bei dem sich jeder mit der Mannschaft in der der Nachbar spielt identifiziert, wird immer seltener. Aber auch vom DFB ist das glaube ich so gewollt.

Stichwort DFB: Der Deutsche Fußball-Bund und Amateurfußball, das passt nicht mehr ganz zusammen, oder?

Norbert Staller: Da stimme ich zu. Viele Entscheidungen sind einfach nicht mehr nachvollziehbar. Da zählt nicht der Fußball, sondern nur das Geschäft. Ich besitze noch heute einen guten Draht zum Südwestdeutschen Fußballverband (SWFV) in Edenkoben. Die Funktionäre auf Landesebene sind machtlos, teils Marionetten in einem Spiel um Geld und Macht. Da ist es schwer auf Änderungen oder Verbesserungen einzuwirken. Es wird von oben herab über die Köpfe der Amateurfußballer entschieden. Der Abgang des bisherigen Präsidenten Reinhard Grindel macht mir aber Mut. Er hat durch seine populistische Art den Kredit des DFB bei den Amateurvereinen fast komplett verspielt. Über die Geschichte mit der Luxus-Uhr, die er offenbar als Geschenk angenommen hat, kann ich nur den Kopf schütteln. Nur mit einem neuen Mann an der Spitze kann es wieder aufwärts gehen.

Wie stehen Sie zum Video-Beweis, der bei den Profis eingeführt wurde? Auch bei den Amateuren gibt es aufgrund von Handyaufnahmen schon Unstimmigkeiten in den einzelnen Verbänden. Sollen solche „Beweisaufnahmen“ bei strittigen Entscheidungen, natürlich nicht in dem Umfang wie bei den Profis, zugelassen werden?

Norbert Staller: Das ist der größte Blödsinn den es gibt. Damit machen wir den Fußball völlig kaputt. Lasst den Schiedsrichter weiter entscheiden – ob Profi oder Amateur. Es ist doch oft in mehr als zehn Zeitlupen und aus verschiedenen Blickwinkeln nicht zu erkennen, ob es ein Foul-, Handspiel oder sonst was war. Nochmal: Für mich ist/wäre das der Untergang des Fußballs.

Zum reinen Amateurfußball zurück: Es gibt immer mehr Spielgemeinschaften unter den kleinen Nachbarvereinen. Geht es anders nicht mehr?

Norbert Staller: Solche Gebilde sind Fluch und Segen zugleich. Zwischen einigen Vereinen gelingt die Zusammenarbeit über Jahre hinweg bravourös. Bei einem nicht geringen Teil scheitern diese Fusionen bereits nach kurzer Zeit. Die Gründe sind vielfältig und oft auch einfach und banal: Aus früheren Rivalitäten bestehen immer noch Vorbehalte, die aus unterschiedlichen Gründen einfach nicht zu überwinden sind. Oft fehlt einfach nur die Kommunikation, das Gespräch unter Fußballern – Vorbehalte sind mittlerweile aber auch in anderen Bereichen in unserer Gesellschaft tief verankert – das ist halt so. Eine Tatsache ist aber auch, dass es immer weniger Fußballer gibt. Spielgemeinschaften werden sich daher in stärkerem Umfang künftig nicht vermeiden lassen. Die Idealvorstellung aus früheren Zeiten, dass es in jedem Dorf oder Stadtteil einen eigenen Verein gibt, wäre zwar schön, ist aber nicht mehr zeitgemäß.

Wie sieht es um die Zukunft des Amateurfußballs aus?

Norbert Staller: Daran werden wir, trotz aller Schwierigkeiten und angesprochenen Ungereimtheiten, noch viele Jahre unsere Freude haben. Der soziale Aspekt, aber auch der sportliche Anreiz, sind immer noch gute Argumente, um als Spieler, Trainer oder Zuschauer auf die Sportplätze dieser Welt zu gehen. Fußballsport im Verein zu betreiben heißt, eine Leidenschaft mit Freunden teilen und zusammen in einer Gruppe etwas erleben. Die Meisterschaft, den Aufstieg oder den Klassenerhalt als Ziel vor Augen und dafür mit seinen Kameraden gemeinsam kämpfen - aber auch Rückschläge wie Abstiege meistern und sich wieder aufbäumen: Was kann es Schöneres geben?

Zur Person

Name: Norbert Staller

Alter: 83 Jahre,

Wohnort: Ruhbank

Jugendfußballer: 1946 bis 1953

Aktive Mannschaft: 1953 bis 1982

AH-Spieler: 1982 bis 1986

Fußball-Funktionär: Seit über 40 Jahren beim Südwestdeutschen Fußballverband

Mitglied des SV Ruhbank: Seit mehr als 60 Jahren in der Vorstandschaft des SV Ruhbank

Aufrufe: 030.4.2019, 12:30 Uhr
FuPa-Redaktion WestpfalzAutor