2024-04-25T14:35:39.956Z

Analyse
– Foto: Noah Wedel

Corona als Chance: Auf Kalenderjahr-Saison umstellen?

Die Corona-Pandemie und die damit verbundene Fußball-Zwangspause bieten eigentlich die ideale Gelegenheit zu einer umfassenden Reform des Spielkalenders. Anstoß für eine Debatte.

Alle Jahre wieder... kommt unter anderem die Debatte, ob es nicht praktischer wäre, den Spielkalender im Fußball auf eine Saison innerhalb eines Kalenderjahres umzustellen. Verschiedene Ereignisse waren der Anlass für diese Debatte - etwa offen formulierte Überlegungen der FIFA, die WM 2022 in Katar auf Grund der hohen Sommertemperaturen vor Ort in den Winter zu verlegen (mit einer Umstellung der Saison zumindest in den europäischen Profiligen als Konsequenz) oder wie vor knapp zwei Jahren hier in Ostwestfalen der gnadenlose, lange Winter 2017/18. Damals fielen bereits im Herbst 2017 zahlreiche Partien wegen Unbespielbarkeit der Plätze aus und diese Misere setzte sich im Frühjahr 2018 fort, so dass zu befürchten war, mit den Nachholspielen gar nicht mehr hinterherzukommen und die Saison verlängern zu müssen. Die nächsten beiden Winter hingegen fielen sehr gemäßigt aus und schon verpufft eine solche Debatte gleich wieder im Ansatz. Doch die derzeitigen Ereignisse bieten eigentlich die ideale Grundlage für eine erneute, diesmal wirklich ernsthaft geführte Debatte. Komischerweise blieb die jedoch bislang weitestgehend aus.

"Revolutionen gehen von unten aus, nicht von oben", fasst es Christof Müller vom Höxteraner B-Ligisten SV Germania Bredenborn zusammen. "Jeder sitzt einem anderen im Nacken: die FIFA der UEFA, die UEFA dem DFB und der DFB den Amateurclubs. Aber momentan haben alle das selbe Problem und das ist eine einmalige Situation und somit Chance." Damit meint Müller die schlichte Tatsache, dass derzeit sämtliche Vereine zum Abwarten verdammt sind - ab wann wieder gespielt werden darf, ist noch unklar. Derzeit streiten und diskutieren die einzelnen Landesverbände über den möglichen Saisonabbruch, die Profi-Clubs hoffen, die Saison mit Geisterspielen zu einem Abschluss bringen zu können. Großveranstaltungen (und somit auch ein Start der neuen Saison) sind frühestens ab 1. September möglich, doch könnte diese Maßnahme je nach Pandemieverlauf durch die Bundes- und die einzelnen Landesregierungen ebenso gut noch weiter nach hinten verlegt werden. Mancherorts fragt man sich, ob im Jahr 2020 überhaupt noch (Amateur-)Fußball gespielt werden kann.


In manchen Ländern verhält sich die Situation ein wenig anders, Corona-bedingt wurde die Saison dort gar nicht erst begonnen oder nach den ersten paar Spieltagen unterbrochen. Warum dies so ist? Weil in jenen Ländern innerhalb eines Kalenderjahres gespielt wird. Dies sind beispielsweise die nordeuropäischen Staaten Schweden, Finnland, Norwegen und Island. Auch im Baltikum (Estland, Lettland, Litauen) wird die Saison im Frühling eingeläutet. Andernorts auf dem Globus sind Nationen wie Japan, Südkorea und China, die USA und zahlreiche der südamerikanischen Staaten (Brasilien, Chile, Ecuador, Peru, aber nicht Argentinien) zu nennen.


In jenen Ländern wird die Saison im Sommer, nach Abschluss der Hinrunde, normalerweise für einige Zeit ausgesetzt - etwa um an einer EM oder WM teilzunehmen. Danach wird die Saison ganz normal fortgesetzt. Die warmen Sommermonate mit idealem Fußballwetter werden also ideal ausgenutzt, während man auf einen durchnässten Herbst und einen kalten Winter keine Rücksicht zu nehmen braucht. Klingt dies verlockend? Wer aber die Sommerzeit für sich - beispielsweise zwecks Familienurlaub - nutzen möchte, für den kann ebenso die mehrwöchige Unterbrechung nach der Hinrunde im Amateurfußball dienen.


Die Gelegenheit, den Spielkalender entscheidend zu reformieren, würde sich nun bieten - ganz unabhängig davon, ob die Saison nun abgebrochen oder im Herbst (wie es wohl unter anderem in Bayern geschehen wird) fortgesetzt wird. Eine "Saison 2021" könnte also im März oder April begonnen werden, der Herbst 2020 könnte der Umstellung und Vorbereitung dienen. Zu diesem Zwecke wurde beim SV Bredenborn ein Schreiben, ein Aufruf, verfasst um die nötige Debatte anzuregen.


