2024-03-18T14:48:53.228Z

Querpass

SV Brackwede: Back to the roots

Der SV Brackwede ist eine ganz besondere Familien-Fussball-Bande

In der Kreisliga A könnten sich bald die Status-Verhältnisse zweier parallel trainierender Teams ändern. Wo hat man das schon mal gesehen? Denn ein kleiner, aber feiner Verein kratzt an den bestehenden Bielefelder Fussball - Machtverhältnissen und will nach oben. Jahrelang spielte der unmittelbare Trainingsnachbar SV Gadderbaum unerreichbar in der Kreisliga A. Doch das soll sich ändern! Denn der Abstieg ist schon besiegelt! Die Chancen hingegen für die junge und höchst sympathische Mannschaft von Dominique Nikola Desnica sind mehr als gut! Sie sitzen dem Tabellenführer FC Altenhagen bedrohlich nah im Nacken. Mit nur vier Punkten Rückstand, sollte man sich keinen Ausrutscher erlauben, ist sogar die Meisterschaft noch möglich. Doch auch der fünfte kann bei der aktuellen Lage noch erster werden. Es bleibt spannend und eng oben an der Spitze. Doch als amtierender Herbstmeister (15 ungeschlagene Spiele führten zu 37 Punkten ) sind die Ansprüche an sich selbst entsprechend hoch.

Ein kleiner Leistungseinbruch warf sie in ihrem Aufstiegsvorhaben geringfügig zurück, wofür der 36 - jährige allerhand nachvollziehbare Gründe hat. Einerseits führten zahlreiche unerwartete persönliche Schicksalsschläge zu einer drastischen Reduzierung des eigentlich großen Kaders. Andererseits hatte seine Mannschaft auch großes Verletzungspech. Und dann kommt die Jahr für Jahr wiederkehrende Platz - Problematik hinzu, die kein unerheblicher Faktor dafür darstellt, dass die Brackweder im Winter nur langsam in die Gänge kommen.

Durch den Umstand, dass der Verein keinen eigenen Kunstrasenplatz besitzt, sind sie auf die Kooperation und Kulanz der Gadderbaumer angewiesen. Diese wird aber in der Vorbereitungszeit verständlicherweise partiell auf Eis gelegt. So standen zwei Wochen vor dem Rückrundenstart nur ein Ascheplatz zum Trainieren zur Verfügung, der nur nach dementsprechender Wetterlage zu bespielen ist. Das Brackweder Stadion selbst darf nur unter strenger Aufsicht für ausgewählte Spiele genutzt werden und fällt daher als Übungsort weg, da es die von der Arminia Jugend U19 und U17 favorisierte Spielstätte darstellt und folgerichtig absolute Priorität besitzt. Die Situation ist also alles andere als rosig.

Ein Grund mehr, Alternativen zu suchen, die auch gefunden wurden. Doch das vorgestellte Konzept in Zusammenarbeit mit dem türkischen Verein Hicret Bielefeld, sich für einen Kunstrasenplatz zu empfehlen, stieß bei der Stadt auf wenig Gegenliebe, da man den Verein Türk Sport Bielefeld bei der Bewerbung nicht mit berücksichtigt habe. Desnica bedauert diese Entscheidung sehr: „Es ist nicht so, dass wir was dagegen hätten, aber das war aber beim besten Willen logistisch unmöglich. Da hätte niemand aufgrund des entstehenden Platzmangels für alle involvierte Mannschaften vernünftige trainieren können“, versichert er glaubhaft, diese Option mit in den Blick genommen zu haben. Frostige Zeiten stehen also den Brackwedern jährlich im Winter bevor, die sich zum Frühling/ Sommer hin aber dann entspannten, da ein kleiner Rasenplatz (wenn auch in bedenklichem Zustand) an der Südschule zur Verfügung steht.

Doch von diesen verbesserungswürdigen Umständen lassen sich die ambitionierten Kicker nicht den Spaß verderben. Die erste Mannschaft avancierte mit den Jahren zu einem großen Sammelsurrium ausgewiesener „Alt“ - Stars, die es zurück in ihre Heimat zieht. Prominentestes Beispiel: Ivan Milosavljevic . Der smarte 33-jährige war in der Blütezeit seines Schaffens unter anderem bei namhaften Vereinen wie Roter Stern Belgrad (Erstligist in Serbien), Vfl Osnabrück, LR Ahlen und Sonnenberg-Großasbach tätig. Einige schwere Verletzungen warfen ihn damals zurück und er ging schließlich zum SV Peckeloh (Landesliga). Desnica hatte Ivan, als er selbst noch Spieler war, in der Bezirksliga kennen gelernt und konnte ihn später als unmittelbaren Nachfolger von Goran Novakovic für Brackwede gewinnen.

