2024-04-25T14:35:39.956Z

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Kurzpass-Spiel bei Sonnenuntergang

SV Bliedersdorf ist mit fünf Siegen in die Kreisliga gestartet – Welche Ambition hat das Team?

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Bliedersdorf. Trainer Marcus Meyer kommt der Rummel gar nicht gelegen: „Nicht, dass die Jungs abheben.“ Die Tabellenführung sei eine Momentaufnahme - fünf Siege in fünf Spielen ganz nett. Bliedersdorf landete vergangene Saison im Mittelfeld. Was läuft jetzt anders?

Zehn Bliedersdorfer Spieler verlaufen sich Dienstagabend auf der Anlage am Dohrenblick. Hinter den Feldern geht die Sonne unter. Sie färbt die Wolken in ein helles Rot. Die Lampen rund um den Sportplatz fluten den Rasen mit künstlichem Licht. Marcus Meyer platzt in die romantische Stimmung und zieht eine Liste aus der Tasche. Er liest Spielernamen vor. Der ist beim Zahnarzt, der ist auf Schicht, der ist bei der Feuerwehr, die sind verletzt. "Wir zahlen dem Spiel gegen Himmelpforten Tribut", sagt Meyer. Vier Spieler sind seit dem 5:2-Erfolg gegen den MTV angeschlagen und können heute nicht trainieren. Am Sonntag steht die Partie gegen Bützfleth an.

Die laufende Saison hat alle Bliedersdorfer Fußballgesetze neu geschrieben. Meyer hat sich mal die Mühe gemacht und ein paar Fakten recherchiert. In der vergangenen Saison verlor der SV Bliedersdorf alle Spiele gegen die jeweiligen Tabellenletzten. In dieser Saison gehen ein 9:1-Sieg gegen den abgeschlagenen Aufsteiger SV Agathenburg/Dollern und das 4:0 gegen Kellerkind TSV Buxtehude-Altkloster in die Statistik ein. Gegen den MTV Himmelpforten habe Bliedersdorf nie etwas geholt, sagt Meyer. Das 5:2 am letzten Spieltag beendet auch diese Negativserie. Und die Derbys gegen Horneburg gingen, soweit sich Meyer erinnern kann, allesamt verloren. Selbst diese Partie beendete Bliedersdorf mit einem 4:3-Sieg. Und das 5:1 zum Auftakt gegen die SV Drochtersen/Assel IV? Ein schöner Einstieg gegen ein Team, das Meyer am Ende oben mit ansiedelt.

Kurzpassspiel im Fokus

Die wenigen Kicker, die am Dienstag da sind, nehmen sich den Ball und drehen zum Lockerwerden ein paar Runden auf dem Sportplatz. Sie klönen und lachen. Meyer steckt ein paar Vierecke mit Hütchen ab. "Schweinchen in der Mitte" gehört bei so gut wie jedem Club dieser Welt ins Trainingsprogramm. Vier Spieler kicken sich den Ball zu, der Mann in der Mitte versucht, ihn zu kriegen. Beim SV Bliedersdorf hat dieses Spielchen Symbolcharakter für das Entstehen einer neuen Qualität. Dem sicheren Kurzpass-Spiel. "Nach schlechten Pässen in der eigenen Hälfte haben wir in der letzten Saison 15 Gegentore kassiert", sagt Meyer. Entsprechend haben er und Co-Trainer Nils Weige das Training des Kurzpass-Spiels zum Schlüssel des Erfolgs erklärt.

Die Spieler bilden an der Seitenlinie eine Gasse. Jeweils zwei stehen sich gegenüber. Einer mit, einer ohne Ball. Einer läuft rückwärts auf die andere Seite, der andere vorwärts. Sie passen mit rechts, mit links, lassen abtropfen, werfen sich den Ball zu und kicken volley mit dem starken und danach mit dem schwachen Fuß zurück. So geht das eine Dreiviertelstunde, ehe Meyer seine Jungs Torschüsse, Flankenläufe und Spielzüge trainieren lässt. "Das Kurzpass-Spiel wird sicherer", sagt Meyer. Das Training trage Früchte. Sein Anspruch sei es, den Gegner schwindelig zu spielen. "Die dürfen gar nicht wissen, wo der Ball gerade ist", sagt Meyer. Die Grundlagen für die Ausdauer habe die Mannschaft in der Vorbereitung gelegt. Meyer ließ das Team laufen. Und eine Kämpfertruppe sei Bliedersdorf schon immer gewesen.

