2024-04-23T06:39:20.694Z

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Machen gemeinsame Sache bei der Jugendarbeit: die Fußballerinnen des SV Hermannstein und des TuS Naunheim. 	Foto: SV Hermannstein
Machen gemeinsame Sache bei der Jugendarbeit: die Fußballerinnen des SV Hermannstein und des TuS Naunheim. Foto: SV Hermannstein

Eine Perspektive in alle Richtungen

JUGEND: +++ SV Hermannstein und TuS Naunheim wagen den Schritt und gründen eine Mädchenspielgemeinschaft +++

Wetzlar. Schalke 04 fusioniert mit Borussia Dortmund, der TSV 1860 München und der große FC Bayern machen plötzlich gemeinsame Sache. Keine Angst: Das sind nur fiktive Beispiele. Doch im Kreis Wetzlar soll nun (vielleicht) etwas Außergewöhnliches entstehen: Denn die Fußballerinnen des SV Hermannstein und des TuS Naunheim wagen für die kommende Saison einen großen Schritt – zumindest im Jugendbereich. So schicken die beiden Vereine ab Sommer eine gemeinsame U 16 ins Rennen, die als Mädchenspielgemeinschaft (MSG) Hermannstein/Naunheim an den Start geht. Fluch oder Segen? Sinnvolle Lösung oder der letzte Ausweg? Diese Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie kam es zu der Fusion im Mädchenfußball?

Die Initiative ging vom TuS Naunheim aus. Dieser geriet schon im vergangenen Jahr, als die Kickerinnen von der Lahninsel in die Verbandsliga aufgestiegen waren, unter Zugzwang. Denn die Statuten des Hessischen Fußball-Verbandes (HFV) sehen vor, dass ein Verbandsliga-Team eine U 16-Mannschaft melden muss. Die Wetzlarerinnen versuchten in der Folge Mädchen, die mit dem Fußball aufgehört hatten, für sich zu gewinnen. Dies gelang allerdings nur teilweise. Denn schon im Winter war abzusehen, dass die U 16 die Saison aus Personalgründen nicht abschließen würde können, die Truppe wurde abgemeldet. Die verbliebenen Mädchen kamen per Zweitspielrecht beim SV Hermannstein unter. So entstand auch die Idee, ab der kommenden Runde gemeinsame Sache zu machen. Beim SVH ist Mädchenfußball Tradition. Seit Mitte der 90er Jahre bietet der Club ein Angebot an. Stets sind in den zwei Frauenmannschaften des Vereins (Gruppenliga und Kreisliga) Spielerinnen zu finden, die aus der eigenen Jugend stammen.

Was für Vorteile hat die Fusion für die Vereine?

Dies liegt beim TuS Naunheim auf der Hand. Nun erfüllt er die Vorgabe des Verbandes und kann eine U 16 stellen. Ansonsten hätte eine Geldstrafe gedroht. Außerdem haben die Naunheimerinnen die Hoffnung, Talente aus den eigenen Reihen nun für die erste Mannschaft gewinnen zu können. Aber auch der SV Hermannstein profitiert von dem Zusammenschluss. Er ist durch die Unterstützung des TuS Naunheim, der fünf Spielerinnen mitbringt, in der Breite besser aufgestellt. Denn klar ist: In Sachen Mädchenfußball ist der FSV Hessen Wetzlar nach wie vor die Nummer eins der Region. Für die Verantwortlichen aus Hermannstein ist es jedes Jahr aufs Neue eine große Aufgabe, Mädchen zu begeistern. „Außerdem geht die Tendenz leider dahin, dass Mädchen mit dem Fußball schnell wieder aufhören. Daher sind wir um jede Spielerin froh, die dabei ist“, erklärt Sandra Moravek. Das Vorstandsmitglied des SV Hermannstein ist vor allem froh darüber, dass die Mädchen nun die Möglichkeiten haben, nach ihrer Jugendzeit in der Kreisliga, in der Gruppenliga und in der Verbandsliga unterzukommen. „Wir bieten unseren Spielerinnen eine Perspektive in alle Richtungen“, sagt Anne Schieferstein vom TuS Naunheim.

Was mussten die Vereine für Vorbereitungen treffen?

Beim Hessischen Fußball-Verband ging der Antrag einer MSG ein. Außerdem musste der Jugendwart des Fußballkreises Wetzlar der Idee zustimmen. Das war aber alles nur eine Formsache, die bürokratischen Hürden waren schnell gemeistert. Weiterhin gibt es Mädchen, die auch bei den Jungs in einem anderen Verein zum Einsatz kommen. Dieses sogenannte Zweitspielrecht musste aufgefrischt werden. Probleme gab es dabei aber ebenfalls keine. Die beiden Vereine als auch Eltern und Mädchen haben sich mit der Idee einer Fusion schnell angefreundet. Auch zwischen den Protagonisten stimmt die Chemie. So spielte Anne Schieferstein einst auch Hermannstein. „Wir verstehen uns alle“, betont Carolina Laca vom SVH.

