2024-04-25T14:35:39.956Z

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Eintracht Trier schickt „Brandbrief“ an DFB

Die Moselaner beklagen bei Transfers von Fußball-Talenten ein „grobes Missverhältnis in den nationalen und internationalen Regelungen zur Ausbildungsentschädigung“. Der SVE fordert den DFB zum Handeln auf und verschickt einen offenen Brief.

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Im Zuge der bisherigen Transfers seines Ex-Spielers Robin Koch kritisiert der SVE ein „grobes Missverhältnis in den nationalen und internationalen Regelungen zur Ausbildungsentschädigung“. Der Verein will eine Debatte anstoßen und fordert den Verband zu neuen Regeln auf.

Anfang Dezember 2020 war es so weit. Der Vorstand des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) beschloss den sogenannten „Masterplan 2024“ für den Amateurfußball. Der Verband feiert das Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Vereinsqualität und Stärkung des Vereinsfußballs an der Basis als Meilenstein. Bei Eintracht Trier sorgt der Masterplan indes für erhöhten Puls. Nicht, weil die Ziele infrage gestellt werden – im Gegenteil. Doch der Oberligist vermutet Lippenbekenntnisse und zweifelt die Glaubwürdigkeit der Kampagne an.

Unterstützt der DFB seine Amateurvereine in dem Maße, wie er es vorgibt zu tun? Der SVE hat Bedenken, nicht nur wegen seines aktuellen Kampfes, an eine ihm durch die Statuten des Weltverbands Fifa zustehende Solidaritätszahlung im Zuge des Wechsels seines ehemaligen Jugendspielers Robin Koch vom SC Freiburg zum englischen Premier-League-Aufsteiger Leeds United zu kommen. Grundsätzlich brennt der Vereinsspitze das Thema „Ausbildungsentschädigung von Amateurvereinen“ auf den Nägeln. Die Eintracht kritisiert ein „grobes Missverhältnis in den nationalen und internationalen Regelungen“, wodurch der stets propagierte Solidaritätsgedanke untergraben werde.

Um was geht’s konkret? Da Robin Koch vor Ende seines Vertrags von einem deutschen Bundesligisten zu einem ausländischen Verein transferiert wurde, greifen Modalitäten der Fifa, die die Zahlung einer Ausbildungsentschädigung anteilig der geflossenen Ablösesumme vorsehen. Für den SVE, bei dem Koch zwischen 2009 und 2015 aktiv war, stehen wie berichtet mehr als 290 000 Euro im Raum. Wäre Koch nicht nach Leeds, sondern innerhalb der Bundesliga – beispielsweise zu RB Leipzig – gewechselt, hätte der SVE keinen Cent gesehen.

Auf nationaler Ebene gibt es zwar auch einen Ausbildungs-Solidaritätsmechanismus, der beschränkte sich für Trier im Falle von Koch jedoch einmalig auf die Zahlung von 16 000 Euro aus einem Topf der Deutschen Fußball-Liga (DFL), nachdem der heutige Nationalspieler im Sommer 2015 zunächst von der Eintracht zum 1. FC Kaiserslautern gewechselt war.

Heißt zugespitzt formuliert: Amateurvereine, aus deren Reihen ein Talent eine vielversprechende Profi-Karriere startet, profitieren finanziell für die geleistete Ausbildungsarbeit nur bei internationalen Transfers so richtig. „Wir kritisieren, dass es national schlechtere Regeln als international gibt. Was stellt einen internationalen Wechsel, bei dem die Vereine von Zahlungen profitieren, rein objektiv über einen Wechsel nach Leipzig, Dortmund oder Gladbach? Robin Koch wurde bei uns sechs Jahre ausgebildet. Er wechselte für ein Taschengeld zum 1. FC Kaiserslautern. Dort machte er ein paar Zweitliga-Spiele, ehe er für knapp vier Millionen Euro nach Freiburg ging. Da stimmen die Relationen nicht. Es braucht andere Regeln. Da ist der DFB gefordert, kleine Vereine zu schützen und zu unterstützen, die eine intensive Jugendarbeit betreiben“, sagt SVE-Vorstandssprecher Alfons Jochem.

