2024-04-19T07:32:36.736Z

Interview
Der Ex-Walldorfer Niklas Süle will mit 1899 Hoffenheim den Klassenerhalt schaffen. Fotomontage: FuPa Darmstadt
Der Ex-Walldorfer Niklas Süle will mit 1899 Hoffenheim den Klassenerhalt schaffen. Fotomontage: FuPa Darmstadt

"Sulu ist eine Waffe bei Standards"

Für den Ex-Walldorfer Niklas Süle geht es gegen die Lilien um "Big Points" / Olympia in Rio als Ziel

19 Spiele, 19 Startelf-Einsätze und nie ausgewechselt: Der in Südhessen aufgewachsene Innenverteidiger Niklas Süle ist in dieser Saison der herausragende Fußballer beim Bundesligisten 1899 Hoffenheim. Am Sonntag (17.30 Uhr) erwartet der 20 Jahre alte U21-Nationalspieler, dessen Karriere bei Rot-Weiß Walldorf begann, mit dem Tabellenvorletzten den SV Darmstadt 98.

FuPa: Herr Süle, wenn Sie die Tabelle der Fußball-Bundesliga anschauen, wird Ihnen da manchmal angst und bange?

Niklas Süle: Noch nicht, denn abgerechnet wird nach 34 Spieltagen. Wir sind relativ gut in die Rückrunde gestartet mit dem Unentschieden gegen Leverkusen, wo wir Chancen zum Sieg hatten. Und dass man beim Tabellenführer Bayern München 0:2 verliert, passiert. Aber auch da haben wir gute Ansätze gezeigt. Wir haben es noch selbst in der Hand, uns da unten rauszumanövrieren. Bei der Drei-Punkte-Regelung geht das ja ganz schnell, wie man am Beispiel Stuttgart gesehen hat, deshalb sind für uns die Spiele gegen Darmstadt und Bremen wichtiger als die Partie beim Rekordmeister.

FuPa: Der Rückstand auf das rettende Ufer beträgt bereits sieben Punkte. Bei einer Niederlage am Sonntag gegen Darmstadt hätten die Lilien zehn Punkte Vorsprung. Ist das eines dieser sogenannten „Sechs-Punkte-Spiele“?

"Gegen Darmstadt müssen wir drei Punkte holen“

Süle: Klar geht es hier um Big Points. Zuhause gegen Darmstadt müssen wir einfach drei Punkte holen. Wir sind alle heiß auf dieses Spiel; jeder weiß, worum es geht. Aber selbst wenn wir nicht gewinnen, kommen danach weitere Chancen zu punkten.

FuPa: Welche Erinnerungen haben Sie an das 0:0 im Hinspiel?

Süle: Wir hatten eigentlich viel mehr vom Spiel und hätten einen Sieg verdient gehabt. Wir haben aber unsere Chancen nicht genutzt, und Caldirola hat gegen Kuranyi sensationell auf der Linie geklärt.

FuPa: Wie schätzen Sie den Gegner ein?

Süle: Die Lililen kämpfen 90 Minuten, werfen sich in alles rein, darauf müssen wir gefasst sein. Vielleicht haben wir fußballerisch etwas mehr Qualität als die 98er, aber am Sonntag kommt es auf das Kämpferische an. Wir müssen dagegenhalten, uns mindestens genauso reinwerfen und bei den Standards hellwach sein.

FuPa: Ein ähnlich kopfballstarker Spieler wie Sie ist Darmstadts Kapitän Aytac Sulu. Freuen Sie sich auf das Duell?

Süle: Sulu ist eine Waffe bei Standards. Aber wir haben das in dieser Saison bisher gut hinbekommen und aus solchen Situationen kaum Tore kassiert.

FuPa: Sie waren in der Jugend ein halbes Jahr beim SV 98. Haben Sie noch Kontakte zu dem Verein?

Süle: Da sind die Verbindungen, ehrlich gesagt, wieder abgerissen. Aber ich verfolge die Entwicklung am Böllenfalltor ganz genau und finde es toll, wie sich der Verein in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Der Trainer und der Vorstand leisten eine hervorragende Arbeit, der Kader ist richtig gut zusammengestellt.

FuPa: Aber zu Ihrem Stammverein Rot-Weiß Walldorf haben Sie noch Kontakt?

Süle: Da bin ich sogar bei Spielen der ersten Mannschaft gelegentlich noch als Zuschauer, weil mein Vater dort bei den Alten Herren aktiv ist.

FuPa: Der „Kicker“ hat Sie in seiner „Rangliste des deutschen Fußballs“ zum Jahresende bei den Innenverteidigern „im weiteren Kreis“ gesehen. Begründung: „Noch besser als vor dem Kreuzbandriss.“ Stimmt das?

Süle: Ich fühle mich auf jeden Fall fitter als vorher, habe viel in der Reha geackert. Ich versuche meinen Teil zum Ganzen beizutragen, denn in unserer Situation geht es nur um den Mannschaftserfolg. Umso bedauerlicher ist es, dass es da in dieser Saison nicht so läuft, obwohl wir ein gut harmonierendes Team sind. In jedem Training sieht man unsere Qualität, aber wir müssen sie am Wochenende auf den Platz bringen.

FuPa: Wie haben Sie die siebenmonatige Verletzungspause mit der nicht nur körperlich anstrengenden Reha mental überstanden?