Die Pässe jeder Spielerin bleiben zudem unberührt. Bedeutet: Kickerinnen, die beim TuS Naunheim angemeldet sind, treten weiterhin für das Team von der Lahninsel gegen den Ball.

Wie groß ist der Kader?

Durch den Zusammenschluss verfügt die MSG über ein Aufgebot von etwa 20 Spielerinnen. Die Verantwortlichen der beiden Vereine haben sich dazu entschieden, in der untersten Liga ein 9er-Team ins Rennen zu schicken. Eine zweite Mannschaft kam nicht in Frage, da es in der Saison ansonsten zu internen Duellen gekommen wäre. Außerdem können sechs Talente noch in der U 14 zum Einsatz kommen, die es aber aktuell noch nicht gibt. San- dra Moravek hofft noch, drei, vier Spielerinnen zu gewinnen, um auch in dieser Altersklasse eine Mannschaft ins Rennen schicken zu können. Doch die Zeit drängt: Die Meldungen für weitere Teams laufen an diesem Mittwoch ab.

Wo findet das Training statt?

Da der SV Hermannstein mit Sebastian Watz und Anne Hund, die auch bei den Aktiven spielt, die beiden Übungsleiter stellt, haben sich die Vereine dazu entschieden, die Einheiten erstmal beim SVH stattfinden zu lassen. Doch gerade im Winter hat dieser nun einen starken Partner an seiner Seite, denn der TuS Naunheim hat auch Trainingsmöglichkeiten auf dem Kunstrasenplatz in Niedergirmes. Seit etwas mehr als einem Monat sind die Spielerinnen wieder auf dem Rasen anzutreffen. „Durch Corona lechzen sie danach, wieder ihrem Hobby nachgehen zu können“, erklärt Sandra Moravek. Anne Schieferstein ergänzt: „Wir erfüllen konsequent das Hygienekonzept. Wir können also daher aber auch noch nicht wieder richtig Fußball spielen. Dennoch sind die Mädels mit großer Motivation dabei.“

Wann wird trainiert?

Die Einheiten finden immer montags und mittwochs von 17.30 bis 19 Uhr auf dem Sportplatz in Hermannstein statt. Übrigens: Die Mädchen werden immer abwechselnd in Trikots des SV Hermannstein und des TuS Naunheim auflaufen. Neue Outfits sind noch nicht geplant. Auch, weil der SV Hermannstein jüngst zwei neue Trikotsätze spendiert bekam.

Gibt es Pläne für die Zukunft?

Durchaus. Großes Ziel der beiden Vereine ist es, in den nächsten Jahren auch eine U 12 und eine U 14 zu melden. Die Möglichkeiten sind da. Mehrere Kinder, die eigentlich noch Minis spielen könnten, haben ihr Interesse an der MSG bekundet. Um diese nicht zu verlieren, bieten die Clubs nun ein Angebot an. Einmal im Monat und an einem festen Tag trainiert dieser Nachwuchs mit Carolina Laca. Sie kennt auch die Verantwortlichen und Spielerinnen des TuS Naunheim.

Teilen sich die Clubs die anfallenden Kosten?

Allerdings. Egal, ob Meldegebühren, Schiedsrichterhonorare oder sonstige Dinge: Es ist alles klar geregelt. Auch für den Fall, dass eine Spielerin zum Beispiel von Hermannstein nach Naunheim wechselt, gibt es klare Absprachen: Dann nämlich bezahlt der aufnehmende Club einen Fixbetrag, der vorher schon ausgemacht wurde. Das Geld wandert in eine gemeinsame Kasse, die nur für die MSG vorgesehen ist. Zu möglichen (internen) Transfers sagt Anne Schieferstein: „Jeder hat bei uns alle Möglichkeiten. Die Vereine stellen sich bei einem Wechsel nicht quer.“ In die gleiche Kerbe schlägt Sandra Moravek: „Uns geht es um die Spielerinnen. Die haben eine große Chance, sich in drei Klassen zu beweisen.“ Ohnehin haben beide Vereine beschlossen, sich immer wieder zu treffen, um festzustellen, ob eine Kooperation für die Zukunft weiterhin Sinn ergibt. Dies haben die Clubs auch schriftlich fixiert.

Ist auch eine Fusion bei den Aktiven geplant?

Davon kann keine Rede sein. Das ist auch nicht nötig. Der SV Hermannstein hat zwar etliche Spielerinnen an den SC Münchholzhausen/Dutenhofen verloren, profitiert aber eben auch von seiner Jugendarbeit und kann nach wie vor zwei Teams ins Rennen schicken, die auch regelmäßig trainieren. Der TuS Naunheim hat in der Verbandsliga ebenfalls einen Kader, der sowohl in der Breite als auch in der Tiefe gut aufgestellt ist.



Aufrufe: 018.7.2020, 08:00 Uhr
Tim Straßheim (WNZ)Autor