2024-05-10T08:19:16.237Z

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„Wir müssen unsere Jungs ein bisschen bremsen“

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2000 Fans von Jeddeloh und VfB Oldenburg dürften am Sonntag für eine heiße Derby­stimmung sorgen. Der stark gestartete SSV sieht den Druck beim taumelnden Lokalrivalen.

Frage: Herr Schnabel, am Sonntag steht ab 15 Uhr in der der „53acht“-Arena an der Wischenstraße das erste Regionalliga-Derby zwischen SSV Jeddeloh und VfB Oldenburg vor der Tür. Kribbelt’s schon?

Ansgar Schnabel: Die Vorfreude ist sehr groß. Wir haben eine volle Hütte, 2000 Leute werden um unseren engen Platz stehen. Das erste Ligaspiel als Aufsteiger gegen den VfB ist ein Riesending. Das ganze Dorf, das Team, alle drumherum sind heiß.

Ansgar

Der 33-Jährige spielte in seiner aktiven Zeit in der Jugend und bei den Männern für den VfL Oldenburg. Im Jahr 2009 wechselt er dann von der Hunte an den Küstenkanal und trug als Stürmer einen großen Teil zum sportlichen Aufstieg des SSV Jeddeloh bei. Zur Saison 2016/17 hängte er die Fußballschuhe an den Nagel und trat seine Position des Sportlichen Leiters bei den Ammerländern an.

Frage: Und bei Ihnen, Herr Voigt? Ist die Vorfreude getrübt durch den schlechten Start?

Ralf Voigt: Wir haben vielleicht zwei, drei Spieler dabei, die eine Verbindung zum SSV haben. Alle anderen bekommen von der Rivalität wenig mit, daher ist das egal. Unsere Spieler freuen sich natürlich auf die Zuschauerzahl, auf ein enges Stadion. Wir müssen zusehen, dass wir beim SSV erfolgreich sind.

Frage: Wie entscheidend wird der Derbycharakter sein?

Voigt: Ich glaube, das kann man nicht mehr vergleichen mit den früheren Zeiten, das hat sich gewandelt. Heutzutage gehen die Spieler anders an so eine Partie heran. Wenn ich früher zum Beispiel gegen Osnabrück gespielt habe, war das etwas ganz anderes.

Frage: Wie war Ihre Einstellung in so einem Spiel?

Voigt: Hart. (lacht) Ich meine, natürlich wollen unsere Spieler auch etwas zeigen und beweisen. Aber ich glaube, dass diese Generation anders tickt. Früher hätte es schon auf dem Kabinengang geknallt.

Frage: Also sind Ihre Spieler heutzutage zu lieb?

Voigt: Lieb ist vielleicht das falsche Wort. Ein Beispiel: Beim 0:0 am Sonntag gegen Hildesheim werden unsere Spieler im Zweikampf gefoult, aber der Gegner schreit und bekommt den Freistoß. Wir müssen lernen, uns nicht alles gefallen zu lassen, müssen abgezockter agieren. Das fehlt einem Großteil der Mannschaft, weil viele noch nicht die Erfahrungen gemacht haben. Jeddeloh hat in den vergangenen Jahren in jedem Heimspiel einen Elfmeter bekommen – das ist Cleverness, das müssen wir lernen.

Ralf

Der 51-Jährige spielte in seiner aktiven Zeit unter anderem für den VfB Oldenburg, VfL Osnabrück, Wuppertaler SV, Fortuna Düsseldorf, Arminia Bielefeld und SV Meppen. Er coachte den SV Brake und den GVO, bis er 2015 das Amt des Sportliches Leiters beim VfB Oldenburg übernahm. Zwischenzeitlich arbeitete er als Teambetreuer für die Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VdV).

Schnabel: Moment mal, für die Regeln können wir ja nichts. Wenn man im Sechzehner gefoult wird, dann ist das ein Elfmeter. In der Meistersaison in der Oberliga haben wir viel Ballbesitz gehabt und sind oft in den gegnerischen Strafraum eingedrungen. Wenn unsere schnellen Stürmer dann gefoult werden, bekommt man halt Strafstöße.

Frage: Spielt der Heimvorteil eine Rolle? Die 1600 Heim-Fans werden Stimmung machen in den Zweikämpfen ...

