2024-05-24T11:28:31.627Z

Allgemeines
– Foto: Sven Sonnenberg

Eine schwere Entscheidung

Amateurbereich steht vor wegweisenden Wochen +++ Magdeburger Trainer aus Verbands- und Landesliga plädieren für Abbruch der Spielzeit

Der Deutsche Fußballbund (DFB) hat in der vergangenen Woche Regularien geschaffen, die die Grundlage für eine etwaige Verlängerung der laufenden Saison sein könnten. Die Volksstimme befragte Magdeburgs Verbands- und Landesligatrainer zu aktuellen Entwicklungen rund um den Fußball in beiden Spieklassen sowie zur Situation ihrer Vereine. Rede und Antwort standen Dirk Hannemann (SV Fortuna), Torsten Marks (MSC Preussen), Marcus Mähnert (MSV Börde), Patrick Horn (TuS 1860) und Oliver Machau (VfB Ottersleben).

Wie halten sich Ihre Spieler seit Mitte März fit?

Dirk Hannemann: Wir versuchen es dreimal die Woche mit läuferischen Einheiten und Kräftigungsübungen zu zweit oder allein.

Torsten Marks: Aktuell halten sich die Spieler nur in Eigeninitiative fit.

Markus Mähnert: Unsere Spieler halten sich eigenverantwortlich fit. Diese Eigenverantwortung ist für mich sehr wichtig.

Patrick Horn: Aktuell mit Individualläufen und Stabilitätsübungen.

Oliver Malchau: Die Jungs sollen zweimal die Woche laufen gehen, sich vor allem körperlich fit halten.

Gibt es konkrete Vorgaben?

Hannemann: Wir stehen über WhatsApp im Kontakt. Kapitän Bastian Benkel gibt Challenge-Videos vor, die Jungs setzen sie um.

Marks: Nein, die gibt es nicht. Die Spieler sind alt genug, selbst zu entscheiden.

Mähnert: Die gibt es nicht. Die Mannschaft hat eine Grundfitness. Ich gehe davon aus, dass alle einen gewissen Eigenantrieb haben.

Horn: Nein. Ich konnte in der sehr kurzen Zeit einen guten Draht zu den Spielern aufbauen. Daher vertraue ich ihnen.

Malchau: Weitere Vorgaben gibt es nicht. Zumal es noch nicht absehbar ist, wann es wieder losgeht, ob es wieder losgeht. Da die Motivation aus der Ferne hoch zu halten, ohne Zugriff auf die Jungs zu haben, gestaltet sich als sehr schwierig.

Überprüfen Sie die Leistungen denn?

Hannemann: Es geht nicht um Kontrolle, eher um Kontaktpflege. Wir reden viel per Telefon. Zudem schicken die Spieler ihre Ergebnisse rüber. Dabei bauen sie eine Art Gruppenadministration auf.

Marks: Nein, das fällt ja auch schwer. Es gibt aber das eine oder andere Gespräch unterein-ander und zwischen mir und den Spielern, in denen einiges besprochen wird.

Mähnert: Es gibt die Möglichkeiten, per WhatsApp Laufergebnisse hochzuladen und diese auszutauschen. Mehr aber nicht.

Horn: Nein. Wir haben ein großes Ziel, den Klassenerhalt. Daher weiß jeder, was von ihm gefordert ist. Wenn es wieder losgeht, werden wir sehen, wo die Spieler stehen.

Malchau: Da gibt es keine Kontrolle, da vertraue ich meinen Spielern. Mit dem einen oder anderen ist man zwar im Austausch. Aber je länger die Zeit ohne Mannschaftstraining ist, umso schwieriger wird es.

Kann man die Fitness ohne Mannschaftstraining überhaupt hoch halten?

Hannemann: Wir sind Fußballer. Da soll der Ball dabei sein. Ohne die Spezifika des Mannschaftstrainings kann es keine fußballspezifische Fitness geben.

Marks: Das ist nicht so einfach. Sicher kann jeder für sich etwas tun, doch die mannschaftliche Komponente geht nur im Mannschaftstraining. Taktisches und inhaltliches Mannschaftstraining erhöhen die Fitness und das Spielverständnis. Das fehlt aktuell.

Mähnert: Man kann sich eine gewisse Grundfitness konservieren. Doch fehlt die fußballspezifische Fitness, zum Beispiel die Bewegung im Spiel. Das kann man nicht simulieren.

Horn: Das ist schwierig. Das Mannschaftstraining fehlt ja auch in anderen Bereichen. Wir wissen, wo unsere Fehler herkommen. Diese abzustellen, geht aber nur im Mannschaftstraining.

Malchau: Das ist richtig schwierig. Das würde mal über eine Woche funktionieren. Aber nach einer Pause von fünf, sechs Wochen ist das nicht realisierbar. Spezielle Anforderungen, ob nun Schnelligkeit oder mannschaftstaktisches Verhalten, sind nicht möglich.

Könnte Ihre Mannschaft sofort wieder in den Spielbetrieb starten?

Hannemann: Etwas Vorlauf ist notwendig. Das ist wie nach jeder Sommer- oder Winterpause.

