2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Coach Mersad Selimbegovic (li.) mit seinem dienstältesten Akteur Oliver Hein.
Coach Mersad Selimbegovic (li.) mit seinem dienstältesten Akteur Oliver Hein. – Foto: Florian Würthele

Karriereende beim Jahn - Warum, und was kommt dann?

Im zweiten Teil des großen Interviews mit der niederbayerischen Jahn-"Legende" Oli Hein erklärt der 30-Jährige seinen baldigen Abschied vom Klub seines Herzens und warum er seinen Lebensmittelpunkt nach Dingolfing verlagert hat

Abschiedsgedanken und die Frage: Was kommt danach? Im zweiten Teil des großen Interviews mit Oliver Hein erzählt der 30-Jährige, warum für ihn nächstes Jahr beim SSV Jahn Schluss sein wird, und warum dabei das tägliche Treppensteigen keine unwesentliche Rolle spielt. Zudem hat der gebürtige Salchinger (Lkr. Straubing-Bogen) schon klare Pläne, was er in Zukunft machen will - und so viel sei verraten: Es hat eher weniger mit dem runden Leder zu tun...

FuPa: Oliver, der Jahn hat in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt. Was war das sportliche Highlight schlechthin für dich?
Rein sportlich definitiv die drei Aufstiege, die ich mit dem Jahn miterleben durfte. In der Relegation gegen Karlsruhe waren wir der absolute Underdog. Wir wussten natürlich, wie extrem schwer diese beiden Spiele werden würden und dass wir unser Bestes geben müssen, um den Aufstieg am Ende auch zu schaffen. Durch mein Tor im Rückspiel zum 1:0 hat der Aufstieg für mich nochmal einen anderen Stellenwert bekommen. In erste Linie aber auch deshalb, weil es am Ende des Tages schon überraschend war, als Abstiegskandidat Nummer eins, der wir für viele zu Beginn der Saison waren, die Relegation zur zweiten Liga zu erreichen und dann eben auch für uns zu entscheiden.

Da kann man sich als Gegenspieler schon mal ärgern: Oliver Hein (mi.) zieht dynamisch davon.
Da kann man sich als Gegenspieler schon mal ärgern: Oliver Hein (mi.) zieht dynamisch davon. – Foto: Florian Würthele



Welchen Moment wirst du nie vergessen?
Als allerschönsten Moment würde ich allerdings den Aufstieg aus der Regionalliga wählen, weil das Ganze noch einmal unter ganz anderen Vorzeichen stand. Nach dem Abstieg in die Regionalliga war es unser großes Ziel, die Saison in der Regionalliga Bayern als Meister abzuschließen und dann über die Relegation aufzusteigen. Es war dahingehend der größte Druck, den ich persönlich in einer Saison erlebt habe, weil wir selbst auch den Anspruch an uns hatten, aufsteigen zu müssen, um auch die Existenz des Jahn über die Jahre hinweg zu sichern. Auch extern war der Anspruch an uns natürlich enorm hoch, aber nach dem damaligen Aufstieg im neuen Stadion fiel dieser ganze Druck dann komplett ab. Das war einer der glücklichsten Momente meiner Karriere, weil wir dadurch den bitteren Abstieg aus dem Vorjahr wieder wettmachen konnten und den Menschen in und um Regensburg herum gezeigt haben, dass der Jahn ein Verein ist, auf den man stolz sein kann.

Freud und Leid lagen bei dir im April 2018 extrem nah beisammen.
Ganz persönlich war für mich mein erstes Comeback nach meiner schweren Knieverletzung ein besonders schöner Moment. Ich stand im April 2018 gegen St. Pauli nach langer Leidenszeit wieder bei einem Heimspiel im Kader und wurde kurz vor Schluss sogar eingewechselt. Vor dem Spiel hatte die Hans Jakob Tribüne eine Choreografie für mich vorbereitet. Eine ganz besondere Ehre und mit der emotionalste Moment meiner Karriere. Wenige Tage darauf habe ich mir leider erneut eine Patella-Luxation zugezogen, das war umso bitterer. Aber die positiven Emotionen bei meinem Comeback werde ich nie vergessen.

Nicht vielen Spielern wird per Spruchband in der Fankurve gehuldigt. Die Anhänger des SSV Jahn wissen, was Oli Hein geleistet hat.
Nicht vielen Spielern wird per Spruchband in der Fankurve gehuldigt. Die Anhänger des SSV Jahn wissen, was Oli Hein geleistet hat. – Foto: Günter Staudinger


Beim Comeback im April 2018 prangte ein riesiges Konterfei von Oli Hein in der Fankurve.
Beim Comeback im April 2018 prangte ein riesiges Konterfei von Oli Hein in der Fankurve. – Foto: Günter Staudinger