Die Eintracht nimmt für sich in Anspruch, solch eine intensive Jugendarbeit zu betreiben. Der SVE verweist darauf, in seiner Jugendabteilung zurzeit rund 200 Spielern mit nicht geringem finanziellem Aufwand möglichst professionelle Trainingsbedingungen zu bieten. In den vergangenen Jahren hätten 15 Akteure den Sprung in ein Nachwuchsleistungszentrum von Profi-Clubs geschafft.

Auf die Problematik der Ausbildungsentschädigungen möchte die Eintracht aufmerksam machen, um bundesweit eine Diskussion anzustoßen und im Bestfall Änderungen herbeizuführen. Deshalb hat der Verein einen von Jochem und Geschäftsstellenleiter Björn Berens unterzeichneten vierseitigen Brief verfasst, der gestern per Einschreiben an das DFB-Präsidium mit Fritz Keller und Rainer Koch an der Spitze versandt wurde.

Der „Brandbrief“ enthält einen klaren Appell: „Wenn Ihnen die im Masterplan 2024 genannten Ziele wirklich etwas bedeuten, gilt es schnellstmöglich zu handeln. Wir Amateurvereine brauchen Unterstützung in diesen Bereichen, wenn die Gedanken des Masterplans nicht nur der Außendarstellung des DFB dienen sollen.“

Hier gibt's den offenen Brief im Wortlaut:

Ausbildungsentschädigungen und Solidaritätsmechanismus

Trier, 15.01.2021

Sehr geehrter Herr Keller, sehr geehrter Herr Dr. Koch,

wir möchten dieses Schreiben zum Anlass nehmen, um Ihnen ein bestehendes, grobes Missverhältnis in den nationalen und internationalen Regelungen zur Ausbildungsentschädigung von Amateurvereinen transparent zu machen. Es liegen objektiv belegbare Diskrepanzen vor, die kleinere Vereine so nicht akzeptieren können und denen der DFB in seiner Rolle als Interessenvertreter und -verwalter der Amateure nicht im erforderlichen Maße entgegenwirkt.

Ausgangspunkt der Kritik ist der Transfer unseres ehemaligen Jugendspielers Robin Koch vom SC Freiburg zum Leeds United Ende August 2020. Im Folgenden möchten wir an diesem Beispiel aufzeigen, wie es von Verbandsseite versäumt wird, die Basis der Vereine in nationalen Prozessen zu stärken.

Jüngst hat der Deutsche-Fußball-Bund mit dem Masterplan 2024 eine Zukunftsstrategie für den Amateurfußball geschlossen. Das Maßnahmenpaket gilt laut Pressemitteilung als „richtungsweisende Entscheidung“ und soll nicht nur die Vereinsqualität verbessern, sondern auch die komplette Basis des Fußballs in Deutschland stärken.

Grundsätzlich ist die zuvor erfolgte Einbindung von Vereinsvertretern wünschenswert und erforderlich. Ziele wie die Erhöhung von Mitgliederzahlen, Mannschaften oder auch Ressourcenoptimierung in unteren Spielklassen können wir nur befürworten. Nichtsdestotrotz sind wir als SV Eintracht-Trier 05 e.V. an einen Punkt angelangt, an dem wir die Glaubwürdigkeit der Kampagne und Ihrer Inhalte in Frage stellen:

Der SV Eintracht-Trier 05 e.V. ist ein ambitionierter Oberligist aus Rheinland-Pfalz. Stolz ist man bei uns jedoch nicht nur auf die sportliche Tradition (DFB-Pokal Halbfinale, Zweitligazugehörigkeit), sondern auch auf die soziale Verantwortung, welche wir im Jugendbereich des Vereins täglich wahrnehmen. Rund 200 Jugendspieler tummeln sich jede Woche auf dem Sportgelände am Trierer Moselstadion und werden durch Trainer, Ehrenämter und weitere Unterstützer des Vereins mit großer Freude in Ihrer sportlichen und persönlichen Entwicklung gefördert.

