2024-04-19T07:32:36.736Z

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Nach 17 Jahren ist Harry Gfreiter raus beim SSV Jahn. Sein neues Berufsleben führt ihn in ein Sportgeschäft in Kelheim. Foto: Brüssel
Nach 17 Jahren ist Harry Gfreiter raus beim SSV Jahn. Sein neues Berufsleben führt ihn in ein Sportgeschäft in Kelheim. Foto: Brüssel

Kult-Harry geht mit "tiefer Wunde"

Nach 17 Jahren muss der Wahl-Lengfelder Harry Gfreiter den Jahn verlassen +++ Eine neue Aufgabe hat der 43-Jährige in Kelheim

Das Laub raschelt und wirbelt hoch. Harry Gfreiters Kinder Luca (9) und Noah (5) toben durch den Wald. „Mal bisschen rausgehen, Zeit hab’ ich dafür“, sagt Gfreiter. Lieber stünde er auf dem Fußballplatz, wie er es 17 Jahre lang beim SSV Jahn Regensburg tat, zunächst als Profi, danach als Trainer. Eine neue Aufgabe findet er jetzt in Kelheim: Er übernimmt die Sparte Sports- und Teamware in einem Sportgeschäft der Kreisstadt.

„Kult-Harry“ und Identifikationsfigur war er in den besten Zeiten. Am Ende stand vor einigen Wochen eine kühle einvernehmliche Trennung. „Wer wie tickt, merkst du erst, wenn du draußen bist“, sinniert der 43-Jährige, der nach dem Abstieg mit dem Jahn II aus der Bayernliga Mitte Juni die Kündigung erhielt. Über die nun endgültig vollzogene Vertragsauflösung will Gfreiter nicht reden. Wohl aber gibt er offen preis, wie es in ihm aussieht: „Es schmerzt. Ich habe den Job beim Jahn geliebt, sei es als Spieler oder Trainer und Co-Trainer. Der Schmerz bleibt, es ist eine tiefe Wunde.“ Man müsse sich nur vorstellen, was ein Arbeitnehmer empfinde, der nach 17 Jahren seinen Job verliere. „Vor allem habe ich für diesen Verein alles gegeben, war ständig mit Elan dabei. Ich stand in schwierigen Zeiten beim Jahn für Kontinuität.“ Und seien es auch nur kleine Zeichen der Beständigkeit. Am Regensburger Kaulbachweg, der Spielstätte des Jahn II, gibt es keine Schiedsrichterkabine. Trainer und Schiri müssen sich einen kleinen Raum teilen. An der Tür hängt ein Zettel mit der Aufschrift „Trainer/Schiedsrichter“. Im Raum steht allerlei, unter anderem eine Kaffeemaschine. Die hatte Gfreiter mal angeschafft, denn die Gaststätte oben ist nicht immer bewirtschaftet und Gfreiter ist ein Kaffee-Mensch. Auch andere durften sich für einen kleinen Obolus eine Tasse brühen.

Spieler wie Erik Thommy aufgestöbert

Am Kaulbachweg trainiert Gfreiter nun schon einige Monate nicht mehr. Das Jahn-Urgestein wurde im Juni entlassen. Gfreiter hatte zuletzt die U21, die zweite Mannschaft des SSV Jahn, betreut. Das Team hat den Klassenerhalt nicht geschafft und stieg aus der Bayern- in die Landesliga ab. Nun ist die Trennung zwischen dem SSV Jahn und Harry Gfreiter auch rechtlich vollzogen. „Wir haben das Arbeitsverhältnis in beiderseitigem Einvernehmen beendet“, sagt Gfreiter. Der 43-Jährige wurde zwar im Juni entlassen, hatte aber einen unbefristeten Arbeitsvertrag beim SSV. Auch der Verein bestätigt die Einvernehmlichkeit. Gfreiter mag gar nichts mehr zu dem Thema sagen – auch wenn es damals, als die doch recht kühl abgefasste Pressemitteilung des Vereins zirkulierte, nicht unbedingt nach einer einvernehmlichen Trennung geklungen hatte. „Das Thema Jahn ist ad acta gelegt“, erklärt er. „Für mich ist die Situation ähnlich wie auf dem Platz: Du bist hingefallen, du stehst wieder auf und musst positiv nach vorne blicken. Das entspricht meinem Naturell.“ Dass er einst zur Kultfigur hoch stilisiert wurde und nun ziemlich nüchtern abgesetzt wurde – geschenkt. „Es war eine geile Zeit, der Jahn hat mir viel gegeben und ich ihm.“ Unter anderem habe er gegeben: „Spieler wie Marco Grüttner oder der gefeierte Erik Thommy kamen durch mich beim SSV auf den Zettel.“

Solche Verdienste könnten ihm jetzt helfen, bei einer schwierigen Suche nach einem Trainerjob. Für eine beliebige Aufgabe will er sich nicht hergeben, „es sollte ein ambitionierter Verein sein mit Zielen nach oben“. In der laufenden Saison sind die meisten Jobs auf den Trainerbänken vergeben.

