2024-03-18T14:48:53.228Z

Ligabericht
Jürgen Lischewski , Holger Fuchs, Rainer Milkoreit und Stephan Oberholz nahmen für den NOFV am Gespräch teil. Fotos: Bock
Jürgen Lischewski , Holger Fuchs, Rainer Milkoreit und Stephan Oberholz nahmen für den NOFV am Gespräch teil. Fotos: Bock

NOFV und Babelsberg suchen das Gespräch

Strafandrohung an den Regionalligisten bleibt bestehen / Verband will nach monatelangem Streit "deeskalieren"

Der Nordostdeutsche Fußball-Verband und der SV Babelsberg 03 sprechen wieder miteinander: Nach dem monatelangem Streit um ein Urteil des Sportgerichts soll es demnächst ein Treffen zwischen Verein und Verband geben. Der versuchte am Donnerstag mit einer Transparenzoffensive bei einem Pressegespräch in dem festgefahrenen Verfahren zu "deeskalieren".

Fast ein Jahr ist es jetzt schon her, dass sich der SV Babelsberg 03 und Energie Cottbus im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion in der Regionalliga Nordost gegenüberstanden. Seitdem wird über dieses Spiel der Schande gesprochen: Die Partie musste zwischenzeitlich zwei Mal unterbrochen werden und aus dem Cottbuser Block stürmten mehrere Personen das Spielfeld. Dazu beschossen sich die beiden Fanlager, die sich über Eck im KarLi quasi direkt gegenüberstanden, mehrfach mit pyrotechnischen Erzeugnissen. So weit so unstrittig. Das haben beide Vereine nach dem Spiel auch gegenüber dem NOFV-Sportgericht unmissverständlich eingeräumt.

Doch danach gehen die Meinungen auseinander. Das machte das Pressegespräch am Donnerstag deutlich, zu dem der NOFV nach Rangsdorf eingeladen hatte. Mit einem klaren Ziel: "Uns ist es ein Anliegen, einen sachlichen Beitrag zu liefern aus der Sicht des NOFV. Wir wollen aktiv tätig werden in der Deeskalation", erläuterte Geschäftsführer Holger Fuchs zu Beginn des Termins. Dafür standen neben Fuchs auch NOFV-Präsident Rainer Milkoreit sowie die beiden Richter Stephan Oberholz (Sportgericht) und Jürgen Lischewski (Verbandsgericht) für Nachfragen bereit. Die wichtigste Botschaft schickte Fuchs gleich vorweg: "Ich habe heute vormittag mit Archibald Horlitz telefoniert. Es war ein sehr angenehmes Gespräch. Wir befinden uns in der Endphase zur Findung eines gemeinsem Gesprächstermins zwischen dem NOFV und dem SV Babelsberg 03."

Holger Fuchs

Warum es neun Monate seit der Urteilsverkündung gedauert hat, dass sich die beiden Beteiligten erst jetzt wieder an einen Tisch setzen wollen, versuchte Rainer Milkoreit zu erklären: "Wir wurden in den letzten Monaten nicht so behandelt, wie man eigentlich miteinander umgehen sollte. Das hat Auswüchse angenommen, wie wir sie noch nie hatten. Aber wir als Verband sind ruhig geblieben. Wir stehen eindeutig hinter unserer Satzung. Wir haben stets zum Ausdruck gebracht, dass wir für Toleranz und Respekt eintreten und uns klar gegen Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit stellen. Deswegen halten wir uns nicht für gut behandelt." Laut Milkoreit war die Causa Babelsberg mehrfach Thema in den internen Runden des NOFV. "Aber immer, wenn von unserer Seite Lösungsansätze da waren, gab es eine neue Veröffentlichung des Vereins. Deswegen haben wir gesagt, dass wir erstmal abwarten", so der NOFV-Präsident.

Hauptknackpunkt im Streit zwischen Verein und Verband ist das erste Urteil des Sportgerichts im Juni 2017. Nulldrei wurde zu einer Strafe von 7000 Euro und einem Geisterspiel auf Bewährung verurteilt. Gezahlt hat der Verein aber nicht. Weil im Urteil der Satz auftaucht, dass "eine Person mit rotem Punkerschnitt aus dem Babelsberger Fanblock in Richtung des Cottbuser Fanblocks "Nazischweine raus"" rief. Richter Stephan Oberholz, der nach eigenen Angaben selbst seit Jahren aktiv gegen Rechtsextremismus kämpft und auch eigene Projekte in dem Bereich ins Leben gerufen hat, verteidigte das Urteil und betonte erneut, dass sich die Babelsberger Strafe nicht auf diesen Satz bezogen hat. Oberholz: "In der Urteilsbegründung stellen wir nochmal den Sachverhalt voran. Dann kommt der Teil, auf welchen uns vorliegenden Informationen sich das Verfahren gründet. Und erst im dritten Teil des Urteils wird dargelegt, welche Strafbarkeit sich daraus ergibt. Babelsberg ist nicht dafür bestraft worden, dass der Verein sich gegen Nazis wehrt, sondern nur wegen der pyrotechnischen Vorfälle."