Dem frisch gebackenen B - Lizenz Inhaber gelang somit nach ersten Erfahrungen bei der A-Jugend sofort der Sprung an die Seitenlinie als Chef - Coach. Die beste Möglichkeit, die Kreisliga B - Gefilden zu verlassen, hatte er dann gleich in seinem ersten Trainerjahr. In der Winterpause übernahm er die Mannschaft von einem mehr als dürftigen 11. Platz und der SVB erlebte unter ihm einen kometenhaften Aufstieg und schloss die Saison mit dem 4. Platz ab. Die darauffolgende Saison erreichte man sogar Platz 2 und nur das ausbleibende Relegationsspiel verhinderte den Aufstieg.

Als weitere Schlüsselfiguren, um an die glorreichen Tage vergangener Zeiten anzuknüpfen, sieht der Couch seinen eigenen Cousin Moso Desnica und das selbstredend nicht wegen der sprichwörtlichen Familienverwandtschaft. Moso hatte ebenfalls in Serbiens erste Liga bei FK Mladost Apatin und FK Banat Zrenjanin gekickt, ehe es ihn dann sogar nach China in die zweithöchster Liga zu den Guangdong Tigers zog und anschließend in Rumänien Erstklassigkeit bewies bei FC Viitorul Constanta. Als ein wahres Brackweder Urgestein kann man getrost den Aussenverteidiger und zuverlässigen Kapitän Mladen Arlovic bezeichnen. „Mladen war schon viele lange Jahre da, als ich 2008 nach Brackwede gekommen bin“ gesteht Desnica lachend und fügt zwinkernd hinzu: „Er hätte nichts dagegen, seine Karriere mit einem Aufstieg zu beenden.“ Und als vierten im Bunde hebt Desnica Manuel Nienkirchen, hervor, der dem Familienverein mit Hilfe von facebook zugelaufen war.

An dem Mittelfeldspieler mit ostdeutschen Migrationshintergrund schätzt der Deutsch-Serbe vor allem seine deutschen Tugenden. „Er ist ein absoluter Abräumer und Motor zugleich! Torgefährlich, kompromisslos und aufopferungsvoll. Der kämpft und läuft bis zum Umfallen. Ein Vorbild für alle, der schon mal in der Lage ist, seine Männer förmlich mitzureißen. Aber, wie jeder Fußballkenner weiss, lebt jeder Verein langfristig von seinem Nachwuchs, der die Zukunft darstellt. Und davon haben die Brackwede viele talentierte Jungs in ihren eigenen Reihen: „Issam El-Idrissi, Nikolaus Bensaia, Mounir Boukka, Cem Aksen, Patrick Kaliwoda,Cemre Arslan und Damian Kita, um nur einige zu nennen, beteiligen sich sehr an der ganzen Geschichte und sind sehr lernwillig“, würdigt Desnica das Wirken seiner jungen Schützlinge und ergänzt: „Was uns letztlich von allen Mannschaften unterscheidet ist, dass wir den Multi - Kulti Gedanken leben und lieben.“

Und in der Tat kann die Brackwede Familie sich stolz und selbstbewusst als Aushängeschild gelungener Integration bezeichnen, spielen doch Männer wie Griechen Marokkaner Kroaten Serben Polen Deutsche und Türken friedlich zusammen. Das Team zeichnet eine besondere Herzlichkeit, Lockerheit und Harmonie aus: Grund hierfür ist auch, dass der große Zusammenhalt und ein unaussprechliches Zugehörigkeitsgefühl, das sich auch in der zahlreichen Unterstützung von außen erweist, was sich Desnica in folgendem Phänomen erklärt:„Viele Eltern kommen bei den Heimspielen zugucken, obwohl alle Spieler zwischen 19 und 40 Jahren alt sind. Wenn das mal kein Familien - Spirit ist!“ Diesen möge diese besondere Fußballer - Familie weitertragen und viele Punkte und Herzen erreichen.

Aufrufe: 02.5.2017, 15:04 Uhr
Romina BurgheimAutor