2024-05-10T08:19:16.237Z

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Boubacar Kante aus der Republik Mali setzt mit dem Bezirksligisten SV Cosmos Aystetten zum Höhenflug an. Zum ersten Tabellenplatz hat der Stürmer schon sieben Tore beigesteuert.	F.: Marcus Merk
Boubacar Kante aus der Republik Mali setzt mit dem Bezirksligisten SV Cosmos Aystetten zum Höhenflug an. Zum ersten Tabellenplatz hat der Stürmer schon sieben Tore beigesteuert. F.: Marcus Merk

Integration mit Toren und Punkten

Asylbewerber bereichern im Landkreis Augsburg nicht nur im Fußball das Sportgeschehen

Sie kommen mit dem Fahrrad oder dem Zug zum Training. Als Boubacar Kante zum ersten Mal zu den Übungseinheiten des SV Cosmos Aystetten erschien, parkte er seinen alten Drahtesel, mit dem er von seinem Quartier im ehemaligen Horgauer Waldcafé zum Aystetter Sportplatz gestrampelt war, neben den noblen Karossen seiner Mannschaftskameraden. In Aystetten wollte man den 20-Jährigen, der aus der Republik Mali stammt, und bis dato beim SV Adelsried gekickt hatte, zunächst gar nicht haben.

„Unser Kader war voll“, berichtet der ehemalige Trainer Pavlos Mavros, der den Angreifer schließlich doch aufgenommen und ins Herz geschlossen hat. Inzwischen hat der lange Lulatsch in neun Spielen sieben Tore geschossen und vier Vorlagen geliefert. Boubacar Kante ist deshalb maßgeblich beteiligt, dass die Cosmonauten an der Spitze der Bezirksliga Nord stehen. Er hat sich mit Toren integriert.

Während Boubacar Kante oder der Senegalese Omar Samouwell (FC Horgau) in höherklassigen Mannschaften Fußball spielen, setzen viele unterklassige Vereine auf Verstärkung aus den Asylbewerber-Unterkünften. Wie zum Beispiel der TSV Ellgau. Abteilungsleiter Michael Dollinger sagt: „Wir standen knapp davor, die Reserve abzumelden.“ Mit vier neuen Spielern aus Syrien und Afghanistan, die allesamt in Ostendorf wohnen, kann der Spielbetrieb weitergehen. Einer von ihnen hat es mittlerweile sogar in die erste Mannschaft des A-Klassisten geschafft. Weitere kicken in den Hobbymannschaften der TSG Waltershofen und des SC Ostendorf. Verständigungsprobleme gibt es relativ wenig. Dollinger: „Einige sprechen einigermaßen Deutsch, die fungieren dann als Dolmetscher. Die Spieltermine schreibe ich ihnen auf einen Zettel.“ Eine typisch deutsche Tugend vermisst Dollinger etwas: „Mit der Pünktlichkeit nehmen es einige nicht so genau.“

Eine DFB-Auszeichnung für die Integration von Flüchtlingen hat der TSV Meitingen erhalten. Dort kicken Jugendliche aus Syrien und Afghanistan in der A- und C-Jugend. Inzwischen wurde auch das Passverfahren vereinfacht, wie Abteilungsleiter Torsten Vrazic erklärt: „Asylanten werden so behandelt, als wenn sie mit dem Fußballspielen anfangen würden, da man aus Kriegsgebieten keine Informationen bekommt, ob sie vorher schon einmal gespielt haben.“ Man versuche zwar, die Sportler zu integrieren, doch oft seien sie dann auch sehr schnell wieder weg.

Mit vier Siegen in vier Kämpfen hat sich Besher Baranbou bei den Ringern des TSV Diedorf integriert. Seit Anfang des Jahres trainiert der Syrer, der aus Damaskus geflohen ist und zehn Monate unterwegs war, bis er in Deutschland ankam, mit den Mattenfüchsen. Der 19-Jährige, dessen Eltern und Bruder, 13, noch in Syrien sind, wohnt im Schullandheim Dinkelscherben. Von dort brachten ihn Betreuer zum Training in die Schmuttertalhalle, um ihm die weitere Ausübung seines Hobbys zu ermöglichen. Seitdem kommt Beher Baranbou zweimal in der Woche mit dem Zug. „Für uns ist er ein richtig Guter“, freut sich Mannschaftskamerad Thomas Wetzel über den Neuzugang, der beim TSV Diedorf eine kostenlose Mitgliedschaft erhalten hat. Baranbou war bereits in Damaskus im Ringertraining, hat jedoch nicht in einer Mannschaft gekämpft. Wetzel: „Ringen ist in Syrien Nationalsport.“

Nach einer dreimonatigen Sperrfrist ist er nun endlich frei, um in den Gewichtsklassen 98 und 130 Kilogramm Freistil für den TSV Diedorf an den Start zu gehen. „Zu Beginn konnte er weder Deutsch noch Englisch. Wir mussten uns mit Händen und Füßen unterhalten. Jetzt macht er einen Deutschkurs und es klappt immer besser.“ Bisheriger Höhepunkt war die gemeinsame Busfahrt zum Auswärtskampf in Untergriesbach bei Passau, wie Thomas Wetzel berichtet: „Das Gegröle nach dem Sieg ersetzt den besten Deutschkurs und ist die beste Integration.“

In der Tischtennis-Hochburg Langweid, in der traditionell viel Migranten leben, gehen inzwischen auch Asylbewerber an den grünen Tisch. „Ein 28-jähriger Architekt und ein Jugendlicher aus Syrien trainieren derzeit bei uns mit“, berichtet Gert Jungbauer, der Vorsitzende des TTC Langweid.

Eine Ausnahmestellung unter den sportlichen Asylbewerbern nimmt Yossief Tekle aus Eritrea ein. Er war bereits Junioren-Weltmeister im Berglauf, als er aus seiner Heimat floh. Zunächst untergebracht in Zusmarshausen, nahm ihn Franz Herzgsell von der LG Reischenau-Zusamtal unter seine Fittiche, den Tekle inzwischen als seinen Papa bezeichnet. Nun setzt er seine Karriere in Deutschland fort. Zuletzt lief er beim Hochfelln-Berglauf der gesamten Weltelite davon.

Aufrufe: 014.10.2015, 10:45 Uhr
Augsburger Landbote / Oliver ReiserAutor