2024-05-08T14:46:11.570Z

Ligabericht
Jahn-Coach Alexander Schmidt (rechts) muss weiter um seinen Job bangen, selbst wenn ihm Sportchef Christian Keller noch den Rücken stärkt: "Der Trainer macht gute Arbeit."  Foto: Eibner
Jahn-Coach Alexander Schmidt (rechts) muss weiter um seinen Job bangen, selbst wenn ihm Sportchef Christian Keller noch den Rücken stärkt: "Der Trainer macht gute Arbeit." Foto: Eibner

Jahn: Für Schmidt wird die Luft dünn

Der Regensburger Drittligist verliert auch in Osnabrück +++ Am Dienstag tagt nun der Aufsichtsrat +++ Der Trainer dürfte da zur Debatte stehen

Die Chronisten des SSV Jahn Regensburg haben im besten Fall am Samstag das eine oder andere Foto mehr geschossen. Erinnerungen an die Fahrt des Klubs zum Auswärtsspiel in Osnabrück könnten bald begehrt sein. Schließlich weiß derzeit niemand so genau, wie die Reisegruppe des Jahn in zwei Wochen nach der Länderspielpause aussehen wird. Die 0:2-Niederlage beim VfL hat die Situation beim Fußball-Drittligisten weiter verschlimmert. Am Dienstag tagt nun der Aufsichtsrat. Da dürfte ohnehin alles auf den Prüfstand gestellt werden - und die Position des glück- und erfolglosen Trainers Alexander Schmidt sowieso.
Nun ist das halbe Dutzend voll. Mit dem 0:2 in Osnabrück hat der Jahn bereits sechs Ligaspiele in Folge verloren. Seit fünf Spielen hat er nicht einmal mehr ein Tor erzielt. Die Situation in der Tabelle ist niederschmetternd. Der Jahn bleibt auf dem letzten Platz stehen. Da die anderen Teams ab und an punkten, wird die Kluft in sichere Regionen immer größer. Zum 15. Tabellenlatz sind es nun bereits sieben Punkte Abstand. Nicht zuletzt wegen des Stadionneubaus dürfte den Vereinsverantwortlichen da derzeit angst und bange werden. Ein Abstieg wäre aber auch ganz losgelöst von dem 53 Millionen Euro teuren Projekt der Kommune eine Katastrophe.

Guter Start, aber keine Tore

Ein Sieg oder zumindest ein Punktgewinn in Osnabrück wäre da ein wichtiges Lebenszeichen der Mannschaft gewesen. Doppelt bitter, dass sie davon gar nicht soweit entfernt war. Couragiert und spielfreudig begannen die Regensburger im Stadion an der Bremer Brücke. Thomas Kurz und vor allem Andy Güntner, der frei vorm VfL-Tor auftauchte, hatten gleich gute Torchancen, konnten diese aber nicht verwerten. Die Osnabrücker waren offensichtlich etwas verblüfft, wie selbstbewusst das Tabellenschlusslicht zu Werke ging und brauchten einige Zeit, um sich zu fangen. Ab Mitte der ersten Hälfte gaben die Gastgeber aber Gas. Menga und Thee hatten dicke Möglichkeiten, scheiterten aber beide am wieder einmal gut aufgelegten Jahn-Keeper Dominic Bergdorf.Ohne Tore ging es in die Pause, danach erhöhten die Osnabrücker das Tempo noch einmal. Die Regensburger konnten sich kaum noch befreien. Nach einer Stunde lag der Ball dann im Jahn-Tor. Osnabrücks Feldhahn hatte in die Mitte geflankt. Dort setzte Kandziora einen präzisen Kopfball ab, gegen den Bergdorf chancenlos war.

Den Ausgleich auf dem Schlappen

Der Jahn zeigte sich vom Rückstand zunächst wenig geschockt, sondern kam sogar wieder etwas besser ins Spiel. Wirklich in Bedrängnis kam die VfL-Abwehr in dieser Phase aber nicht, da der Jahn zwar gefällig kombinierte, in der entscheidenden Zone, dem gegnerischen Strafraum, aber einfach zu harmlos war. Doch siehe da, als kaum noch jemand damit gerechnet hatte, kam der Jahn doch noch richtig gefährlich vors Osnabrücker Tor - und das gleich zweimal. Daniel Franziskus und Zlatko Muhovic hatten beide den Ausgleich auf dem Schlappen, scheiterten aber kurz nacheinander am starken VfL-Keeper Fernandes. Osnabrücks Addy Menga machte es auf der anderen Seite besser. Er jagte den Ball in der Schlussminute nach einem Freistoß zum 2:0 und zur endgültigen Entscheidung für den VfL ins Netz.Das nackte Ergebnis ist der nächste harte Tiefschlag fürs ohnehin arg gebeutelte Jahn-Lager. Sportchef Christian Keller redete zuletzt auch nicht mehr drumherum, dass der Klub im Abstiegskampf angekommen sei. Beim Spiel in Osnabrück will er nun zumindest positive Ansätze erkannt haben: ,,Es hat sich keiner aufgegeben. Es war wieder mehr Leben in der Mannschaft. Das ist der richtige Weg, selbst wenn das Ergebnis wieder nicht gestimmt hat."