Mit Familie in Lengfeld bleiben

Darum orientierte sich der gelernte Industriemechaniker und Bürokaufmann auch anderweitig. Und brandaktuell am Donnerstag sagte er gegenüber unserem Medienhaus: „Ich fange bei Sport2000 in Kelheim an, nicht als klassischer Verkäufer, sondern als Koordinator für Sports- und Teamware für Vereine und Individualsportler.“ Sein erster Arbeitstag ist bereits der kommende Montag. In Lengfeld fand der gebürtige Allgäuer aus Frechenrieden, der über Wacker Burghausen und VfR Mannheim im Jahr 2000 zum Jahn kam, seine Wahlheimat. „Ich möchte meine Familie hier nicht rausreißen. Da müsste im Fußball schon ein sehr, sehr attraktives Angebot vorliegen, um über einen Umzug nachzudenken“, erklärt der verheiratete Familienvater, der freilich weiter am Fußballmarkt Ausschau hält. Pendeln wäre die wahrscheinlichere Alternative. Seine beiden Jungs kicken beim SV Lengfeld, wie der Papi bis 2015 auch, der beim aktuellen Kreisklassisten im Jahr 2009 ein überraschendes Comeback gab und bis vor zwei Jahren noch sporadisch aushalf. „Momentan ist das vordere Kreuzband angerissen. Ich plane nicht mehr mit aktivem Fußball, zumindest nicht im Spielbetrieb“, erklärt Gfreiter. „Aber ganz ausschließen will ich nichts.“

In der Continental-Arena war Gfreiter seit seiner Entlassung erst einmal. Beim Spiel des SSV Jahn gegen Dresden. Die Gefühlslage beschreibt Gfreiter als durchaus gemischt – und das lag nicht unbedingt daran, dass der Jahn mit 0:2 verlor. Auch bei „seinen Jungs“ der Zweiten hat er mal wieder zugeschaut, das 1:1 gegen Neukirchen Hl. Blut von der Tribüne aus verfolgt und mit dem einen oder anderen kurz gesprochen. Auch beim 2:1 gegen den TSV Bad Abbach am Sonntag war er Zaungast. Gfreiter zieht es förmlich da hin, wo er bisher fast sein ganzes Leben verbrachte: auf den Platz. Zu den Löwen des TSV 1860 München oder nach Ingolstadt hat es den A-Lizenzinhaber ebenfalls verschlagen in der letzten Zeit. „Lernen kann man beim Zuschauen immer was, und es geht für mich auch darum, nicht aus der Szene weg zu sein.“ Selbst am Rande des Lengfelder Geläufs sieht man ihn.

Eine Verabschiedung lehnte er ab

Dass der Jahn, auch ohne Gfreiters Zutun, trotz allem immer wieder zum Thema in seinem Leben gemacht wird, dagegen kann er sich kaum wehren. Natürlich wird er auf den Jahn angesprochen, wenn er in der Stadt unterwegs ist. Gfreiter ist in Regensburg bekannt wie der berühmte bunte Hund, war lange ein Aushängeschild des Vereins, war Spieler, Teamkoordinator, Co-Trainer, Jugendtrainer, Mädchen für alles, war auch für die Sponsorenakquise gut, und hielt dem Verein – ob in der Bayernliga oder in der 2. Liga – die Treue. „Es waren halt doch 17 Jahre. Das halbe Jahr, als ich zwischendrin bei Feucht war, das rechne ich nicht mit“, sagt er. Und verstecken mag er sich auch nicht. „Ich bin entlassen worden, aber ich habe ja nichts verbrochen“, sagt Gfreiter. Natürlich wird er dann auch gefragt, wie es weitergeht. Mit und auch dank seiner Familie, seiner Frau Kathi und den zwei Kindern, hat er in der Region Wurzeln geschlagen. Die Nähe zur Wahlheimat ist ihm wichtig, kann aber kein entscheidendes Kriterium sein. „Fußball ist kein Wunschkonzert. Ich kann schlecht sagen, ich betreue nur eine Mannschaft, die zehn Kilometer vor meiner Haustür spielt.“ Es kann also gut sein, dass man von Harry Gfreiter mittelfristig wieder hört. Vom Jahn wurde ihm übrigens eine Verabschiedung angeboten. Aber das hat Kult-Harry abgelehnt. Gfreiter bestritt allein in der ersten Mannschaft 135 Spiele für die Oberpfälzer und wurde außerdem in die Jahrhundert-Elf des Klubs gewählt. Aber was hält schon für die Ewigkeit? Es ist wie mit dem Laub: Irgendwann fällt es ab und verliert Farbe.

Aufrufe: 013.10.2017, 15:00 Uhr
Birgit Pinzer und Martin RutrechtAutor