Personell hat sich beim SV Bliedersdorf, der immer als Fahrstuhlmannschaft galt und mehrfach zwischen der Kreisliga und der Bezirksliga pendelte, wenig getan. Steffen Brandt und Jeremy Hammel sind in die zweite Mannschaft gewechselt. Nach einem Jahr Referendariat zurückgekehrt in den Kader der Ersten ist Abwehrspieler Daniel Hardekopf. Teammanager Sebastian Kreibich hat der Mannschaft das Potenzial nie abgesprochen. "Aber in dieser Saison rufen die Jungs es auch ab", sagt Kreibich, der die erfolgreichste Zeit des SV Bliedersdorf vor gut zehn Jahren als Aktiver miterlebt hat. 2007 stieg der SV Bliedersdorf als Zweiter hinter dem VfL Horneburg in die Bezirksliga auf und rockte im Jahr drauf die höhere Klasse bis zur Winterpause. Von Platz eins stürzte der Club in der Rückrunde aber noch auf Rang neun ab.

Erst in seiner 21. Saison nach der Gründung im Jahr 1966 verließ der SV Bliedersdorf die Niederungen der Kreisklassen zum ersten Mal und stieg 1987 in die Kreisliga auf. Der Bezeichnung Fahrstuhlmannschaft machte der Club damals schon alle Ehre und stieg nach einer Saison wieder ab. Erst seit der Spielzeit 1994/95 gehört der SV Bliedersdorf dauerhaft der Kreisliga, der einstigen Bezirksklasse oder der Bezirksliga an. Den größten Erfolg der Vereinsgeschichte feierten die Spieler 1997 mit dem Double. Neben der Meisterschaft gewannen sie damals den Kreispokal, übrigens erst zum zweiten Mal nach 1979.

Sebastian Kreibich sieht neben dem Abrufen des Potenzials die Torgefahr vieler Spieler als Schlüssel des Erfolges. "Das macht uns weniger ausrechenbar", sagt der Teammanager. Spieler wie Christopher Grube (sechs Tore), Jens Lüchau (4) oder Jan-Hendrik Zenner (4) teilen sich das Knipsen. Insgesamt 27 Treffer sind so schon zusammengekommen. Aber was das Toreschießen angeht, spielt die gesamte Kreisliga in diesem Jahr ja ohnehin verrückt.

"Die erste Niederlage wird kommen"

Kreibich ist ganz bei Trainer Meyer, wenn es um die nahe Zukunft geht. "Die erste Niederlage wird kommen", sagt Meyer. Vielleicht nicht gerade gegen den TuSV Bützfleth am Sonntag (15 Uhr, Bützfleth), der bislang erst drei Pünktchen sammelte, aber vielleicht eine Woche später, wenn Bliedersdorf den ebenfalls ungeschlagenen SSV Hagen zum Spitzenspiel empfängt. "Auch wenn wir jetzt schon 15 Punkte haben, werden wir nicht unsere Saisonziele neu definieren", sagt Kreibich. Ein einstelliger Tabellenplatz soll am Ende herausspringen. Kreibich meint, Bliedersdorf habe bislang auch Glück gehabt und sei zum richtigen Zeitpunkt auf den richtigen Gegner getroffen. Einem Aufstieg in die Bezirksliga können beide, Kreibich und Meyer, nicht so recht etwas abgewinnen. Dafür müsse sich ein Verein schon richtig verstärken. Apensen und Hammah spielten in der vergangenen Saison sehr dominant in der Kreisliga und zieren jetzt das Tabellenende der Bezirksliga. Der Leistungsunterschied ist enorm.

Die Frage, warum der SV Bliedersdorf seine durchaus vorhandenen Tugenden nicht schon in der vergangenen Saison abgerufen hat, scheint nicht nur Kreibich obsolet. Aber trotz des aktuellen Höhenfluges macht sich der Teammanager so seine Gedanken, was der Mannschaft auch heute noch fehlt. "Ein Leader", sagt Kreibich. Ein Führungsspieler, der verbal und spielerisch vorangeht. Sie haben gute Techniker und Lautsprecher, aber niemanden, der beide Tugenden vereint. Jörg Augustin sei dafür ideal gewesen. Aber der spielt wieder in Horneburg. Timo Ritter bringe fußballerisch alles mit, aber der sei zu zurückhaltend. "Wir müssen uns einen schnitzen", sagt Kreibich.

So lange wie der Erfolg da ist, haben die Jungs auf dem Platz und nach dem Training Spaß. "Die Stimmung ist gut", sagt Marcus Meyer. Als die Sonne am Dienstag längst untergegangen ist, beendet Meyer die Übungseinheit mit einem Lattenschießen aus 16 Metern. Wer trifft, darf duschen, wer am Ende nicht trifft und übrig bleibt, nimmt die Leibchen zum Waschen mit nach Hause oder wischt in der Kabine den Kühlschrank aus.

Aufrufe: 015.9.2017, 18:31 Uhr
Tageblatt / Von Daniel BerlinAutor