2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
VR Bank Bodensee-Oberschwaben

"Der Ball sollte in jeder Einheit eine Rolle spielen"

Athletiktraining-Experte Jonas Hammerschmidt im Interview

Vorbereitungszeit im Fußball - In dieser Saisonphase gilt es die konditionellen Grundlagen zu schaffen, um auf das angestrebte Wettkampfniveau zu kommen. Für Trainer und Spieler ist dies gleichermaßen eine große Herausforderung. Jonas Hammerschmidt weiß wie ein professionelles Training aussieht. Zusammen mit einem Kollegen leitet er Scipio Sports, einen Sportdienstleister, der sich auf Athletiktraining im Fußball spezialisiert hat. Im Interview mit FuPa Oberschwaben, spricht er über das Anforderungsprofil eines Fußballers, scheinbar veraltete Trainingsmethoden, dem Mythos Dauerlauf und zeigt geeignete Alternativen auf.

FuPa: Hallo Jonas, dein Unternehmen ist auf Athletiktraining im Fußball spezialisiert. Wie wichtig ist die athletische Komponente im Fußball?

Jonas: Die Athletik ist die Grundvoraussetzung für einen Sport. Sie gibt dem Sportler die Möglichkeit, bestmöglich auf dem Spielfeld zu performen. Wer im Sport Bestleistungen zeigen möchte, braucht eine optimale körperliche Basis. Gerade im Fußball konnte gezeigt werden, dass mit regelmäßigem Athletiktraining ab der U15 neben der Zunahme von Maximal- und Schnellkraft auch die Verletzungsanfälligkeit signifikant verringert werden kann. Das Athletiktraining ist ein elementarer Bestandteil des Fußballtrainings.

FuPa: Inwieweit wird der Spielstil einer Mannschaft von diesen athletischen Fähigkeiten beeinflusst? Bundesligateams wie Bayer Leverkusen oder RB Leipzig setzen offensichtlich ja sehr auf laufintensives Spiel.

Jonas: Interessante Frage. Ich denke, der Spielstiel beeinflusst die athletische Ausbildung. Durch ein lauf- und pressingintensives Spiel wird auf die athletische Komponente offensichtlich mehr Wert gelegt und diese dadurch besser ausgebildet. Grundsätzlich sollte sich aber eine Fußballmannschaft unabhängig vom Spielstil das Ziel setzen, für das Anforderungsprofil des Fußballs athletisch perfekt ausgebildet zu sein.

FuPa: Apropos Anforderungsprofil, wie sieht das bei Fußballern aus?

Jonas: Ein Fußballer läuft im Schnitt ca. 10-12km pro Spiel. Dabei hat ein Spieler ca. 1400 Aktionen, die sich alle 4 bis 6 Sekunden ändern. Davon sind lediglich im Schnitt 50 Aktionen mit Ball. Sehr interessant sind die Sprintdistanzen. Denn 96% aller Sprints sind kürzer als 30 Meter und 49% sogar kürzer als 10 Meter. Der Fußball ist also ein Sport, der hauptsächlich auf Kurzdistanzen mit vielen wechselnden Aktionen stattfindet.

FuPa: Wo siehst Du die Unterschiede zwischen Profi- und Amateurfußball in diesem Bereich?

Jonas: Auf mein eigenes Gefühl möchte ich mich da gar nicht verlassen (lacht). Aus den Zahlen geht hervor, dass sich Profis von Amateuren bei Sprints über 100 und 30 Meter im Schnitt zeitlich nicht aussagekräftig genug unterscheiden. Jedoch sind Profis auf 10 Meter signifikant schneller. Dabei wurden Profis mit hochklassigen Amateuren verglichen. Die 10 Meter Zeit ist also ein wichtiger Indikator und es gilt für ambitionierte Fußballer, diese zu verbessern. Im Bereich der Ausdauer, die Anhand der maximalen Sauerstoffaufnahme VO2 Max gemessen wurde, sind Profi Fußballer den Amateuren auch überlegen. Dies könnte aber schlichtweg am erhöhten Trainingsvolumen liegen.

