2024-05-10T08:19:16.237Z

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Nele Letzel (2. v. l.) und der SV Feudingen denken nicht ans Aufhören. Im Gegenteil: Gegen den FC Ebenau 2. feierte das Team nach seiner Neugründung sogar den ersten Saisontreffer im letzten Hinrundenspiel.
Nele Letzel (2. v. l.) und der SV Feudingen denken nicht ans Aufhören. Im Gegenteil: Gegen den FC Ebenau 2. feierte das Team nach seiner Neugründung sogar den ersten Saisontreffer im letzten Hinrundenspiel. – Foto: tika

Wenn deftige Pleiten zusammenschweißen

Von Aufhören keine Rede: SV Feudingen steht nach der Hinrunde punktlos mit 226 Gegentoren da

Der Jubel war ohrenbetäubend. Die Freude von Spielerinnen, Trainern und Zuschauern schallte in den Abendhimmel von Feudingen. Einen Moment lang herrschte nichts als pure Freude im Tannenwaldstadion.

„Nach dem Tor gab es erst einmal Sekt, alkoholfrei natürlich. Das Feiern holen wir nach“, erzählt Andreas Letzel. Der Trainer von Frauenfußball-Kreisligist SV Feudingen will mit seiner Mannschaft nicht etwa die Herbstmeisterschaft oder gar einen offiziellen Titel feiern, sondern das erste Tor der Saison. Im letzten Hinrundenspiel. Nach 226 Gegentoren. Ausgerechnet gegen eine Spitzenmannschaft, die Reserve des FC Ebenau.

Es war eine Hinrunde, in der die Feudingerinnen nur wenig Grund zur Freude hatten. Zählbares sprang nicht heraus, die neu formierte Mannschaft zahlte in bislang 13 Spielen ein hohes Lehrgeld. „Es war ja von vornherein klar, wie es laufen würde. Natürlich haben wir aber nicht gedacht, dass die Niederlagen so hoch ausfallen“, gibt Jannik Jendryschik frank und frei zu. Eines ist dem Co-Trainer des SV Feudingen dabei aber wichtig: „Das Tor gegen Ebenau war nicht geschenkt, das haben wir uns herausgespielt – auch wenn es auf dem Video anders aussieht.“

Jenes Video, das Guido Roth am Ende dieses letzten Hinrundenspiels gedreht hat – dieses ersten letzten Hinrundenspiels der völlig neu formierten Frauenmannschaft des SV Feudingen, in dem das erlösende erste Saisontor fiel. Bezeichnenderweise traf Isabelle Gütting mit dem Schlusspfiff.

Selbst die Verantwortlichen des FC Ebenau gaben sich sportlich fair, gratulierten zum ersten Treffer. Die Freude auf dem Platz war jeder Spielerin anzumerken. Denn die vorangegangenen zwölf Partien waren entbehrungsreich, die höchste Niederlage kassierte die Letzel-Elf gegen die SG Lütringhausen/Oberveischede/Kleusheim – 0:33 hieß es am Ende. Einmal blieb es einstellig – beim 0:5 gegen die „3. Welle“ von Fortuna Freudenberg. Dabei kam alles zusammen, anfangs meldeten die Feudingerinnen noch ein Team für den Modus mit elf Spielerinnen, inzwischen spielen sie nach dem Norweger Modell mit neun Spielerinnen – und derzeit zumeist ohne Ersatz. Das Verletzungspech bleibt den Wittgensteinerinnen hold, zuletzt mussten sie sogar die etatmäßige Torhüterin Anna Schäfer ersetzen, die nun aber immerhin zurück im Training ist. Nominell zählt der Kader 15 Spielerinnen.

