2024-04-23T13:35:06.289Z

Ligabericht
Heiko Herrlich denkt nach eigener Aussage nur an das nächste Spiel – und will auch über nichts anderes sprechen. Foto: Eibner
Heiko Herrlich denkt nach eigener Aussage nur an das nächste Spiel – und will auch über nichts anderes sprechen. Foto: Eibner

SSV Jahn: Herrlich hält den Ball flach

Dem Trainer kommt das Wort „Aufstieg“ weiter nicht über die Lippen – eine Linie, mit der er bislang gut gefahren ist.

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Heiko Herrlich ist durch nichts zu überlisten. Seine Deckung steht unüberwindbar. Selbst Reporterfragen, in denen nur im vierten Nebensatz das Wort „Aufstieg“ vorkommt, wehrt er souverän ab. Der Trainer des SSV Jahn Regensburg lässt sich nicht auf den geringsten Kompromiss ein. Zwar steht seine Mannschaft fünf Spieltage vor Schluss auf dem zweiten Platz der 3. Liga und ist damit ein heißer Aufstiegskandidat, Herrlich lässt sich vom Blick auf die Tabelle aber nicht aus der Ruhe bringen – und aus dem Konzept schon gar nicht. „Wir schauen nur aufs nächste Spiel!“ – sein Leitspruch der vergangenen Wochen hat sich bewährt.

Das eine Spiel, auf das der SSV Jahn dieses Mal intensiv schaut, führt den Klub am Samstag – Anpfiff ist um 14 Uhr – zum SV Wehen Wiesbaden. Ein starker Gegner mit vielen tollen Spielern, meint Herrlich. Nur wenn sein Team voll da sei, werde es dort bestehen. „Wenn wir da einen Punkt holen, ist das schon eine tolle Leistung“, sagt er, „aber natürlich versuchen wir auch, drei Punkte zu holen“.

Nicht mitspielen kann Alexander Nandzik. Der Außenverteidiger zog sich am vergangenen Samstag beim Sieg gegen den SV Werder Bremen II einen Muskelbündelriss im Oberschenkel zu und wird bis zum Saisonende ausfallen. Für ihn rückt Marcel Hofrath ins Team. Er kam auch schon gegen Bremen ins Spiel, als Nandzik verletzt raus musste und hat da Herrlich zufolge „ordentlich Druck über die linke Seite gemacht. Ich habe vollstes Vertrauen zu ihm“. Hofrath habe in den vergangenen Monaten hart an sich gearbeitet, lobt der Coach, deswegen könne der Ausfall Nandziks mit ihm gut aufgefangen werden.


Doppelbelastung des Gegners

Dass Wehen unter der Woche ein Nachholspiel hatte, sieht Herrlich nicht als Vorteil für sein Team. Durchtrainierte Fußballer seien spätestens 48 Stunden nach dem Spiel körperlich wieder völlig erholt, erklärt er, „alles andere ist dann Kopfsache“. Wehen habe genügend erfahrene Spieler, die mit dieser zusätzlichen Belastung gut umgehen können. Von seiner eigenen Mannschaft hält Herrlich derweil alles, was irgendwie ablenken könnte, fern. Die 90 Minuten in Wiesbaden – das ist das Einzige, über das er sprechen will. Er hält sich nicht damit auf, durchzurechnen, wie viele Punkte es für den Aufstieg brauchen könnte oder überhaupt auf die Konkurrenten zu schauen: „Für mich ist der Fokus nur, wie wir unsere bestmögliche Leistung gegen Wehen auf den Platz bringen, alles andere interessiert mich im Moment nicht.“ Diese Haltung dürfte er auch seinen Spielern Tag für Tag beim Training einbleuen.

Die Art und Weise, wie sich die Mannschaft derzeit präsentiert, entlockt ihm aber zumindest ein ausdrückliches Lob. Das Verletzungspech der vergangenen Monate habe das Team zusammengeschweißt: „Ich denke, dass die Spieler verstanden haben, dass jeder gebraucht wird, dass jeder wichtig ist.“ Allzu verträumte Schilderungen von der heilen Welt beim SSV Jahn weist er aber zurück. Vom Traumbild der „elf Freunde“ müsse man sich verabschieden, da dürfe man nicht blauäugig sein, sagt er: „Wo Menschen miteinander zusammenarbeiten, wird es immer Spannungen, Egoismen und Eigeninteressen geben.“ Er fordere aber ein, dass dann, wenn es drauf ankommt, alle an einem Strang zieht: „Und da habe ich schon das Gefühl, dass derzeit sehr fokussiert und konzentriert gearbeitet wird.“ Bereits vergangenen Sommer gingen die Spieler des Jahn durch ein Stahlbad. Damals standen sie unter dem Druck, dass von ihnen die Meisterschaft in der Regionalliga erwartet wurde. Das Team hielt dem Druck stand und setzte sich auch noch in der Aufstiegsrelegation durch. Viele Spieler sind noch da. Einen Vorteil, dass sein Team bereits Erfahrungen in einem Titel- und Aufstiegskampf gesammelt hat, kann Herrlich aber nicht erkennen – ganz einfach aus dem Grund, weil er aktuell nicht von einem Aufstiegskampf sprechen will: „Ich spreche nur vom kommenden Spiel in Wehen. Für mich liegt der Fokus nur auf dieser Partie.“


Kalkulierte Tiefstapelei?

Ist das alles kalkulierte Tiefstapelei? Das weiß nur Herrlich. Eines ist aber gewiss: Der Trainer des SSV Jahn gewann als Spieler Titel in Serie und hat nun auch als Coach bereits einen Aufstieg in seiner Vita stehen. Er dürfte ganz genau wissen, wie er eine Mannschaft erfolgreich über die Ziellinie bringt – und baut schon mal für den Fall vor, dass sein Team am Samstag in Wehen gewinnt. „Ich weiß, was dann gesprochen wird, das akzeptiere ich auch.“ Mit dem „was“ meint er wohl einen möglichen Aufstieg. Doch selbst in diesem Satz kommt im das verpönte Unwort nicht über die Lippen. Er sagt nur das, was er sicher noch drei, vier Wochen sagen wird: „Wir sind gut beraten, wenn wir uns nur auf die nächste Aufgabe konzentrieren.“

Aufrufe: 021.4.2017, 21:30 Uhr
Von Jürgen Scharf, MZAutor