Süle: Mein Vater und mein Bruder, die beide schon einen Kreuzbandriss hatten, haben mir sehr geholfen. Ich habe auch viel Zuspruch von Freunden bekommen. Und der Verein hat mir in der schweren Zeit sehr große Unterstützung und Rückendeckung gegeben. Das war für mich auch der Grund, meinen Vertrag im Sommer bis 2019 zu verlängern.

FuPa: Es hieß, Sie hätten in dieser Zeit ihre Ernährung umgestellt. Ist das richtig?

Süle: Ich achte in der Tat jetzt mehr auf meine Ernährung. Die Rehazeit hat mich verändert. Ich bin professioneller geworden, achte mehr auf meinen Körper. Und ich bin dadurch sprintstärker geworden.

FuPa: Kaum einer hat damit gerechnet, dass die TSG in den Abstiegskampf verwickelt wird. Was sind die Gründe?

Süle: Wir hatten ein schweres Auftaktprogramm nach der Pokalniederlage gegen 1860 München mit den Spielen in Leverkusen und gegen Bayern. Das Spiel gegen die Bayern war aus meiner Sicht ein Knackpunkt, als wir in der 80. Minute beim Stand von 1:1 einen Elfmeter verschossen haben. Wenn Du da drei Punkte gegen den Meister holst, startest Du mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein. Stattdessen war es die dritte Pflichtspielniederlage in Folge. Natürlich hatten wir mit dem Abgang von Roberto Firmino auch anfangs Probleme, weil er viel für unser Spiel gemacht hat. Dazu haben wir zwar viele gute Spiele gezeigt, aber in den letzten Minuten dann doch die Punkte hergegeben, und irgendwann nimmt das dann die Dynamik eines negativen Laufs an.

FuPa: Ihr Mentor Markus Gisdol wurde in der Hinrunde durch Huub Stevens ersetzt. Was hat der Trainerwechsel bewirkt?

"Wir vertrauen Huub Stevens voll und ganz"

Süle: Ich habe Herrn Gisdol viel zu verdanken. Er hat mich in meiner Anfangszeit als Profi gefördert und kritisch begleitet. Ich glaube aber, dass es wenige Trainer gibt, die sich in unserer Situation so gut auskennen wie Huub Stevens. Er versucht immer neue Impulse zu setzen, wir arbeiten hart unter ihm, das macht sich zum einen in der Fitness bemerkbar, aber auch auf dem Platz: Wir stehen defensiv geordnet und setzen auch nach vorne Akzente. Wir vertrauen Huub Stevens voll und ganz.

FuPa: Sie haben wie andere Hoffenheimer Erfahrung im Abstiegskampf, weil Sie sich 2013 nach einer Aufholjagd in die Relegation retteten und dort Kaiserslautern bezwangen. Sehen Sie diese Erfahrung als Vorteil für die Rückrunde?

Süle: Das war für mich als 17-Jähriger eine wichtige Erfahrung. Damals haben wir am letzten Spieltag den Abstieg vermieden. Das gibt Selbstvertrauen auf diesem langen, herausfordernden Weg bis zum letzten Spieltag.

FuPa: Würden Sie mit Hoffenheim auch in die Zweite Liga gehen?

Süle: Ich bin überzeugt davon, dass wir die Klasse halten. Gedanken an die Zweite Liga blende ich aus.

FuPa: Der VfL Wolfsburg wollte Sie in der Winterpause verpflichten. Wollten Sie nicht wechseln oder durften Sie nicht?

"In dieser Situation lasse ich den Klub nicht im Stich"

Süle: Ein paar Vereine hatten Interesse, aber das war für mich im Winter überhaupt kein Thema. In dieser Situation lasse ich den Klub, dem ich viel zu verdanken habe, nicht im Stich. Das entspräche nicht meinem Charakter.

FuPa: Sie haben mal gesagt, Ihr Ziel sei es, eines Tages in der Premier League zu spielen, am liebsten bei Manchester United. Wann ist die Zeit reif für einen Wechsel zu einem großen Klub?

Süle: Wenn ich mir darüber in unserer Situation Gedanken machen würde, dann liefe da etwas falsch. Ich beschäftige mich nur damit, wie wir so schnell wie möglich unten rauskommen. Ich will in jedes der letzten 15 Spiele reingehen, als wäre es ein Finale.

FuPa: Sie sind im „Kicker“ der bestbenotete Hoffenheimer Feldspieler. Ist die EM im Juni nach dem Ausfall von Benedikt Höwedes noch ein realistisches Ziel oder konzentrieren Sie sich auf die U21 und die Olympischen Spiele in Rio?

Süle: Das sind zwei überragende Events. Jeder Fußballer will natürlich bei der A-Nationalmannschaft dabei sein. Aber Olympische Spiele in Rio sind auch keine B-Lösung. Ich werde das Beste in der Rückrunde geben und hoffe, dass mich Trainer Horst Hrubesch berücksichtigt. Und beim Blick auf die Tabelle bleibe ich lieber bescheiden, statt Ansprüche zu formulieren.

FuPa: Welche Schlagzeile ist im Sommer am ehesten über Sie zu lesen: „Süles Tor rettet Hoffenheim vor dem Abstieg“, „Süle köpft Deutschland zu Olympia-Gold“ oder „Klopp holt Süle nach Liverpool“?

Süle: Auf jeden Fall wäre mir das Erste am liebsten.

Aufrufe: 05.2.2016, 11:36 Uhr
Heiko WeissingerAutor