2024-04-24T07:17:49.752Z

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Der Riedlhütter Landesligakader im Sommer 1999
Der Riedlhütter Landesligakader im Sommer 1999 – Foto: SVR-Archiv

Mehrmaliger Jahn-Schreck und haarscharf verpasste DFB-Pokal-Teilnahme

Der SV Riedlhütte sorgte in den 90er Jahren für Furore, musste sich aber dann wegen der Einführung des Vertragsamateurs über Nacht von der höherklassigen Bühne verabschieden

Der SSV Jahn Regensburg ist auf dem besten Weg, sich zu einem etablierten Zweitliga-Klub zu entwickeln. Ende der 90er Jahre dümpelte das fußballerische Aushängeschild der Oberpfalz allerdings lediglich in der Landesliga Mitte, die damals die fünfthöchste Liga war, herum und musste in dieser Zeit zweimal im 1000-Seelen-Dorf Riedlhütte ran. Beim ersten Gastspiel im Bayerwald holten die Rot-Weißen ein 1:1-Remis, ein Jahr später setzte es für den Kultverein sogar eine 1:2-Niederlage. Am Ende der Saison 1998/1999 durften sich die Schützlinge vom damaligen Coach Karsten Wettberg trotzdem über die Rückkehr in die Bayernliga freuen.

Auch die Zweit-Vertretung des 1. FC Nürnberg musste sich bei ihrer einzigen Vorstellung im Glasmacherort mit einem 1:1-Unentschieden begnügen. Allein diese Ergebnisse zeigen, welche fußballerische Qualität die damalige Truppe von Jung-Trainer Uli Karmann hatte. Im Sommer 1993 tauchte der SVR erstmals auf der Bezirksbühne auf und wurde auf Anhieb - vor dem SV Schalding-Heining, der in dieser Saison ebenfalls den Aufstieg packte - Meister der Bezirksliga Ost. In der Bezirksoberliga spielte das Team um Torjäger Fred Schwankl ebenfalls auf Anhieb eine gute Rolle. Nach einem fünften Platz wurden die Waidler 1996 Vizemeister, scheiterten aber in der Aufstiegsrelegation am BSC Erlangen. Von diesem Rückschlag ließen sich Czernoch, Schmalzl, Schwarz & Co. nicht aus der Bahn werfen und holten ein Jahr darauf - wieder vor dem SV Schalding-Heining - den Titel. Der Riedlhütter Höhenflug begann 1990, als Dr. Wendelin Trs den Vorstandsposten bei seinem Heimatverein übernahm. Der bekannte Sport- und Allgemeinmediziner, der selbst beim SC Zwiesel in der damaligen vierten Liga spielte, hatte die Vision, seinen Klub sportlich voran zu bringen.

Der überragende Riedlhütter Spielmacher Wenzel Turek (li.) in Aktion
Der überragende Riedlhütter Spielmacher Wenzel Turek (li.) in Aktion – Foto: SVR-Archiv


"Wir waren bei uns in der Region der erste Verein, der nach der Grenzöffnung Spieler aus Tschechien holte. In der damaligen B-Klasse haben wir zwei Legionäre verpflichtet, die uns enorm verstärkt haben und großen Anteil hatten, dass wir 1993 den Sprung in die Bezirksliga schafften. Natürlich mussten wir uns deswegen viel Kritik gefallen lassen, aber im Laufe der Jahre verstärkten sich auch zahlreiche andere Vereine mit tschechischen Gastspielern", berichtet Wendelin Trs. Als Glücksfall sollte sich vor allem der Transfer von Vaclav Turek erweisen. "Wenzel war der beste Spieler, den der SV Riedlhütte jemals hatte", adelt der SVR-Boss den Blondschopf, der im Mittelfeld viele Jahre die Fäden zog und maßgeblich an den Erfolgen der Blau-Weißen beteiligt war. In den 90er Jahren tummelten sich zahlreiche Top-Spieler im Riedlhütter Kader. "Wir hatten im Umkreis von 20,25 Kilometern die besten Fußballer", schwärmt Trs. Im Laufe der Zeit gesellten sich zu den Akteuren aus dem Altlandkreis Grafenau auch Fußballer aus dem benachbarten Landkreis Regen wie etwa Klasse-Keeper Franz Bruckdorfer, der spätere Jahn-Profi Herbert Altmann sowie Herbert Friedl, Max Paukner, Stefan Hafner und Christian Lender.