Marks: Nein, das wäre nicht gut. Die aktuelle Zeit dauert ja länger als jede Winter- oder gar Sommerpause. Man braucht sicherlich zwei, drei Wochen, damit man ungefähr weiß, wo man als Mannschaft steht.

Mähnert: Eine gewisse Anpassungsphase ist schon nötig. Im Amateurfußball sind die Ansprüche und Zielstellungen zwar nicht so professionell und leistungsorientiert. Bei uns sind sicher auch Automatismen vorhanden, die ein Spiel ermöglichen. Aber eben auch für unsere Liga nicht auf Topniveau. Daher wäre eine gewisse Vorbereitungszeit mehr als wünschenswert.

Horn: Ich traue meiner Mannschaft zwar eine ganze Menge zu. Doch bevor es wieder mit den Spielen losgeht, bräuchte man schon etwas Zeit und ein, zwei Testspiele.

Malchau: Klar, traue ich meiner Mannschaft zu, sofort zu starten. Sicher würden sich viele Spieler freuen, wenn wir sofort wieder auf dem Platz stehen dürften. Ein sofortiger Wettkampfstart, unabhängig davon, ob dieser aufgrund von Bestimmungen überhaupt möglich ist, birgt aber ein erhöhtes Verletzungsrisiko.

Der DFB hat Möglichkeiten geschaffen, die Saison notfalls bis 2021 zu verlängern. Wie sieht Ihr Vorschlag zur weiteren Saisongestaltung aus?

Hannemann: Es gibt keine generelle Lösung, kein Patentrezept. Ich habe auch keines. Nur so viel: Man wird es nicht allen recht machen können. Ich würde es gut finden, wenn die Verantwortlichen das Gespräch mit den Vereinen suchen würden. Keiner darf nur an sich denken. Eine Verlängerung der Saison über einige Monate hinaus würde zu großen Problemen in Bezug auf den Spielbetrieb oder die Wechselfristen im gesamten Amateurfußball führen.

Marks: Jede Entscheidung diesbezüglich ist eine schwere Entscheidung. Ich möchte nicht zu den Entscheidungsträgern gehören. Doch ich bin dafür, die Saison jetzt zu annullieren, nicht mehr zu warten und dann später bei null anzufangen. So können sich alle auf das, was kommt, vorbereiten. Egal, wann es wieder losgeht.

Mähnert: Ich würde für unsere Ebene von der Landesklasse bis zur Verbandsliga einen klaren Schnitt bevorzugen und die Saison beenden. Mit einer Art Positiv-Gestaltung. Die jetzigen Spitzenreiter würde ich aufsteigen lassen, auf Absteiger würde ich verzichten. Nach dem Sommer würde ich dann in eine neue Saison starten.

Horn: Eine Verlängerung über den Sommer hinaus erachte ich als sehr schwierig. Keiner weiß, wie es in der Wirtschaft aussieht, dann kommt der Sommer mit der Urlaubszeit. Da sind also viele Fragezeichen. Da wir Fußball als Hobby spielen, sollte man alles auf null setzen, die Saison beenden und später wieder bei null anfangen.

Malchau: Ich glaube, es gibt keine wirklich gerechte Lösung für alle. Daher ist es sehr schwierig. Ich sehe es so, dass man neu anfangen sollte. Dabei sollte man stets im Interesse der Vereine handeln, also beispielsweise Entscheidungen ohne einen Absteiger treffen. Ähnlich sollte in der Aufstiegsfrage gehandelt werden. Dabei sollte man Ligenvergrößerungen in Kauf nehmen, es in der Saison wieder bereinigen. Aber eine Superlösung gibt es nicht. Die Saison bis 2021 auszudehnen, erachte ich als wenig sinnvoll.

Was liegt Ihnen aktuell noch am Herzen?

Hannemann: Ich finde es fragwürdig, dass es in unseren Ligen schon Vereine gibt, die jetzt Gespräche mit Spielern zwecks Vereinswechsel führen. Die Saison ist noch nicht mal zu Ende. Einigen fehlt es auch im Amateurbereich einfach am Solidaritätsgedanken. Zudem sollte der DFB jetzt mehr die Basis unterstützen. Fußball wird von unten nach oben gespielt. Auch die Nationalspieler haben mal ganz unten angefangen.

Marks: Im Bezahlfußball sollten ähnliche Entscheidungen getroffen werden. Sicher geht es um sehr viel. Doch wer will denn wirklich Geisterspiele in Bundesliga und Europapokal?

Mähnert: Die Corona-Krise zeigt deutlich, dass Fußball die schönste Nebensache der Welt ist. Fußball steht eindeutig hinter dem Gesundheitsschutz.

Horn: Es gibt aktuell Wichtigeres als den Fußball. Jetzt stehen Gesundheit, Familie, Beruf ganz vorn. Fußball ist die schönste Nebensache der Welt. Das sollte entscheidend sein.

Malchau: Es ist eine außergewöhnliche Situation, die auch außergewöhnliche Entscheidungen erfordert. Ich hoffe aber, dass stets im Interesse der Vereine entschieden wird.

Aufrufe: 017.4.2020, 07:48 Uhr
Roland SchulzAutor