„Die Mädels und auch wir Trainer sind guter Dinge. Man sieht eine Entwicklung. Zwischen dem, was sie anfangs konnten und inzwischen können, liegen Welten. Vor allem das Läuferische ist besser geworden. Alle Spielerinnen haben ja bei null angefangen“, erzählt Letzel. Der Zusammenhalt jedenfalls ist intakt – daran lässt keiner der Beteiligten einen Zweifel. „Der Zusammenhalt hat nicht gelitten, er ist sogar besser geworden. Natürlich kann es auf dem Platz laut werden, aber das gehört dazu. Neben dem Platz passt es einfach“, konstatiert Alina Pitz, eine der langzeitverletzten Spielerinnen. „Die Spielerinnen kennen sich jetzt besser als zu Beginn, das ist jetzt eine richtige Mannschaft“, weiß derweil Coach Letzel.

Den Eindruck, den Pitz vermittelt, sehen er und seine Assistenten bestätigt. Und genau deshalb denken die Verantwortlichen auch nicht ans Aufgeben. „Wir machen das, weil es Spaß macht – uns und der Mannschaft, trotz der hohen Niederlagen“, konstatiert „Co“ Jörn Schneider. Und gerade deshalb ist der Optimismus trotz der „Roten Laterne“, die im Tannenwald brennt, nicht gewichen. Trotz der null Punkte auf dem Konto. Trotz der 1:226 Gegentore – im Schnitt sind es derer 17,4 pro Spiel.

Zuletzt fielen die Niederlagen allerdings immer wieder niedriger aus, gerade das 1:16 gegen den Tabellendritten FC Ebenau 2. war eine durchaus positive Überraschung, gemessen am bisherigen Saisonverlauf. „Auffällig ist, dass wir gerade gegen die besseren Teams niedriger verlieren“, schmunzelt Letzel. Der Coach ist aber sicher: „Wenn die Verletzten zurück sind, dann bin ich guter Dinge“, sagt Letzel und würde sich dabei dennoch Neuzugänge mit Erfahrung wünschen.

„Erfahrene Spielerinnen würden uns definitiv helfen“, weiß der Coach. Dabei will er keine Luftschlösser bauen – ebenso wenig wie seine Assistenten. Dass es auch in der Rückrunde Niederlagen hageln könnte, ist ihnen bewusst. Gerade gegen Teams wie die SG Hickengrund, bei der der SV Feudingen 0:31 verlor – allein 19 (!) Tore erzielte dabei Linda Heinz. Der Liga-Schreck führt die Torjägerliste derzeit mit 61 Treffern an. „Wir haben versucht, Linda Heinz im Hinspiel zu doppeln, um sie auszubremsen. Dass sie noch in dieser Liga spielt, ist fast schon ein Unding – die ist so ein bisschen der Lewandowski der Kreisliga“, konstatiert Letzel. Und „Co“ Jendryschik bringt es auf den Punkt: „Linda Heinz in den Griff zu bekommen ist schwierig.“

Dennoch, die Entwicklung, dies hebt das Trainertrio immer wieder hervor, stimmt. „Das Team ist nervenstark. Es gab in der Hinrunde auch Zuschauer, die weniger nett waren“, erzählt Letzel – sein Team hat sich davon nicht anstecken lassen. Und auch der Trainer lässt sich von – durchaus mit Augenzwinkern versehenen – Sticheleien nicht aus der Ruhe bringen. Ein Zuschauer aus Feudingen meinte neulich auf dem Sportplatz zu ihm: „Andreas, dass Du Dich noch hier hoch traust.“ „Das war natürlich ein Scherz von ihm, aber die Frage, warum wir uns das noch antun, kommt immer Mal wieder auf. Wir wollen nicht aufhören. Das ist ein langfristiges Projekt“, lässt der Coach keinen Spielraum für Interpretationen.

Im Gegenteil: Nach dem ersten Tor soll nun der nächste Schritt folgen: „Jetzt wollen wir den ersten Punkt. Es darf auch gern mehr sein, aber wir wollen ja realistisch bleiben“, sagt Letzel. Nach dem Jubel ob des ersten Saisontores ist kaum auszudenken, was nach dem ersten Zähler passieren würde.

Aufrufe: 026.11.2019, 12:00 Uhr
Timo KarlAutor