Schnabel: Generell ist die Atmosphäre eh aufgeheizt, wenn 2000 Leute dicht am Feld stehen. Wir spielen zu Hause, wollen der Herr im Ring bleiben und natürlich unseren Heimvorteil nutzen.

Frage: Ist der – mit Verlaub – kleine SSV Favorit gegen den großen VfB?

Schnabel: Es wäre unglaubwürdig, wenn ich sagen würde, dass wir krasser Außenseiter sind. Wir haben dreimal in Serie gewonnen. Der VfB hat keinen guten Lauf. Auf dem Papier sind wir – was wir vor einem Vierteljahr niemals gedacht hätten – der Favorit.

Voigt: Der SSV ist ganz klar besser gestartet, das ist das, was schwarz auf weiß steht.

Frage: Was zeichnet ihn aus?

Voigt: (lacht) Elfmeter.

Frage: Und im Ernst?

Voigt: Der SSV hat eine gute Truppe, die nicht unsere Verletzungssorgen hat. So kann man sich besser einspielen.

Schnabel: Eins dazu: Uns fehlten am Sonntag beim 2:1 in Lüneburg neun Leute, da waren in Florian Stütz, Julian Harings, Peer Wegner, Julian Bennert, Alessandro Ficara und Mario Fredehorst wichtige und gestandene Spieler darunter. Wir sind breit aufgestellt mit 28 Spielern und haben das bisher aufgefangen.

Voigt: Ich beschäftige mich wenig mit dem SSV, denn wir haben jede Menge eigene Probleme. Uns fehlen 12 Spieler, wir haben 29 Mann im Kader. Aber wir wollen nicht jammern, jetzt haben andere die Chance, sich zu zeigen.

Frage: Was ist aktuell die größte Baustelle?

Voigt: Mit jedem Spiel, dass du nicht gewinnst, verlierst du an Selbstvertrauen – der Kopf spielt immer eine große Rolle.

Frage: Was hilft dagegen?

Voigt: Gewinnen.

Frage: Na klar, was noch?

Voigt: Wir müssen die Spieler heranführen, die nun einspringen, so dass sie auch Führungsaufgaben übernehmen. Und wir müssen die Präventionsmaßnahmen verbessern, damit die Verletztenseuche endlich ein Ende hat. Das müssen wir schnell schaffen.

Frage: Der SSV hat in dieser Saison einige enge Spiele gewonnen, der VfB nicht ...

Schnabel: Solche Siege bringen natürlich etwas für die Stimmung und den Kopf. Wir haben in jedem Spiel gesehen, dass wir was erreichen können. Wir sind auch nicht blutjung im Schnitt, haben eine gute Mischung. Wir wissen auch bei einem 0:2 in der 80. Minute, dass wir das Spiel noch drehen können.

Frage: Wenn man sich die Kader ansieht, sind viele Spieler, die früher beim VfB waren, nun beim SSV Leistungsträger. Tut das weh, Herr Voigt?

Voigt: Ein wenig.

Frage: Wirklich nur wenig?

Voigt: Ja, weil sie oder wir uns für einen anderen Weg entschieden haben – und dann ist das so. Nils Laabs zum Beispiel hätte ich vor einem Jahr gern weiter bei uns gesehen, auch Kevin Samide wollten wir behalten, aber er wollte nicht. Ich kann da nicht hinterherweinen, das bringt nichts. Wir müssen uns mit der aktuellen Lage befassen.

Frage: Herr Schnabel, kann sich der SSV Spieler leisten, die der VfB nicht bezahlen kann?

Schnabel: Beim VfB gab es vor rund einem Jahr mal den Tenor, dass die Spieler nicht arbeiten sollen. Wir können sie uns leisten, weil bei uns alle arbeiten.

Voigt: Moment. Wir haben nie gesagt, dass unsere Jungs nicht arbeiten dürfen – das ist Blödsinn. Wir haben 14 Studenten, mit Thorsten Tönnies jemanden, der in den Lehrerberuf eingestiegen ist – und so weiter. Das ist auch gar nicht anders möglich bei einem Regionalliga-Verein im Norden. Es ist nichts dran, dass bei uns nur Fußball zählt.

