2024-04-19T07:32:36.736Z

Aufreger der Woche
F: Yılmaz
F: Yılmaz

Freispruch für Vater und Sohn Yilmaz

Die Sportrichter können den Vorwurf, Schiedsrichter Pöhlker sei geschlagen und gewürgt worden, nicht erhärten. Zeugenaussagen stützen vielmehr die Darstellung der Beschuldigten, dass die Handgreiflichkeiten vom Referee ausgegangen sind

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„Gott sei Dank!“ und „Jawoll!“ Als die Spruchkammer des Fußballkreises Bielefeld am Montagabend gegen 23 Uhr nach fast vierstündiger Verhandlung ihr Urteil verkündete, war die Erleichterung bei den Beschuldigten Abdullah und Baris Yilmaz vom SC Bosporus groß. Vater und Sohn wurden von den Vorwürfen freigesprochen, nach dem Kreisliga-B-Spiel des SCB gegen Solbad Ravensberg II den Schiedsrichter Peter Pöhlker in der Bosporus-Kabine geschlagen und gewürgt zu haben.

„Die Anhaltspunkte haben nicht gereicht, den Verdacht zu erhärten. Wir sind zu keiner hinreichend sicheren Überzeugung gekommen, die eine Verurteilung gerechtfertigt hätte“, sagte der Kammer-Vorsitzende Michael Daalmann. Natürlich bedeutet der Freispruch eine schallende Ohrfeige für Peter Pöhlker, dessen Anschuldigungen damit als falsch deklariert werden. Pöhlker erlebte die Urteilsverkündigung im Übrigen gar nicht mehr mit, hatte sich aber zuvor in seinem Plädoyer vehement dagegen gewehrt, „in diesem Verfahren vom Opfer zum Täter gemacht zu werden“.

Danach sieht es aber aus, konstatierte Daalmann doch, „dass die Zeugenaussagen die Darstellung des SC Bosporus stützen, dass die Handgreiflichkeiten offenbar vom Schiedsrichter ausgegangen sind“. Peter Pöhlker hatte an jenem 7. Mai ganz gewiss nicht seinen stärksten Tag als Referee. Seine ganze Art zu pfeifen habe provokativ gewirkt, hielt Gästetrainer Robin Escher fest: „Der Schiedsrichter stand im Mittelpunkt!“

Nach dem Schlusspfiff ließ sich Pöhlker auf einen Disput mit Bosporus-Kapitän Baris Yilmaz. Der will sich beim Schiri nur für die Spielleitung bedankt haben. Pöhlker hingegen spricht davon, dass Yilmaz ihn gefragt habe, ob er „Eier habe“ und man die Differenzen gerne „Mann gegen Mann“ austragen könne. Diese – angeblichen – Formulierungen legte der Schiri als Beleidigung aus und folgte Baris Yilmaz in die Kabine, um ihm dort die Rote Karte zu zeigen. Dabei soll er „Jetzt siehst du, dass ich Eier habe!“, gerufen und sich provozierend in den Schritt gefasst haben. Als Trainer Abdullah Yilmaz ihn darüber aufklärte, dass das Zeigen einer Roten Karte in der Kabine nach den Regeln nicht statthaft sei, „rastete der Schiedsrichter aus“ – so die durch fünf Zeugenaussagen bekräftigte Darstellung der beiden Yilmaz.

Pöhlker soll sich zunächst in Hahnenkampf-Manier Brust an Brust zu Abdullah Yilmaz aufgebaut und diesen anschließend mit beiden Fäusten gegen die Brust geschlagen haben, so dass Yilmaz nach hinten taumelte und beinahe gestürzt wäre. Unter wüsten Beleidigungen habe der in diesem Moment alles andere als Unparteiische „Kampfstellung eingenommen“ und dem gesamten SCB-Team Schläge angedroht: „Ihr könnt alle kommen!“

„Der wollte sich prügeln“, erklärte Baris Yilmaz, der selbst von einigen Teamkollegen fest- und davon abgehalten wurde, die Schläge gegen seinen Vater zu rächen. „Er wollte uns provozieren, damit wir auf ihn losgehen und uns damit ins Unrecht setzen“, meinte Abdullah Yilmaz, der Pöhlkers Aussagen als „nicht glaubwürdig“ einstufte. Trotz ärztlicher Atteste und Fotos, die Pöhlker eine Schädel- und Oberarmprellung, eine Halsquetschung sowie Kratzspuren bescheinigten, folgte die Kammer nicht der Version des Schiedsrichters, dass er geschlagen worden sei.

„Die Verletzungen könnte er sich auch beim Eingreifen einer Reihe von Bosporus-Spielern zugezogen haben, die ihn, um eine Eskalation zu vermeiden, mit mehr oder weniger sanftem Druck aus der Kabine komplementierten“, sagte Michael Daalmann. Da für die Kammer nicht genau zu ermitteln war, was genau in der Kabine geschah, habe sie nur auf Freispruch entscheiden können. Daalmann äußerte aber auch „ein gewisses Unbehagen“ bei der Entscheidungsfindung.

„Wenn ein Schiedsrichter mal schlecht pfeift, darf das nicht dazu führen, dass er hinterher – auf welche Art auch immer – verletzt wird“, sagte der Kammer-Vorsitzende. Und sprach die Bitte an alle Fußballer und Schiedsrichter des Kreises aus, „unbedingt zu vermeiden, dass so etwas noch einmal passiert“. Peter Pöhlker musste übrigens frühzeitig fahren, weil sein Frau in den Wehen lag, er ist also vielleicht noch in der Nacht Vater geworden. Dazu herzlichen Glückwunsch – vielleicht kommt er ja angesichts des neuen Erdenbürgers zu der Einsicht, dass es für ihn schönere Dinge im Leben gibt als Fußballspiele zu leiten.


Ein rabenschwarzer Tag für die Schiedsrichter

Philip Dräger war der Verhandlung mit immer größerem Unbehagen gefolgt und sprach nach der Urteilsverkündung Klartext. „Das war ein rabenschwarzer Tag für die gesamte Schiedsrichtervereinigung Bielefeld“, kritisierte der Vorsitzende des Kreis-Schiedsrichterausschusses den Auftritt seines Kollegen Peter Pöhlker vor der Spruchkammer und sprach von einem „riesigen Imageverlust für alle Schiedsrichter“.

Auch Dräger hatte konstatiert, dass der Referee sich in zahlreiche Widersprüche verwickelt hatte und partout nicht einsehen wollte, dass er sich mit seiner Darstellung der Dinge vollkommen verrannt hatte.
Dräger hatte Pöhlker sofort nach den Vorfällen gesperrt. Auf einer Sitzung des Kreis-Schiedsrichterausschusses soll Ende Mai geklärt werden, wie man weiter mit dieser Personalie umgeht.

Aufrufe: 013.6.2017, 15:04 Uhr
Hans-Joachim KaspersAutor