2024-04-25T10:27:22.981Z

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Ob im Profiußball oder im Amateursport: Schiedsrichter haben es oftmals nicht leicht Foto (Archiv): Eibner
Ob im Profiußball oder im Amateursport: Schiedsrichter haben es oftmals nicht leicht Foto (Archiv): Eibner

Schiedsrichter: Hohe Absprungrate bei den Neulingen

Bei Neulingskurs im Bezirk Böblingen/Calw bestehen 26 Teilnehmer die Prüfung

Die 40 Schiedsrichtergruppen im Bereich des Württembergischen Fußballverbandes (WFV) bieten Einsteigern regelmäßig Neulingskurse an. Aus dem gerade abgeschlossenen gemeinsamen Lehrgang der Schiedsrichtergruppen Böblingen und Calw gingen 26 neue Unparteiische hervor.

So erfreulich diese Zahl auch ist, bei den Schiedsrichtern ist nicht alles Gold, was glänzt. WFV-Lehrwart Reiner Bergmann (SV Baiersbronn) gibt sich keinen Illusionen hin, denn alleine im Vorjahr sind von etwa 1 750 neuen Schiedsrichtern 900 ziemlich schnell wieder abgesprungen. „In der Regel verlieren wir jeden zweiten der jungen Schiedsrichter“, weiß der Leiter des Neulingskurses. Sein Engagement ändert sich aber trotz der hohen Abbrecherquote nicht, im Gegenteil.

"Das kann ich besser"

Die Beweggründe der 30 Schiedsrichteranwärter waren unterschiedlicher Natur. Tom Henschke vom TV Gültstein beispielsweise hatte einige „schlechtere Erfahrungen mit Unparteiischen“ und sagte sich: „Das kann ich besser.“ Dass der TVG insgesamt zu wenige Schiedsrichter hat und deswegen regelmäßig Strafe zahlen muss, bekräftigte den Gültsteiner A-Jugend-Spieler darüber hinaus, sich das Ganze von der anderen Seite anzuschauen. „Der Verein unterstützt uns und sponsert auch die Ausrüstung.“ Die Lust, Spiele zu leiten, verstärkten die Kursabende in Deufringen. „Ich hatte mir das deutlich strenger vorgestellt“, war Henschke vor allem vom Kursleiter begeistert: „Reiner macht das super. Ich freue mich regelrecht auf mein erstes Spiel als Schiedsrichter.“

Trainer benötigen den Schiedsrichterkurs

Bei Tim Zudrell vom SV Gültlingen sieht die Motivation anders aus. Er will als Trainer vorankommen und braucht dafür auch den Schiedsrichterkurs. Der Student der Sportwissenschaften ist im Nachwuchszentrum des VfB Stuttgart als Co-Trainer tätig, hält sich aber auch die Option „Schiedsrichter“ offen. „Ich werde mal schauen, ob mir das Spaß macht“, sagt der 23-Jährige und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Zumindest aber sehe ich im Hinblick auf meine Trainertätigkeit, was Sache ist. Dann werde ich später an der Seitenlinie hoffentlich nicht ganz so viel herummeckern.“
Kritik von außen ist generell ein Thema bei den Kursabenden. Auch das Thema „Gewalt auf dem Sportplatz“ rückt immer wieder in den Fokus. Reiner Bergmann gibt den Neulingen wertvolle Tipps, wie man heikle Situationen löst. Am letzten Kursabend wird auf dem Kunstrasenplatz der SV Böblingen sogar der Ernstfall geprobt. Spielsituationen werden simuliert, Bedrohungen und Zuschauerverhalten inklusive. Die sechs Anforderungen, die Reiner Bergmann an seine Neulinge stellt: Persönlichkeit, kommunikative Fähigkeiten, soziale Kompetenz, interkulturelle Kompetenz, Regelkenntnis sowie Mut und Gerechtigkeit. „Wer dieses Anforderungsprofil erfüllt, kann als Schiedsrichter auch viel Spaß haben“, meint der Lehrwart. „Aber besser, wir reden vorher darüber und bereiten die Neulinge dementsprechend auf solche Geschehnisse vor“, so Reiner Bergmann.

E-Learning erspart einen Kursabend

Gänzlich neu war in diesem Neulingskurs das „E-Learning“. Online konnten die Kursteilnehmer begleitend zu den Kursabenden ihr Wissen festigen. „Aufgrund des
E-Learnings konnten wir einen Kursabend sparen“, ist Bergmann begeistert von der neuen Möglichkeit, die es dem Lehrwart ermöglicht, die Fortschritte der Teilnehmer zu verfolgen: „Die Defizite werden aufgezeigt, und wir und der Anwärter sehen, wo noch Nachholbedarf herrscht.“
Immer wieder schauten beim Neulingskurs auch erfahrene Schiedsrichter vorbei, um sich unter anderem ein Bild ihrer potenziellen Nachfolger zu machen. Norbert Fleischer (TV Altdorf), Ausschussmitglied und Einteiler der Schiedsrichtergruppe Böblingen, war über den bis auf den letzten Platz besuchten Neulingskurs erfreut, hofft aber gleichzeitig, dass „die Neulinge auch dabei bleiben. Bei den Jüngeren sind zu viele Abbrecher dabei. Und unser Problem mit dem Spielbetrieb in der B-Liga und den Reserveligen lösen die Jungen leider auch nicht, da sie im Aktivenbereich noch gar nicht pfeifen dürfen.“ Nur allzu gerne hätte Norbert Fleischer ein paar ältere Kandidaten begrüßt. „Das ideale Alter für Neueinsteiger wäre zwischen 25 und 35 Jahren.“

Unzufrieden mit den Unparteiischen

Für Danielle Pfeil, die einzige weibliche Teilnehmerin am Neulingskurs, ist das kein Hinderungsgrund, es nicht doch einmal an der Pfeife zu probieren. Die 15-jährige B-Juniorin des SV Nufringen ging pragmatisch an den Neulingskurs heran: „Ich bin hier dabei, um unter anderem meinen eigenen Schwächen, zum Beispiel bei Abseitsstellungen, entgegenzuwirken.“ Yücel Bayram, Trainer der C1-Junioren des VfL Sindelfingen ist im besten Alter, war selbst schon einmal Schiedsrichter, und hat neue Lust bekommen, es noch ein zweites Mal zu versuchen. „Ich bin sehr oft unzufrieden mit den Unparteiischen, die die Spiele meiner Mannschaft leiten, deshalb will ich zeigen, dass ich es besser kann.“ Auch fünf seiner Spieler konnte der 37-Jährige überzeugen, sich als Schiedsrichter zu versuchen. „Ich hoffe, das ist nicht nur eine Momentaufnahme, und einige meiner Spieler bleiben tatsächlich dabei.“

Aufrufe: 05.4.2017, 12:32 Uhr
Edip Zvizdiç, GäuboteAutor