Schnabel: Wir suchen in der Umgebung – da stößt man zwangsläufig auf VfB-Spieler. Ich gebe aber nicht, wie ich häufiger als Vorwurf höre, bei Google „ehemalige VfB-Spieler“ ein. Es geht darum, dass sie in der Nähe wohnen, einen Job haben, fest im Leben stehen. Die Spieler können bei uns mit relativ wenig Aufwand Regionalliga spielen, dafür müssen sie natürlich eine hohe Qualität haben und fit sein.

Frage: Da ist Nils Laabs, der trotz seiner 33 Jahre und reduzierten Trainings in sehr guter Verfassung ist, wahrscheinlich ein gutes Beispiel ...

Schnabel: Genau. Nils ist durch seinen Polizei-Job einfach fit. Der ist nicht bei jedem Training, hat aber schon sechs Tore erzielt und ist ein wichtiger Spieler. Ein anderes Beispiel ist Shaun Minns. Er war beim VfB meist nur Einwechselspieler und ist bei uns – trotz geringeren Trainingsaufwands als beim VfB – ein klarer Leistungsträger.

Frage: Wie eng ist der Kontakt zwischen Ihnen?

Voigt: Die Trainer tauschen sich aus, zum Beispiel über die Gegner. Stephan Ehlers und SSV-Coach Key Riebau kennen sich lange und haben auch zusammen gearbeitet. Ansgar und ich telefonieren höchstens privat (lacht).

Schnabel: Als der VfB noch eine Liga über uns war, haben wir häufiger gesprochen, über Spieler, die es beim VfB nicht schaffen und eine Option für uns sind. Wenn es etwas zum Austauschen gibt, machen wir das. Zurzeit gibt es nicht viel, das Transferfenster ist zu.

Voigt: Vielleicht beharken wir uns mal bei einem Spieler, das kann immer mal passieren. Aber das ist in diesem Geschäft so, dann entscheidet letztlich der Fußballer. Wir haben da keinen Ärger.

Frage: Vor der Saison waren Sie beide an Addy-Waku Menga vom VfL Osnabrück interessiert, der früher unter Alexander Nouri beim VfB Regionalliga-Torschützenkönig war ...

Voigt: Wir haben mit Addy verhandelt, Jeddeloh hat mit Addy verhandelt – und Addy hat sich für Rehden entschieden. So läuft es nun mal. Wir werden da kein schlechtes Verhältnis miteinander bekommen, auch wenn wir uns nicht alles erzählen können.

Frage: Zurück zum Sportlichen: Muss der VfB in Jeddeloh unbedingt gewinnen?

Voigt: Wir brauchen jeden Punkt, so gehen wir auch ins Spiel. Wird es ein Zähler, nehmen wir den auch mit.

Schnabel: Der Druck liegt klar beim VfB. Wir können befreit aufspielen. Wir wollen gewinnen, ist doch klar. Wenn es dann ein Punkt wird, ist das je nach Verlauf auch okay.

Frage: Die Fanlager wollen aber natürlich ihre jeweilige Mannschaft siegen sehen?

Schnabel: Die Stimmung von außen wird heiß. Ich habe mit dem VfL einige Derbys gegen den VfB gespielt, da war es ähnlich. Auf dem Platz wird es noch heißer – das sind die Spiele, auf die man sich doch freut, auch als Verantwortlicher. Das wird Spaß machen.

Frage: Das hört sich ja doch nach richtig Derbyfeuer an ...

Voigt: Es wird ein Kampfspiel. Das meinte ich auch am Anfang nicht mit der veränderten Mentalität der Spieler. Bis zum Spiel hat sie sich verändert, auf dem Platz wird es ein Kampfspiel. Wir werden alles geben, was drin ist.

Schnabel: Wir müssen unsere Jungs wahrscheinlich ein bisschen bremsen. Nicht nur wegen der Fans, sondern auch wegen ihrer Vergangenheit. Wir wollen aber nicht nur kämpfen, sondern auch Fußball spielen, das gehört zu unseren Stärken. Ich kenne unsere Mannschaft: Es fallen eher mehr Tore als weniger.

Voigt: Wir wollen erst mal kein Gegentor bekommen, das ist wichtig – und dann selbst eines schießen.

Schnabel: Dann haben wir ja das gleiche Ziel (beide lachen).

Aufrufe: 020.9.2017, 10:30 Uhr
Lars Blancke und Jan Zur BrüggeAutor