Schwere Knieverletzungen haben dir in den letzten Jahren zugesetzt. Was war deine Motivation, dich immer wieder zurückzukämpfen? Gab`s einen Moment, in dem du hinwerfen wolltest?
Natürlich war es keine leichte Zeit, aber den Moment, in dem ich darüber nachgedacht hätte alles hinzuwerfen, gab es währenddessen eigentlich nie. Für mich war es wichtig, immer mein Bestes zu geben, um der Mannschaft und dem gesamten Klub so schnell wie möglich wieder helfen zu können. Wenn man Woche für Woche sieht, mit welchem Einsatz und welcher Leidenschaft die eigene Truppe auf dem Platz steht, will man natürlich ein Teil davon sein. Die Verletzungen hatten, wenn man so will, dahingehend aber auch etwas Positives, weil ich den sportlichen Alltag immer mal wieder aus einem Blickwinkel betrachten konnte. Diese Perspektive hat man als Profi sonst normal nicht, wenn man mittendrin ist. Ich habe in der Zeit dann auch das Gespräch mit meinen Mannschaftskollegen gesucht und meine Erfahrungen und auch meine Eindrücke als quasi Außenstehender eingebracht, einfach, um trotz meiner Verletzung weiterhin meinen Beitrag für die Mannschaft, den Verein und auch für unsere Fans leisten zu können.

– Foto: Günter Staudinger


Wie sähe das perfekte Ende deiner Jahn-Laufbahn aus?
Ich würde zum Abschluss meiner Karriere gerne in den kommenden beiden Saisons den Klassenerhalt erreichen, um den Jahn noch nachhaltiger in der zweiten Liga zu etablieren. Wenn wir es weiterhin schaffen, eine Mannschaft zu stellen, die den gleichen begeisternden Fußball spielt wie bereits in den vergangenen Jahren, kann ich meine Schuhe auch guten Gewissens an den Nagel hängen. Im Moment befinden wir uns auf einem guten Weg und für mich geht es im kommenden Jahr einfach darum, mein Bestmögliches dafür zu tun, dass der Jahn sportlich und wirtschaftlich gesehen weiterhin genauso gut oder sogar noch besser dasteht.



Du hast angekündigt, deine Karriere 2021 beenden zu wollen – dann im immer noch relativ jungen Alter von 31 Jahren. Warum der Schritt?
Das hatte verschiedene Gründe. Einerseits möchte ich meine zweite berufliche Karriere mehr in den Fokus rücken und andererseits spielt natürlich auch meine Gesundheit, nach meinen Verletzungen in den letzten Jahren, eine gewisse Rolle. Wenn man durch die ganzen Knieverletzungen in meinem Alter schon beim Treppensteigen Schmerzen hat, geht das dann irgendwo auch an die eigene Substanz. Und da ich generell ein sehr sportbegeisterter Mensch bin, möchte ich auch nach meiner aktiven Karriere weiterhin in der Lage sein, so gut wie möglich sportlich tätig sein zu können. Mit meinem Karriereende habe ich 2021 dann nicht nur die Möglichkeit, für mich persönlich einen Wechsel anzupeilen, sondern das gibt dann auch anderen Spielern noch mehr die Chance, in die Rolle hineinzuwachsen, die ich in den zurückliegenden Jahren beim SSV Jahn selbst ausgefüllt habe.

Karriere nach der Karriere: Hein will ein Osteopathiestudium aufnehmen.

Hast du schon berufliche Pläne für deine Zeit nach dem professionellen Fußball?
Der aktuelle Plan ist, nach meiner Spielerkarriere ein Osteopathiestudium in Angriff zu nehmen. Das war bisher immer etwas, das für mich persönlich parallel zum Fußball und zum Privatleben nicht unter einen Hut zu bringen war. Da hab ich mir dann auch immer wieder die Frage gestellt, wann ich diesen Schritt wagen möchte, und der ist nun 2021 für mich gekommen.


Zu guter Letzt: Schaust du noch öfters bei deinem Heimatverein in Salching vorbei? Und könntest du dir vorstellen, in absehbarer Zeit im Straubinger Fußball mitzumischen?
Ich war schon länger nicht mehr bei einem Spiel beim SV Salching dabei, auch weil ich einfach nicht mehr so häufig zuhause bin und sich mein privater Lebensmittelpunkt etwas nach Dingolfing, wo meine Frau und ich mittlerweile leben, verschoben hat. Man soll im Fußball niemals nie sagen, aber im Moment kann ich mir nicht vorstellen, zeitnah nach meinem Karriereende im Amateurfußball tätig zu sein. Für mich ist es auch wichtig, nach 2021 ein bisschen Abstand zu gewinnen, da der Fußball ja doch schon seit meiner Jugend ein täglicher Begleiter war. Die neu gewonnene Freizeit, die durch den Wegfall des Fußballeralltags entstehen wird, möchte ich einfach nutzen, um vieles besser reflektieren zu können und mir einfach bewusst zu machen, was in meiner Karriere und vor allem auch in der Zeit beim Jahn alles passiert ist.

Das Interview führte Mathias Willmerdinger.

Aufrufe: 03.6.2020, 15:30 Uhr
Mathias WillmerdingerAutor