1997 stiegen die Riedlhütter Fußballer in die Landesliga auf
1997 stiegen die Riedlhütter Fußballer in die Landesliga auf – Foto: SVR-Archiv


Gerne denkt Wendelin Trs an die Bezirksoberliga-Zeit zurück. "Das waren drei tolle Jahre mit zahlreichen packenden Bayerwald-Derbys. Ich kann mich noch gut an die Top-Spiele gegen Hutthurm und Schalding erinnern, bei denen wir 1300, 1400 Zuschauer hatten." 1997 schafften die SVler den Aufstieg in die Landesliga. "Ich bin damals immer etwas auf die Euphoriebremse getreten, aber mein Mitstreiter Hans Czernoch, der zu dieser Zeit Manager und Sponsor war, hat richtig Gas gegeben und wollte unbedingt in die Landesliga", sagt Trs, der den jungen Uli Karmann in der Glanzzeit zum Trainer beförderte: "Uli war damals erst Anfang 30 und hat eine tolle Arbeit geleistet. Die Mannschaft hat unter ihm einen sehr ansehnlichen Offensiv-Fußball gespielt." Der aus Metten stammende Chefanweiser lotste in seiner Amtszeit dann auch spätere Regional- und Bayernligakicker wie Armin Peter und Thomas Holz aus dem Deggendorfer Raum zum Bayerwald-Aushängeschild. "Wir hatten eine Top-Truppe, die nicht umsonst in seiner sehr starken Liga dreimal in Folge Sechster wurde", betont Trs.

»Mittags wussten unsere Spieler oft noch gar nicht, wo am Abend trainiert werden konnte. Unser damaliger Abteilungsleiter Karl Scholz musste dann alle Spieler telefonisch verständigen.«

Imponierend war vor allem die Riedlhütter Heimstärke, die auch der SSV Jahn Regensburg in seiner Meistersaison zu spüren bekam. "Wir haben den Jahn aber auch mal auswärts besiegt", lacht Dr. Trs, dessen Team sich in den drei Landesliga-Jahren auf heimischen Geläuf nur siebenmal geschlagen geben musste. Die gehobene Amateur-Liga war aber auch mit viel Arbeit und Problemen verbunden. "Riedlhütte ist ein Schneeloch und in der Landesliga wurde meist bis in den Dezember gespielt, Anfang März ging es bereits wieder weiter. Bei uns konnte oft witterungsbedingt von Anfang November bis in den April hinein weder vernünftig trainiert, geschweige gespielt werden. Neben zahlreichen Spielausfällen mussten wir damals vor allem in Sachen Training improvisieren. Mittags wussten unsere Spieler oft noch gar nicht, wo am Abend trainiert werden konnte. Unser damaliger Abteilungsleiter Karl Scholz musste dann alle Spieler telefonisch verständigen. Bis er alle erreicht hatte, verging oft eine Stunde. Zu dieser Zeit hatte fast noch niemand ein Handy und dementsprechend gab es auch keine Whatsapp-Gruppen. Viele Einheiten fanden im Deggendorfer Raum statt. Ein Auto war nur vollgepackt mit dem ganzen Trainingsmaterial. Das war schon alles sehr aufwendig", seufzt der Riedlhütter Vereinschef, der Ende der 90er Jahre erstmals die Sinnhaftigkeit des Projekts in Frage stellte.

"Wir hatten in den ersten beiden Landesliga-Jahren einen sehr guten Zuschauer-Zuspruch. In einem normalen Spiel hatten wir immer unsere 400, 500 Leute. Gegen attraktive Gegner waren es 700, 800. In unserer letzten Landesliga-Saison hatten wir dann aber einige Spiele, zu denen nur mehr 200, 250 Zuschauer kamen. Ich habe mich dann schon gefragt, für was wir den ganzen Aufwand überhaupt betreiben. Schließlich hat das alles viel Geld gekostet", räumt der 69-Jährige offen und ehrlich ein. Trotz des schwindenden Fan-Interesses stand ein freiwilliger Rückzug nie im Raum. Im Jahr 2000 kam es schließlich knüppeldick für den Klub aus dem Landkreis Freyung-Grafenau. Im BFV-Pokal hatten die SVler im allesentscheidenden Match gegen den TSV Rain/Lech Heimrecht. Der Sieger des Duells qualifizierte sich für den DFB-Pokal. In einer dramatischen Begegnung zogen die Hausherren im Elfmeterschießen den Kürzeren. Die Schwaben bekamen ein paar Wochen später in der 1. Hauptrunde des DFB-Pokals den FC Schalke 04 zugelost. "Sportlich und vor allem finanziell wäre der Einzug in den DFB-Pokal eine grandiose Sache gewesen, der uns vermutlich nochmal einen Schub gegeben hätte", meint Dr. Trs.

