2024-05-08T14:46:11.570Z

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Der SSV Jahn Regensburg steht vor einer guten Zukunft.  Foto: Leifer
Der SSV Jahn Regensburg steht vor einer guten Zukunft. Foto: Leifer

Das Fußball-Märchen des Jahn Regensburg

Hinter dem Jahn liegt ein Märchen, in dem es auch bittere Rückschläge gegeben hat, am Ende aber ein Happy-End steht. 

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Es war einmal ein Fußball-Klub, der in die Regionalliga abstieg. Alle weinten und keiner wollte an die Zukunft denken. Dann wurde ein neues Stadion eröffnet, es kamen ein paar gute Spieler, dazu ein Trainer, der alles aus dem Team rausholte – und alles wurde gut. Es ging sogar noch schneller wieder nach oben, als es zuvor nach unten gegangen war.

Es ist in der Tat ein Fußball-Märchen, das der SSV Jahn in den vergangenen zwei Jahren geschrieben hat. Ein Märchen, in dem es auch bittere Rückschläge gegeben hat, am Ende aber ein Happy-End steht.

Vielleicht war es der 16. Juni 2015, an dem alles seinen Anfang nahm. Der SSV Jahn startete an diesem Tag mit einem öffentlichen Training in die neue Saison. Dabei gab es keine Musik, keinen Moderator, kein Einlaufen der Spieler oder eine Vorstellung der Neuzugänge. Nein, nicht einmal ein Bratwurst-Stand war aufgebaut worden. Still und bescheiden wirkte es, wie sich der Jahn präsentierte. Die Emotionen rund um den Verein, erklärte Geschäftsführer Christian Keller damals, seien „derzeit sicher nicht so gelagert, dass wir hier jetzt eine große Show abziehen wollten“. Nur wenige Wochen zuvor war der Klub aus der 3. Liga in die Regionalliga abgestiegen. Amateurfußball – und das ausgerechnet vor der Saison, in der der Klub sein neues Stadion bezog.

Das neue, zurückhaltende Auftreten tat dem Verein gut. Es dauerte ohnehin noch lange, bis die Mannschaft das Vertrauen der Fans zurückgewonnen hatte. Auch in der Regionalliga wollte es zunächst nicht richtig rund laufen. Die legendäre Niederlage beim TSV Buchbach am 3. April 2016 markierte den Tiefpunkt. Daraufhin krachte es im Klub gewaltig. Keller und Trainer Heiko Herrlich schenkten den Spielern reinen Wein ein: Wer nicht alles für den SSV Jahn gibt, kann sich im Sommer einen neuen Arbeitgeber suchen. Die Botschaft kam an, das Team riss sich zusammen. Seitdem geht es aufwärts.

„Wir haben ein geiles Team und einen geilen Coach.“ Kolja Pusch hatte am Dienstagabend nicht nur ein tolles Tor geschossen, er brachte nach der Partie auch das Wir-Gefühl beim Jahn auf den Punkt. Dass er dabei den Trainer explizit lobte, ist bemerkenswert. Schließlich wurde Pusch nicht immer das beste Verhältnis zu Herrlich nachgesagt. Der ließ den technisch beschlagenen Angreifer einige Wochen auf der Ersatzbank schmoren. Fast wie als ob er ihn dadurch auf den Punkt anstacheln wollte, ließ Herrlich Pusch auf der Zielgeraden der Saison dann wieder von der Leine. Der zeigte nun Top-Leistungen.

Es ist ein Fußball-Märchen, das der SSV Jahn in den vergangenen zwei Jahren mit zwei Aufstiegen geschrieben hat. Nur heile Welt war beim Klub in dieser Zeit aber beileibe nicht. Nachdem die Mannschaft in der Vorrunde in der Regionalliga die Erwartungen nicht ganz erfüllte, musste Trainer Christian Brand gehen. Ihm wurde ein zu enger Draht zur Mannschaft nachgesagt. Es kam Herrlich. Einer, der den Spielern mit mehr Distanz und Autorität entgegentreten sollte. Der Ex-Nationalspieler griff durch und nahm auf Befindlichkeiten einzelner wenig Rücksicht. Er bleute seinen Spielern die Bedeutung der vier D-Wörter ein: Demut, Dankbarkeit, Durchhaltevermögen und Disziplin. Und letztlich gehe es sowieso nur um den Verein, der stehe ganz oben, führte Herrlich immer und immer wieder aus. Auch am Dienstagabend, nach dem Spiel, im Moment des bisher größten Triumphs in seiner Trainerkarriere, blieb der Ex-Nationalspieler zurückhaltend. Fast, als ob er ein wenig Angst davor hätte, zu übermütig aufzutreten. Zum Erfolg meinte er nur: „Ich freue mich, heute ein Teil davon sein zu dürfen.“

Den größten Sturm der jüngeren Vergangenheit erlebte der Klub vor fünf Monaten. Damals wurde der Klub öffentlich in die Regensburger Korruptionsaffäre verstrickt. Der langjährige Hauptsponsor Volker Tretzel kam wegen Bestechungsvorwürfen in Untersuchungshaft, ebenso wie der Aufsichtsratsvorsitzende des Vereins, Oberbürgermeister Joachim Wolbergs. Jahn-Vorstandschef Hans Rothammer sagte damals, dass es nun „eine große Herausforderung ist, den Jahn aus dieser schweren Zeit herauszubringen“.

Nun scheint sich zumindest einiges wieder zum Guten gewendet zu haben. Das Geld, das durch den Ausstieg Tretzels plötzlich fehlte, sei anderweitig aufgetrieben worden, sagen Rothammer und Keller. In der kommenden Saison, in der 2. Liga, dürfte der Verein durch das fast Zehnfache an Fernsehgeld, das er nun einnimmt, ohnehin keine Finanzprobleme mehr haben.

Zunächst genießen die Menschen vom Jahn aber erst einmal das Hier und Jetzt. Geschäftsführer Keller hatte dabei schon vor dem entscheidenden Spiel in München eine ganz besondere Stimmung gespürt: „Jeder hatte so eine tiefe innere Freude gehabt, dass er heute hier dieses Spiel machen darf und wir uns über die vergangenen zwei, drei Jahre das erarbeitet haben, dass wir heute hier stehen.“

Beim Jahn wollen sie nun gemeinsam ihr Märchen weiterschrieben. Das nächste Kapitel wird das Abenteuer in der 2. Liga sein – und das dürfte ein spannendes werden. Da passt es gut, dass am Dienstagabend, im Rausch der Gefühle, wichtige Personalentscheidungen gleich auf dem kurzen Dienstweg erledigt wurden. Kurz vor der Abfahrt des Mannschaftsbusses vor der Münchner Arena wurde Pusch, einer der wenigen Leistungsträger, der noch keinen Vertrag für die kommende Saison, gefragt, wie es denn weiter geht. „Ich will auf jeden Fall bleiben. Ich muss da noch mit dem Christian Keller sprechen, aber ich glaub er will auch mit mir verlängern“, erzählte er offenherzig. Ein paar Minuten später kam Keller raus und bestätigte: „Da sind wir uns schon einig.“ Und dann düste der Teambus ab Richtung Regensburg – und in Richtung einer Zukunft, die für den Jahn eine richtig gute werden könnte.

Aufrufe: 01.6.2017, 07:00 Uhr
Jürgen ScharfAutor