Hier wird seit Jahren ein hoher Betrag investiert, um für alle möglichst professionelle Bedingungen zu schaffen. Zahlreiche Beispiele der jüngeren Vergangenheit belegen die gute Arbeit, die in der fußballerischen Ausbildung geleistet wird. So haben in den letzten Jahren 15 Spieler des SVE den direkten Sprung in ein Nachwuchsleistungszentrum professioneller Vereine geschafft.

Dies wird nicht zuletzt durch die Entwicklung von Robin Koch, der sechs Jahre lang bei der Eintracht ausgebildet wurde und nun als deutscher Nationalspieler zum englischen Erstligisten Leeds United gewechselt ist, belegt. R. Koch hatte uns zuvor in Richtung FC Kaiserslautern verlassen und wurde dann bei Ihrem Klub, dem SC Freiburg zum Bundesligaprofi.

Von der damaligen Ablöse in Höhe von circa vier Millionen hat unser Verein unter Ihrer Präsidentschaft in keiner Weise partizipiert. Wenngleich Koch bei uns die mit Abstand längste Zeit seiner Laufbahn aktiv war, stand uns durch den DFB/ DFL lediglich eine Ausbildungsentschädigung von 16.000 Euro zu, die durch den damaligen Vorstand aufgrund der von DFB und DFL festgelegten Regularien mehrfach eingefordert werden musste, bis er schlussendlich gezahlt wurde.

Selbstverständlich sind wir froh über gezahlte Ausbildungsentschädigungen in jeder Höhe und können auch jeden Betrag zur Weiterentwicklung unserer Jugend verwenden. Dessen ungeachtet muss bereits an dieser Stelle hinterfragt werden, wer für diese aus unserer Sicht völlig ungerechte Aufteilung die Verantwortung trägt. Denn gemessen an der Ausbildungszeit werden hier kleine Vereine nicht belohnt, sondern übergangen. Es liegt ein drastisches Missverhältnis vor.

Bei einem späteren Wechsel innerhalb der Bundesliga, also im nationalen Bereich, wären weder Eintracht-Trier noch der Heimatverein Kochs, der SV Dörbach, an einer Transfersumme beteiligt worden, obwohl der Spieler acht Jahre lang von diesen Vereinen ausgebildet wurde. Wir sind uns auch dessen bewusst, dass ein Spieler verschiedene Phasen der Entwicklung durchläuft und richtungsweisende Schritte in der Karriere oft erst in höherem Alter und im professionellen Bereich vollzogen werden.

Aber was stellt einen internationalen Wechsel, bei dem die Vereine von den Zahlungen profitieren, rein objektiv und im Sinne des propagierten Solidaritätsgedanken über einen Wechsel nach Leipzig, Dortmund oder Gladbach? Was rechtfertigt eine Ausbildungsentschädigung auf internationaler Ebene gegenüber der nicht vorhandenen auf nationaler Ebene?

Mit dem Wechsel Kochs zu Leeds United im Sommer sollte nun der Solidaritätsmechanismus der FIFA greifen, wodurch Eintracht-Trier gemäß den geltenden Bestimmungen vom neuen Verein innerhalb von 30 Tagen nach der Registrierung des Spielers ein Betrag von 2,25% der Ablösesumme zusteht. Der erste Teil der Zahlung war am 1. Oktober fällig.

Diese Zahlung ist bis heute nicht erfolgt. Auf Anrufe, Mails und mehrfacher Nachfrage wurde seitens Leeds, wenn überhaupt nur mit dem Verweis auf andere Abteilungen desselben Vereins verwiesen, welche für uns danach ebenfalls nicht erreichbar waren. Auch dem SV Dörbach ist eine Rückmeldung bisher verwehrt geblieben. Was für uns zunächst nicht denkbar erschien, ist mittlerweile die bittere Realität: Wir als Fünftligist oder auch der SV Dörbach (Kreisliga B) müssen rechtliche Schritte gegen einen englischen Erstligisten einleiten. Dabei handelt es sich um eine Entwicklung, die dem fairen Gedanken des Solidaritätsmechanismus und nicht zuletzt auch unseren Vorstellungen vom Umgang mit anderen Vereinen komplett entgegenstehen.