»Wir hatten damals Ablöse-Summen von ungefähr 40.000 D-Mark fest eingeplant. Durch die Einführung des Vertragsamateurs konnten die Spieler den Verein ablösefrei verlassen und wir hatten dadurch eine Riesen-Lücke im Etat, die nicht mehr geschlossen werden konnte.«


Im Juni 2000 sollte es aber noch schlimmer kommen. Aus dem Vereins-Magazin "Bayernsport" erfuhren die Riedlhütter Verantwortlichen, dass der Bayerische Fußballverband mit sofortiger Wirkung den Vertragsamateur einführen wird. "Für uns war das ein Schlag ins Gesicht. Wir standen vor einem großen personellen Umbruch, Thomas Boxleitner hätte eigentlich Spielertrainer werden sollen. Einige Leistungsträger verabschiedeten sich und wir hatten damals Ablöse-Summen von ungefähr 40.000 D-Mark fest eingeplant. Durch die Einführung des Vertragsamateurs konnten die Spieler den Verein ablösefrei verlassen und wir hatten dadurch eine Riesen-Lücke im Etat, die nicht mehr geschlossen werden konnte. Wir haben durch die fehlenden Transfer-Erlöse keinen konkurrenzfähigen Kader mehr stellen können und deshalb entschieden, freiwillig in die Kreisklasse, in der zu der damaligen Zeit unsere Reserve spielte, zurückzugehen." Der höherklassige Fußball in Riedlhütte ging also abrupt zu Ende. "Wir waren damals sehr sauer auf den Verband, der den Vertragsamateur ohne jegliche Vorankündigung einführte. Der frühere BFV-Geschäftsführer Wilhelm Küffner hatte deshalb auch ein richtig schlechtes Gewissen gegenüber unserem Verein und hat meinen Sohn und mich dann sogar mal zu einem Spiel des FC Bayern ins Olympia-Stadion eingeladen. Ein Trost für das bittere Ende unserer Landesliga-Zeit war das freilich nicht", klagt Dr. Trs.

Der Mediziner hielt seinem Heimatverein aber auch in der Kreisklasse die Treue und auch Top-Mann Turek wurde nach dem freiwilligen Rückzug noch eine Zeit gehalten. Schnell ging es wieder in die Kreisliga, die der kleine Dorfverein seit nun mittlerweile fast zwei Jahrzehnten angehört. 2014 schaffte der Klub unter der Regie von Spielertrainer Michael Miedl sogar den Aufstieg in die Bezirksliga, die für Riedlhütte aber eine Nummer zu groß war. Nach vielen Jahren im Kreisliga-Vorderfeld droht in der laufenden Runde der Absturz in die Kreisklasse. "Wir haben eigentlich keine schlechte Mannschaft, aber es ist in dieser auch durch Corona sehr schwierigen Saison vieles unglücklich gelaufen. Der Klassenerhalt ist mittlerweile in weite Ferne gerückt", weiß Wendelin Trs, der unabhängig vom sportlichen Ausgang seinen Vorstandsposten nach drei Jahrzehnten abgeben wird: "30 Jahre sind genug. Ich werde nächstes Jahr 70 und irgendwann muss es gut sein." Auf seine erfolgreiche und nachhaltige Ära beim SV Riedlhütte kann der fußballbegeisterte Arzt auf jeden Fall mit großem Stolz zurückblicken.

Die Bezirksoberliga-Abschlusstabelle 1996/1997
Die Bezirksoberliga-Abschlusstabelle 1996/1997







Aufrufe: 018.11.2020, 06:00 Uhr
Thomas SeidlAutor