2024-04-23T13:35:06.289Z

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Hat derzeit nicht viel zu lachen: Bundestrainerin Steffi Jones. 	Foto: dpa
Hat derzeit nicht viel zu lachen: Bundestrainerin Steffi Jones. Foto: dpa

»Stimmt ihre Philosophie?«

FRAUEN-FUSSBALL: +++ Stefan Keller, Trainer der FSG Usinger Land, über die Krise der Nationalelf und mögliche Folgen +++

Usingen. So richtig rund läuft es bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Frauen nicht. Nach dem überraschenden Aus im Viertelfinale bei der EM in Holland (1:2 gegen Dänemark) ging vor einigen Tagen auch noch das WM-Qualifikationsspiel gegen Island mit 2:3 verloren – die erste Niederlage in einem Qualifikationsspiel nach 26 Siegen in Folge. Trainerin Steffi Jones gerät zunehmend in die Kritik. Ist der deutsche Frauen-Fußball in der Krise? Und welche Auswirkungen hat dies auf das heimische Geschehen? Stefan Keller, Trainer des heimischen Frauen-Gruppenligisten FSG Usinger Land und seit zwölf Jahren im Frauen-Fußball aktiv, bezieht Stellung.

„Zunächst einmal sind wir durch die Erfolge der vergangenen Jahre extrem verwöhnt“, stellt der FSG-Coach klar. Dank der Ex-Trainerin Silvia Neid und herausragender Spielerinnen habe die Elf in der Vergangenheit alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. „Und sowohl wir als Zuschauer als auch die Reporter meinen dann immer, das geht so weiter“, kritisiert er die Erwartungshaltung an die aktuelle Mannschaft um Trainerin Jones. „Außerdem können auch andere Nationen Fußball spielen“, bennent er einen weiteren Aspekt, der den deutschen Fußballerinnen das Leben derzeit schwermacht.

Dennoch müsse sich in seinen Augen auch die Bundestrainerin, die als aktive Spielerin zwischen 1993 und 2007 111 Mal für Deutschland auflief, als Trainerin jedoch nur über sehr wenig Erfahrung verfügt, hinterfragen. „Ich kenne sie persönlich und sie ist sehr nett. Aber ist sie wirklich die Richtige? Stimmt ihre Philosophie? Da bin ich mir nicht sicher“, findet Keller kritische Worte. Vor allem missfällt ihm, dass die deutsche Mannschaft zu häufig durch die Mitte spielt und die Außenbahnen vernachlässigt. „Dabei weiß eigentlich jeder, der sich ein bisschen mit Fußball auskennt, dass dort der Schlüssel zum Erfolg liegt.“ Auch die vielen individuellen Fehler der Jones-Elf sind Keller aufgefallen. „Ich habe daher den Eindruck, dass das gesamte Paket nicht passt.“

Befürchtet er, dass die zuletzt eher mauen Leistungen der Nationalmannschaft auch auf den heimischen Frauen-Fußball Auswirkungen haben? „Wenn die Mannschaft eine WM gewinnt, identifiziert sich sicherlich das eine oder andere Mädchen damit und wird dazu animiert, selber Fußball zu spielen. Das ist im Moment natürlich nicht der Fall“, hat der FSG-Trainer festgestellt. Der Boom der vergangenen Jahre sei also ein „kleines bisschen“ rückläufig.

Dennoch sieht Keller den Frauen-Fußball insgesamt auf einem guten Weg. „Das Niveau ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – gerade auch im heimischen Bereich.“ Die Gruppenliga Frankfurt sei sogar eine der stärksten in Hessen. „Spielerinnen, die es beim FFC Frankfurt nicht schaffen, wechseln dann zu Vereinen im Umfeld wie etwa Bad Homburg oder Oberursel“, erläutert er.

Vielleicht findet sich bei den heimischen Klubs ja auch eines Tages ein Talent, das in die Fußstapfen einer Birgit Prinz, einer Kim Kulig oder einer Nia Künzer treten kann. „Solche Idole“, weiß Keller, „braucht der Fußball.“ Spätestens dann geht es sicherlich auch mit der Nationalmannschaft wieder aufwärts.



Aufrufe: 025.10.2017, 08:00 Uhr
Henning Schenckenberg (Usinger Anzeiger)Autor