FuPa: Das Thema Ausdauer wird in der Vorbereitungszeit bei vielen Vereinen präsent sein. Im Amateurfußball setzen Trainer oftmals auf den klassischen Dauerlauf. Wie bewertest Du diese Trainingsmethode?

Jonas: Als ungeeignet. Da sie, wenn wir uns an die 1400 Aktionen im Wechsel von 4 bis 6 Sekunden erinnern, nicht dem Beanspruchungsprofil des Fußballs entspricht.

FuPa: Würdest du den Dauerlauf also als veraltet bezeichnen?

Jonas: Ich bleibe bei der Bezeichnung ungeeignet (lacht). Die Dauermethode ist eine sehr theoretische Herangehensweise an das Ausdauertraining im Fußball. Generell haben Spielsportarten einen intervallartigen Charakter und sollten meiner Meinung nach auch so trainiert werden. Es gibt seit einiger Zeit empirisch getestete Trainingsmethoden, die nachweislich die fußballspezifische Ausdauer um ein vielfaches steigern können als der profane Dauerlauf.

FuPa: Welche Methode meinst Du damit?

Jonas: Allen voran ist die 4x4 Methode von Helgerud und Hoff zu nennen, die wissenschaftlich sehr fundiert getestet wurde. Durch sie lässt sich die VO2 Max in kürzester Zeit enorm erhöhen, wodurch sie sich besonders für die Vorbereitung eignet. Zudem entspricht ihr Intervallcharakter dem Anforderungsprofil des Fußballs. Generell eignen sich aber viele Intervallmethoden zur Verbesserung der fußballspezifischen Ausdauer.

FuPa: Wie würde ein Ausdauertraining bei Dir aussehen?

Jonas: In der Vorbereitung setze ich hauptsächlich auf die 4x4 Methode. Dabei werden abwechselnd 4 Minuten bei ca. 95% der maximalen Herzfrequenz und 3 Minuten bei ca. 65% der maximalen Herzfrequenz gelaufen. Nach jeweils 4 Blöcken und insgesamt 28 Minuten ist das Intervalltraining beendet. Zwischendurch würde ich ein 25 minütiges 15/15 Intervall einstreuen, also 15 Sekunden bei ca. 95% der maximalen Herzfrequenz und 15 Sekunden bei ca. 60% der maximalen Herzfrequenz. Das 15/15 Intervall lasse ich oft in Form von Wechselsprints laufen, wodurch sich zusätzlich die Repeated Sprint Ability trainieren lässt. In der Vorbereitung sollte ein hoher Level erreicht werden, entsprechend würde ich 2-3 Intervalleinheiten pro Woche ansetzen. Während der Saison kann man dieses Level durch intervallartige Small Sided Games aufrechterhalten. Small Sided Games sind Kleinfeldspiele wie das 2gg2, 3gg3 und 4gg4.

FuPa: Lässt sich auch der Ball in das Ausdauertraining während der Vorbereitung integrieren?

Jonas: Der Ball sollte in jeder Athletikeinheit eine Rolle spielen. Bei uns sind grundsätzlich 1/3 der Athletikeinheit mit einer fußballspezifischen Aktion mit Ball verbunden. Dies kann beispielsweiße eine Ballmitnahme in einem Sprintübungsaufbau, oder das miteinbeziehen des Balles in Kraftübungen sein. Auch die 4x4 Methode lässt sich mit Ball durchführen, dafür haben Helgerud und Hoff einen Parcours entwickelt, der ähnliche Effekte erzielt wie die 4x4 Methode ohne Ball. Der Parcours erfordert jedoch einen hohen Material- und Zeitaufwand, außerdem können die Spieler durch den Ball abgelenkt werden und dadurch nicht ihre maximale Sauerstoffaufnahme erreichen. Solche Parcours eignen sich tendenziell für spätere Phasen der Vorbereitung.



Aufrufe: 027.1.2017, 10:15 Uhr
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