2024-04-16T09:15:35.043Z

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Christian Dinkelacker ist bei den Kickers für seine klaren Worte bekannt. Pressefoto Baumann
Christian Dinkelacker ist bei den Kickers für seine klaren Worte bekannt. Pressefoto Baumann

Stuttgarter Kickers: „Das finanzielle Minus ist gewaltig“

Vor der Mitgliederversammlung bei den Stuttgarter Kickers am kommenden Montag haben wir mit dem Chef des Aufsichtsrats, Christian Dinkelacker, gesprochen

Am Montag ist der Tag der Wahrheit: dann steht bei den Stuttgarter Kickers die Mitgliederversammlung auf dem Programm. Nach dem sportlichen Abstieg, läuft es auch finanziell nicht gut.

Am Montagabend steht bei den Stuttgarter Kickers die Mitgliederversammlung auf dem Programm. Der Aufsichtsratsvorsitzende Christian Dinkelacker gibt einen Ausblick – und wagt einen Rückblick.

Herr Dinkelacker, bei der vorletzten Hauptversammlungen haben Sie gesagt, endlich kann man als Kickers-Funktionär wieder erhobenen Hauptes durch Stuttgart laufen. Das dürfte sich geändert haben?
Christian Dinkelacker: Wir haben uns im September 2015 auf einem guten Weg befunden und waren zu diesem Zeitpunkt gut aufgestellt: mit Sportdirektor Michael Zeyer, Trainer Horst Steffen und einer eingespielten Mannschaft. Dass dann unsere gute Entwicklung auch Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen geweckt werden, ist normal. Dass diese unseren damaligen Trainer sehr gereizt haben, ist in der Tragweite aber erst viel später rausgekommen. Wir hatten damals jedenfalls die Absicht, weiter langfristig mit ihm langfristig zusammen zu arbeiten und ihn nicht ziehen zu lassen.
Horst Steffen hin oder her. Wie konnte es passieren, dass ein Verein in 15 Monaten vom Aufstiegskandidaten in der dritten Liga zu einer Niederlage beim Regionalliga-Schlusslicht in Nöttingen kommt? Dinkelacker: Das Spiel in Nöttingen war wahrhaftig der absolute Tiefpunkt, der tat extrem weh, ohne dem Gegner zu nahe zu treten. Alle in den Gremien – und ich nehme mich nicht aus - haben sich selbstkritisch hinterfragt. Wir haben in der letzten Winterpause versucht, mit Veränderungen im Mannschaftskader, der sportlichen Entwicklung entgegenzusteuern. Wir haben versucht die Mannschaft zu verstärken, was wir größtenteils geschafft haben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch sagen, dass wir einen Elia Soriano nicht loswerden wollten, sondern der Spieler wollte unbedingt wechseln. Was soll man da machen?
Hat man das Schicksal nicht zu sehr in die Hände des Sportdirektors gelegt, ohne irgendein Korrektiv zu haben? Dinkelacker: Natürlich wurden alle wichtigen Entscheidungen intern diskutiert, aber die große Stärke der Kickers war immer, dass das sie mit einer Stimme nach außen auftreten. Auch nach dem Abstieg waren wir der Meinung, dass wir in Michael Zeyer einen Mann haben mit einer sportlichen Konzeption. Wir haben den Plan zum damaligen Zeitpunkt als richtig betrachtet, im Nachhinein muss man sagen: er ist nicht zu hundert Prozent aufgegangen.
Man kann aber auch sagen, der Trainer hat nicht genug aus der Mannschaft rausgeholt. Dinkelacker: Richtig, deshalb haben wir uns ja auch getrennt nach der Niederlage in Nöttingen.
Jetzt hat man einen Imterimstrainer, keinen Sportdirektor, keinen Leiter des Nachwuchs-Leistungszentrums NLZ. Dinkelacker: Wir haben einen NLZ-Leiter und vor allem eine gewachsene Struktur im Nachwuchs. Wir sind der einzige Regionalligist, der mit allen Jugendmannschaften in den höchsten Ligen spielt. Dann haben wir einen Interimstrainer, da wird es in der Winterpause eine Analyse geben, mit offenem Ausgang. Und auch mit dem Thema Sportdirektor wird sich das Präsidium 2017 beschäftigen. Für beide Positionen haben wir sehr viele Initiativbewerbungen erhalten, ein Zeichen, dass die Stuttgarter Kickers auch in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor eine gute Adresse ist.
Benötigt ein Regionalligist einen hauptamtlichen Sportdirektor? Dinkelacker: Auch diese Frage werden wir beantworten.
Ist das auch eine finanzielle Frage? Dinkelacker: Natürlich ist das ein Aspekt. Wären wir in der dritten Liga geblieben, hätten wir einen erheblichen Transferüberschuss erzielen können. Der andere Verein aus unserer Stadt hat dies besser getroffen, die haben wie wir gehört haben 40 Millionen Euro eingenommen, um die Mannschaft zu verändern. Diese Assets haben uns gefehlt, aber dies ist auch der Unterschied zwischen einem Abstieg aus der Bundesliga und der dritten Liga.