Am Dienstag muss Keller bei einer Sitzung des Aufsichtsrats über die sportliche Situation berichten. Das Kontrollgremium des Klubs wird von ihm einen Plan hören wollen, wie der Verein aus dem Schlamassel wieder heraus kommt. Dass auch über Trainer Alexander Schmidt diskutiert werde dürfte, versteht sich im Fußballgeschäft fast von selbst. ,,Fußball ist ein Ergebnissport. Derzeit ist es leider so, dass unser Trainer gute Arbeit macht, die Ergebnisse aber nicht gut sind", sagt Keller, der nach eigener Aussage aber nicht den Eindruck habe, dass der Coach aufstecke: ,, Alexander Schmidt ist definitiv nicht amtsmüde. Er geht jeden Tag mit vollen Einsatz und gutem Charakter an seine Aufgabe heran, damit die Ergebnisse schnell wieder besser werden." Ob diese Worte Schmidt den Job retten werden? Der Coach selbst wollte auch nach der Niederlage in Osnabrück nicht auf die Spieler einhauen: ,,Ich kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Sie hat gut dagegengehalten und kämpferisch überzeugt." Am Ende, dies räumte Schmidt allerdings offen sein, sei sein Team aber nicht stark genug gewesen, um beim VfL Punkte mitzunehmen.

Irritation um Fragebogenaktion

Es spricht für Schmidt, dass er in stürmischen Tagen die Fassung bewahrt. Dabei musste er zuletzt wundersame Sachen erleben. Vergangenen Mittwoch machte Vorstandschef Hans Rothammer öffentlich, dass er acht Spieler schriftlich zur Arbeit des Trainers befragt habe. Diese sei zwar gut bewertet worden, den Coach dürfte es dennoch zumindest irritieren, dass die Spieler über seine Leistung befinden dürfen. Keller will Zündstoff aus der Debatte nehmen und sagt, dass er und auch der Trainer selbst in diese Aktion eingeweiht worden waren. Prinzipiell würde er es auch ,,wichtig finden, die Meinung und Stimmungen seiner Mitarbeiter einzuholen". Zumindest der Umstand, dass die Maßnahme öffentlich ausgeplaudert und die Autorität des Trainers damit untergraben wurde, durfte dem Sportchef aber ganz und gar nicht gefallen haben.

Schlägt bald die Stunde Null?

Die Jahn-Fans dürfte derweil nachdenklich stimmen, dass bei den Spielern derzeit bereits etwas Resignation herauszuhören ist. ,,Wir haben das gezeigt, was man unter den Umständen von uns erwarten kann. Es hätte zum Punktgewinn reichen können, die Möglichkeiten besaßen wir. Aber letztlich spiegelt dieses Spiel auch unsere gegenwärtige Situation wider", sagte Gino Windmüller nach der Partie in Osnabrück. Für die Spieler könnte es in diesen Krisenzeiten selbst ans Eingemachte gehen. Der Verein hat angekündigt, in der Länderspielpause zu handeln und Verstärkungen zu holen. Vor allem in der Abwehr, doch auch in der Offensive hätte das Team Bedarf. Wenn auch noch ein neuer Trainer kommen sollte, stünden die Uhren beim Jahn endgültig wieder auf Null. Am Dienstag werden wichtige Entscheidungen fallen. Eine Entlassung Schmidts wäre pikant, da der Klub jüngst bereits durch Abfindungsstreitereien mit ehemaligen Angestellten in den Schlagzeilen war. Keller wollte sich gegenüber der MZ nicht dazu äußern, ob bei Schmidt entsprechende Klauseln für eine kostengünstige Vertragsauflösung eingearbeitet wurden. Die billigste Variante wäre es im Fall der Fälle sowieso, wenn der Klub einen Nachfolger aus den eigenen Reihen rekrutieren würde. Co-Trainer Harry Gfreiter ist genauso wie Keller selbst im Besitz der A-Lizenz, dürfte das Profiteam also übergangsweise trainieren. Marcus Jahn, ebenfalls Co-Trainer und zudem Nachwuchskoordinator, hat die A-Lizenz und macht derzeit sogar den Fußballlehrerschein, könnte also problemlos in die erste Reihe wechseln.


So oder so - die nächsten Tagen dürften beim Jahn stürmisch werden. Dass die Geier quasi schon über dem Prüfeninger Stadion kreisen, lässt eine Geschichte Kellers erahnen: ,,Das Fußballgeschäft ist ein Haifischbecken. Ich bekomme seit drei Wochen bereits Bewerbungen von anderen Trainern. Das finde ich nicht gerade löblich, weil solche Trainer genau das tun, was sie bei anderen kritisieren, wenn sie selbst in einem Amt sind."

Aufrufe: 05.10.2014, 20:00 Uhr
Von Jürgen Scharf, MZAutor