Das Schreiben im Wortlaut:


Liebe Fußballfreunde,

der Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen hat vor ein paar Tagen die Ergebnisse einer Umfrage zur Fortsetzung der Fußballsaison veröffentlicht. Diese Umfrage denkt in bekannten Strukturen (Fortführung zu einem späteren Zeitpunkt, Abbruch mit Wertung der Hinrunde oder zum aktuellen Stand etc.), dabei können besondere Zeiten ja auch Nährboden für außergewöhnliche Entwicklungen sein. Mit meinem Vorschlag möchte ich anregen, den Spielkalender im Amateurfußball (und darauf aufbauend auch im Profifußball) auf den Jahreskalender anzupassen, wie es einige europäische Länder (mir fällt z.B. Schweden ein) seit vielen Jahren erfolgreich praktizieren.

In der aktuellen Situation würde das bedeuten, dass wir den Spielbetrieb im Herbst fortsetzen und dann am Ende letztmalig den Meister einer Saison über zwei Kalenderjahre (also in diesem Fall 2019/20) küren. Die neue Saison beginnt dann z.B. im April 2021, geht bis Oktober 2021 und kürt am Ende den Meister des Jahres 2021. Nachdem in allen Regionen (innerhalb und außerhalb von Europa) und in allen Spielklassen derzeit parallele Fragen zur Fortsetzung des Spielbetriebs gestellt und beantwortet werden müssen, ergibt sich jetzt die einmalige Gelegenheit für diese grundlegende Veränderung.

Hintergrund der Überlegungen: Die Staffelleiter im Amateurbereich quälen sich, die Spieler und Verantwortlichen in den Vereinen jedes Jahr aufs Neue mit der Ansetzung von Spielen und Nachholspielen, weil die Infrastruktur in den unteren Ligen keine ganzjährige Bespielbarkeit der Plätze zulässt. Dann werden schon zu Beginn der Saison im August "Englische Wochen" angesetzt, um die Hinrunde irgendwie bis zum Winter absolvieren zu können. Trotzdem fallen spätestens ab Mitte November reihenweise Spiele aus, weil die Plätze aufgrund der Witterung nicht mehr bespielbar sind. Im Amateurbereich verfügt nicht einmal jede Kommune über einen Kunstrasenplatz, geschweige denn jeder Verein. Entsprechend früh werden die Nachholspiele dann ab Februar / März angesetzt, um nicht mit zu vielen Spieltagen in Rückstand zu geraten. Dabei kommt es dann an Ostern z.B. teilweise dazu, dass drei Spiele an dem verlängerten Wochenende ausgetragen werden (Gründonnerstag, Karsamstag und Ostermontag).

"Englische Wochen" sind zudem gerade im ländlichen Bereich insofern ein Problem, weil viele Spieler aufgrund von Ausbildung / Studium nur am Wochenende zuhause sind und für den Spielbetrieb zur Verfügung stehen. Wenn dann auch noch ein Jahr mit einer WM oder EM ansteht, müssen bis zu einem bestimmten Termin nicht nur die Profi-Ligen ihren Spielbetrieb beendet haben, sondern auch die Amateure, was das Zeitfenster für die ordnungsgemäße Durchführung des Spielbetriebs weiter deutlich verkleinert. Auf der anderen Seite steht in den Sommermonaten, wenn die Plätze am besten bespielbar wären, der Spielbetrieb still (so häufig z.B. von Mitte Mai bis Mitte August). Warum das sinnvoll sein soll, konnte mir bislang noch niemand erklären.

Daher mein Aufruf zur Abwandlung des Spielkalenders auf einen Zeitraum z.B. von April bis Oktober, gerne mit einer 4-wöchtigen Pause in den Sommerferien. Diese Veränderung oder auch Revolution kommt vor allem dem Amateurfußball zugute. Daher ist es wichtig, dass sich auch möglichst viele Vereine bei diesem Thema zu Wort melden und ihre Interessen bündeln. Das Portal FuPa kann in diesem Zusammenhang ein wichtiges Medium für die Meinungsbildung zu diesem Thema sein, es ist zudem bundesweit aktiv und kann so ein repräsentatives Bild wiederspiegeln.


Sportliche Grüße vom SV Germania Bredenborn

Christof Müller

Aufrufe: 02.5.2020, 07:30 Uhr
Björn Eimer / FuPaAutor