Trauen Sie denn Dieter Märkle die Rolle als Trainer und Sportdirektor zu? Dinkelacker: Derartige Entscheidungen obliegen dem Präsidium.
Bisher läuft es mit Märkle ja recht gut – aber würde auf der Trainerposition nicht auch mal frisches Blut von außen gut tun? Dinkelacker: Das ist eine Frage, an die wir gemeinsam ganz objektiv rangehen. Kein Verein will seine Mitarbeiter, auch nicht den NLZ-Leiter, alle halbe Jahre austauschen. Wir müssen auch im Nachwuchs belastbare Strukturen schaffen beziehungsweise die vorhandenen Strukturen fördern. Insofern ist ein Für und Wider, das man abwägen muss. Und wir haben ja nach dem letzten Spiel am 10. Dezember Gott sei dank genug Zeit.

Warum hat man Alfred Kaminski nicht einfach auf seinem Posten als U-23-Coach und NLZ-Leiter gelassen, und für die erste Mannschaft einen neuen Trainer geholt? Dinkelacker: Die Frage stand sicherlich auch im Raum.
Mit welcher Antwort? Dinkelacker: Weil der Sportdirektor überzeugt davon war, mit diesem Trainer den richtigen Mann gefunden zu haben.

Eine Fehleinschätzung, wie frustrierend ist die Situation? Dinkelacker: Wir Verantwortlichen werden sicherlich auf gefühlt jeder Veranstaltung angesprochen. Aber es ist eben so: Im Erfolg werden die größten Fehler gemacht, da spreche ich die Situation vor der letzten Spielzeit an. Dies wollen und müssen wir korrigieren.

Von 91 Mannschaften in fünf Regionalligen steigen drei auf. Was macht Ihnen Hoffnung, dass dies gelingt, und muss es das? Dinkelacker: Für uns geht es jetzt darum, die Saison gut zu Ende zu spielen, das zarte Pflänzchen WFV-Pokal zu pflegen und die talentierte Mannschaft, die zum Großteil Zwei-Jahres-Verträge hat, weiter zu verbessern. Ob wir einen der ersten beiden Plätze erreichen müssen? Wir haben der ersten Mannschaft einen sehr ordentlichen Etat zur Verfügung gestellt. Klar ist aber auch: wir hinken aufgrund der sportlichen Ergebnisse dem Zuschauerschnitt weit hinterher. Genauso haben wir bei den Werbeeinnahmen noch nicht die erhoffte Marke erreicht, so dass es hier aufzuholen gibt.
Wie sehen die wirtschaftlichen Zahlen aus, die Sie am Montag präsentieren werden? Dinkelacker: Nicht gut – das Minus ist gewaltig. Das liegt natürlich zum Großteil am sportlichen Abschneiden. Letztendlich geht uns eine Million Euro durch Anlagevermögen verloren, weil die Spieler vertragslos waren.

Der Präsident sprach bei der letzten Hauptversammlung davon, auf einem Weg der finanziellen Gesundung zu sein. Das muss man jetzt wieder in Frage stellen. Dinkelacker: Wir haben in den letzten fünf Jahre, seit ich Vorsitzender des Aufsichtsrats bin, gute Aufbauarbeit geleistet. Auch in finanzieller Hinsicht war in der vergangenen Spielzeit keine positive Entwicklung zu verzeichnen – anders kann man es nicht sagen.

Würden Sie sagen, einen Verein zu führen ist schwieriger als in einem Unternehmen Personalentscheidungen zu treffen? Dinkelacker: Ja, weil Sie hier letztendlich 22 Einzelunternehmer haben, die in der ersten Mannschaft spielen. Jeder ist da tatsächlich eine Ich-AG. Vielleicht müssen wir auch die Führungsstärke und Mentalität der Spieler künftig mehr hinterfragen.

Noch ein Wort zu dem Investor Quattrex, dem immer wieder Einflussnahme vorgeworfen wird? Dinkelacker: Zum einen haben wir keinen Investor, dem Verein gehören alle Anteile. Ganz klar: Kein Geldgeber hat operativen Einfluss, vielleicht hätten diese sich von Michael Zeyer schon im Sommer getrennt. Quattrex hat einen Vertrag und den leben wir, was in schwierigen Situationen auch heißt, dass an zusammensteht und auf Ansprüche verzichtet. Es gibt jedenfalls keine Eingriffe ins operative Geschäft. Ständig muss ich diese Legenden lesen. Aber was ich Ihnen sagen kann. wir werden auch Änderungen im Aufsichtsrat vornehmen.
Was heißt das konkret? Dinkelacker: Mit dem Tag der Hauptversammlung wird Fabian Gerster sein Amt niederlegen, auch um den ständigen Fragen nach angeblichen Interessenskonflikten (als Angestellter bei Quattrex, d. Red.) aus dem Weg zu gehen.

Aber Christoph Dietrich bleibt? Dinkelacker: Auf so einen Aufsichtsrat kann ich gar nicht verzichten, wir brauchen sein Netzwerk und ihn als Kommunikator. Aber das bisher kooptierte Mitglied Lutz Meschke (Stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Vorstand Finanzen und IT der Porsche AG, Anm. de. Red.) wird für Fabian Gerster kandidieren – das ist die einzige Veränderung.

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Aufrufe: 018.11.2016, 18:45 Uhr
Stuttgarter Nachrichten / Klumpp und FreyAutor