Tatsächlich tauchte der Satz in der Niederschrift des Sportgerichtsurteils aber unter dem ersten Punkt "Gründe" auf. Die Lesart, dass er damit für die Urteilsfindung mit herangezogen wurde, ist also nicht so abwegig. Selbst Oberholz räumte ein, dass er zu Missverständnissen führen kann. "Wegen einer unzulänglichen Editierung ist die Textpassage im Urteil stehen geblieben. Das ist sehr bedauerlich. Dem Satz ist aber in keiner Weise Bedeutung beigemessen worden. Es passiert häufiger, dass sie bei der Übernahme aus Berichten in den Sachverhalt Informationen finden, die dort nicht hingehören. Das ist aber nur ein stilistischer Fehler."

Stephan Oberholz
Stephan Oberholz
Stephan Oberholz

Interessant ist aber die Information, woher der Satz überhaupt stammt: Laut Oberholz wurde er dem Bericht des NOFV-Sicherheitsbeobachters der Partie entnommen. "Er ist von uns befragt worden und hat uns glaubhaft versichert, dass er im oder direkt neben dem Babelsberger Block stand und den Spruch deutlich gehört hat." Der Beobachter will aber laut dem Sportrichter gleichzeitig die rassistischen und antisemitischen Sprüche aus dem Cottbuser Fanblock sowie die Hitlergrüße nicht wahrgenommen haben. Fuchs: "Wir wollen aber nicht unterstellen, dass ein ehrenamtlich tätiger Sportkamerad diese Informationen bewusst nicht weitergegeben hat." Und Oberholz versuchte, den Beobachter aus dem Blickfeld zu nehmen, auch anhand seines persönlichen Einsatzes als Kämpfer gegen Rassismus : "Wir hatten bis zum zweiten Verfahren gegen Cottbus keine Hinweise über rassistische Vorgänge. Warum sollten wir bekannte antisemitische Vorfälle unter den Tisch fallen lassen?"

Der Richter rief gleichzeitig zu mehr Zivilcourage aller Beteiligten im Fußball auf: "Die Auswüchse im Fanblock wurden uns von beiden Vereinen nicht angezeigt. Für uns gab es also keinen Anlass, das weiterzuverfolgen. Wir sind im Sportgericht kein rechtsfreier Raum und können nicht pauschal eigene Ermittlungen anstellen. Wir sind eine Familie im Fußball und müssen solche Fälle angezeigt bekommen." Auch die vom SV Babelsberg 03 in einer Stellungnahme nach der Partie angesprochene "unermesslich hohe Anzahl von verfassungsfeindlichen und volksverhetzenden Entgleisungen im Gästeblock" wertete Oberholz nicht als klaren Hinweis. "Ich habe Hunderte solcher Verfahren durchgeführt. In vielen stellen Vereine fest, dass es vermeintliche Entgleisungen in die eine oder andere Richtung gab. Möglichwerweise ist das aber auch nur eine Schutzbehauptung. Wir brauchen konkrete Hinweise von den zuständigen Stellen", so Oberholz.

Das "Nazischweine raus" für großen Wirbel gesorgt hat, räumte auch NOFV-Präsident Milkoreit ein: "Dieser Satz hat für viel Unruhe und Aufregung gesorgt in den letzten Monaten. Wir müssen solche Fehler von vorneherein vermeiden." Warum aber der Verband die ihm selbst mögliche Berufung in dem schwierigen Fall nicht erwogen hat, ließen die Beteiligten offen.

Milkoreit kündigte zum Abschluss erste konkrete Maßnahmen an: "Wir müssen die Spielaufsicht im Stadion noch mehr senibilisieren." Oberholz erklärte, dass die interen Aufarbeitung des Falles schon im Gange ist. Als erste Konsequenz wurde bereits die Funktion eines Antidiskriminierungsbeauftragten ins Leben gerufen, der "im Stadion rumläuft und solche Vorfälle dokumentiert und gerichtsfest festhält".

Dem SV Babelsberg 03 wird das vorerst aber nicht viel helfen. Denn der NOFV hält an der Zahlung von 7340 Euro (Strafe plus Mahngebühr) fest. Fuchs: "Es gibt ein rechtskräftiges Urteil." Bis zum 14. Februar läuft trotz des Gesprächsangebotes die Frist für Nulldrei.

Aufrufe: 08.2.2018, 20:02 Uhr
Sven BockAutor