Auf ein anwaltliches Schreiben mit Fristsetzung der Zahlung bis zum 31.12.2020 – drei Monate nach dem vereinbarten Zahlungsziel – gab es aus England keine Reaktion. Im zweiten Schreiben müssen wir nun mit einer Klage drohen. Vollstreckungsmaßnahmen werden dann der nächste Schritt sein.

Sehr geehrter Herr Keller, sehr geehrter Herr Dr. Koch, der DFB möchte die Amateurvereine durch die Maßnahmen des Masterplans stärken und seiner Basis endlich die nötige Anerkennung zukommen lassen. Doch zunächst sollte unser Verband und Sie als Präsidium seine Vereine schützen und unterstützen.

Wo ist der Sinn von Solidaritätsmechanismen, Ausbildungsentschädigungen und jüngst Masterplänen, wenn in solch rechtlich klaren Sachverhalten die kleinen Vereine mit marginalen Beträgen befriedigt werden und diese dann nicht einmal gezahlt werden? Wie sollen wir weiter für professionelle Jugendarbeit, mit teilweise ehrenamtlicher Arbeit Menschen motivieren, sich zu engagieren, wenn solche Regelungen bestehen?

Eintracht-Trier und der SV Dörbach sind übrigens nicht das einzige Beispiel für die vorhandenen Defizite. Unter anderem beim Transfer von Toni Kroos zu Real Madrid musste Kroos Heimatverein, der Greifswalder SC, monatelang auf die Solidaritätszahlung eines der größten Vereine der Welt warten.

Was tut der DFB, in Zusammenarbeit mit UEFA und FIFA dagegen, dass solche Fälle in Zukunft ausgeschlossen sind? Was tut der DFB, was gedenken Sie hinsichtlich der bestehenden Regelungen auf nationaler Ebene zu tun, diese bestehenden, ungerechten Vorteilsmechanismen zu beenden?

Insbesondere in Zeiten der Pandemie brauchen alle Vereine Planungssicherheit, die uns am Beispiel R. Koch über Monate hinweg und ohne Not genommen wird. Offensichtlich steht weder für den DFB noch für andere Verbände das Wohl aller Vereine an erster Stelle. Unser Beispiel legt offen, dass der Begriff der Solidarität durch die bestehenden Regelungen auf nationaler Ebene nicht gelebt wird. Auch vertritt keine explizit bekannte Stelle des DFB unsere Interessen bei der Durchsetzung unserer Rechte.

Wenn Ihnen die im Masterplan 2024 genannten Ziele wirklich etwas bedeuten, gilt es schnellstmöglich zu handeln. Wir Amateurvereine brauchen Unterstützung in diesen Bereichen, wenn die Gedanken des Masterplans nicht nur Außendarstellung des DFB dienen sollen.

Das Präsidium des Fußballverband Rheinland erhält eine Kopie dieses Schreibens. Ebenso werden wir den dargelegten Sachverhalt auch in den Medien öffentlich diskutieren.

Hier besteht dringender Handlungsbedarf von Ihrer Seite diese Regelungen zu überarbeiten, denn die Interessen der von Ihnen vertretenen Vereine werden nicht genügend gewürdigt.

Mit Interesse werden wir die weitere Entwicklung in dieser Thematik beobachten und Sie bei etwaigen Veränderungen gerne unterstützen.

Wir wünschen Ihnen für 2021 viel Erfolg und Fortune bei Ihren bevorstehenden Entscheidungen und vor allem Gesundheit.

Mit blau-schwarz-weißen Grüßen

Aufrufe: 015.1.2021, 11:15 Uhr
Mirko BlahakAutor