Christina Schellenberg aus Nürnberg fährt 120 Kilometer ins Fußballtraining. Einfach. Das ist der Weinberger Zweitligakickerin ihr Hobby wert. Und nach dem Spiel gönnt sich die ehemalige Junioren-Nationalspielerin auch mal ein Cola-Weizen. Dafür hat sie sich zuvor auch bis zum Äußersten verausgabt.
Eine Viertelstunde vor Schluss werden die Schritte kürzer. Unterbrechungen nutzt Christina Schellenberg, um sich auf ihre Knie zu stützen. Das fällt auch Dieter Kreißelmeier auf. „Ich kann nimmer“, ruft die Stürmerin ihrem Trainer zu, der sie notfalls, aber äußerst ungern, auswechseln würde. Ein paar Sekunden später rennt Schellenberg wieder wie aufgezogen über den Platz in Leutershausen.
Schwächephasen wie diese haben bei ihr nicht viel zu bedeuten. „Das heißt nicht, dass ich raus will“, sagt Schellenberg, „ich war nicht völlig platt“. Sondern auch mit den letzten Tropfen im Tank bereit, ihren Freundinnen zu helfen. Dafür nimmt sie auch unter der Woche einige Unannehmlichkeiten in Kauf; von ihrer Ausbildungsstelle nahe Sulzbach-Rosenberg sind es rund 120 Kilometer bis zum Training, einfach. Für ihren SV Weinberg würde sie wahrscheinlich auch 200 oder 300 Kilometer fahren.
Die gebürtige Nürnbergerin, die in Burgthann lebt und ab der U17 auch vier Jahre lang beim Club gespielt hat, fühlt sich einfach wohl bei ihrem familiären Verein, mit dem sie im Frühjahr in die Zweite Bundesliga aufgestiegen ist. Mit dabei auch Nadine Staudt und Katharina Hampicke, die ebenfalls schon das Club-Trikot getragen haben.
Wahrscheinlich hätte sich Schellenberg früher oder später auch in der deutschen Eliteklasse durchgesetzt, wollte aber nebenbei noch etwas von ihrer Jugend haben. Die eine Saison beim FC Bayern (2007/2008), zu dem sie einst vom SV Weinberg gewechselt war, wird die ehemalige Junioren-Nationalspielerin trotzdem in sehr guter Erinnerung behalten. „Das waren super Erfahrungen für mich“, sagt Schellenberg, auch sportlich habe sie enorm profitiert von ihrem Abstecher in die Bundesliga. Nur wollte sie sich eben nicht nur auf Fußball spezialisieren, sondern vielseitig bleiben.
Beim SV Weinberg hat sie gefunden, wonach sie suchte. Als feststand, dass sie München wieder verlassen wird, „ist für mich außer Weinberg nichts infrage gekommen“, sagt Schellenberg, ihr ehemaliger Verein sollte auch wieder der neue werden, „da fühlt man sich einfach daheim“. Die Spielerinnen unternehmen auch in ihrer Freizeit viel miteinander, der Teamgeist ist in jeder Sekunde spürbar, auch gegen den 1. FC Köln. Nach 25 Minuten liegt der SV Weinberg 0:3 zurück, gibt aber nicht auf. Schellenberg, die nominelle Angreiferin, ist praktisch überall, links, rechts, vorne, hinten, ihr Pensum ist bemerkenswert. Sie ist zwar nicht Kapitänin, aber gewiss die emotionale Anführerin ihrer Gruppe. Und der Motor. „Ich versuche immer zu zeigen, was ich kann“, sagt Schellenberg. Und das ist eine ganze Menge.
Den Platzverweis für Gäste-Verteidigerin Nadja Pfeiffer holt sie heraus, in der ersten Halbzeit vergibt sie zudem zwei gute Möglichkeiten, nach ihrer dritten steht es 1:3. Schellenberg schiebt und feuert an, klatscht oft in die Hände. Als seien die 90 Minuten am Wochenende mehr als nur ein Fußballspiel für sie, Schellenberg will die anderen mitreißen. Was auch an ihrem überdurchschnittlichen Talent liegen könnte. „Man merkt einfach“, sagt ihr Trainer Kreißelmeier, „dass sie fußballerisch sehr gut ausgebildet ist.“ Selbst die zweimalige Europameisterin Inka Grings, die beim 1. FC Köln nach einer Stunde eingewechselt wird, konnte sich noch an die Weinberger Antreiberin erinnern. „Sie wusste noch, dass ich Schelli heiße“, sagt Schellenberg nicht ohne Stolz, man kennt sich von früher. „Frau Grings sagte, dass wir uns sehr gut verkaufen würden und sie staune, was so ein kleiner Verein ausrichten könne.“ Selbst die 2:3-Niederlage werteten sie hinterher als kleinen Fortschritt, obwohl der Neuling weiter auf den ersten Punkt wartet.
Schellenberg ist nicht bange vor der Zukunft. Vor allem, weil der Zusammenhalt so überragend ist. Was auf dem Platz vorfällt, ist spätestens beim ersten Cola-Weizen wieder vergessen. „Da gibt es bei uns so etwas wie eine interne Abmachung“, sagt Schellenberg, auch vielleicht provokante Kommentare sind hinterher schnell wieder vergessen. Denn nur so kann der SV Weinberg funktionieren.
Auch die Nürnbergerin Christina Schellenberg ist froh, dass es ihn gibt. WOLFGANG LAASS