2024-05-10T08:19:16.237Z

Ligabericht
Geschafft! Die Jahn-Spieler lassen 2012 nach dem Aufstieg ihren Trainer Markus Weinzierl hochleben. Foto: dpa
Geschafft! Die Jahn-Spieler lassen 2012 nach dem Aufstieg ihren Trainer Markus Weinzierl hochleben. Foto: dpa

Auf den Jubel folgte der Absturz

Zweimal stieg der Jahn in diesem Jahrtausend in die 2. Liga auf, zweimal ging’s sofort wieder runter. Protagonisten erzählen.

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Ernst Middendorp zog alle Register. Der Trainer des FC Augsburg stichelte und provozierte, wo es nur ging. Zunächst wurde das rege Interesse seines FCA an der Verpflichtung diverser Regensburger Leistungsträger, speziell der Stürmer Vlado Papic und Andras Tölcseres, kolportiert. Je näher das finale Duell mit dem SSV Jahn rückte, desto mehr versuchte der renommierte Ex-Bundesligacoach Middendorp die Atmosphäre anzuheizen. Allein, die Psychospielchen fruchteten nicht: Der von Günter Sebert trainierte SSV Jahn gewann am 17. Mai 2003 im proppenvollen Stadion an der Prüfeninger Straße mit 1:0 (Torschütze: Tölcseres) gegen Middendorps Team und hielt Augsburg auf Distanz. Middendorp schäumte.

Als Tabellenzweiter, punktgleich, mit der SpVgg Unterhaching, stiegen die Regensburger am Saisonende aus der Regionalliga Süd in die 2. Fußball-Bundesliga auf. Nach 26-jähriger Abstinenz meldete sich der Jahn in der Zweitklassigkeit zurück. Der Sprung ins deutsche Fußball-Unterhaus sollte 2012 erneut gelingen, diesmal unter dem heutigen Schalker Coach Markus Weinzierl. Indes: Es blieb in diesem Jahrtausend bislang bei jeweils einjährigen Intermezzi in Liga zwei, die Abstiege folgten auf dem Fuß. Beim Spiel am Samstag in Münster wird sich weisen, ob der aktuelle Drittliga-Dritte über die Relegation den dritten Anlauf starten kann. Bemerkenswert und facettenreich waren die beiden vergangenen Aufstiege allemal.



Großer Umbruch

Noch im Sommer 2011 etwa konnte sich kaum einer vorstellen, dass der Jahn in nicht einmal zwölf Monaten eine Aufstiegsfeier haben würde. Vor der Saison habe es einen großen Umbruch gegeben, erinnert sich Oliver Hein. „Beim ersten Training waren vielleicht zwölf, dreizehn Spieler“ erzählt er. Hein ist neben Sebastian Nachreiner der einzige von den 2012-er-Aufsteigern, der auch heute noch beim Jahn kickt. Damals habe sich trotz der zunächst ungünstigen Voraussetzungen in der Mannschaft „bald eine gewisse Mentalität entwickelt“, die Basis des Erfolgs gewesen sei. Der damalige Trainer Markus Weinzierl habe „alles sehr gut gemanagt“, erinnert sich Hein. In den Jahren unter Weinzierl habe sich das Team kontinuierlich entwickelt – am Ende mit dem Aufstieg als Krönung. Unvergessen sind die Relegationsspiele gegen den Karlsruher SC. Nach dem etwas dünnen 1:1 im Hinspiel daheim lagen die Regensburger in Karlsruhe bereits mit 1:2 zurück.

Eine knappe halbe Stunde vor Schluss erzielte Andre Laurito dann aber den Ausgleich, der dank der Auswärtstorregel zum Aufstieg reichte. „Als der Ball zum 2:2 drin war, habe ich eigentlich zum ersten Mal richtig daran gedacht, was jetzt vielleicht wirklich auf uns zukommt“, erinnert sich Hein. Er sei völlig perplex gewesen und zur Trainerbank gerannt. Dann ging das Spiel aber schon weiter: „Und da kannst du dir dann gar nicht mehr so viel Gedanken machen.“ Dabei hatte Hein in dieser Partie ganz persönlich bereits großen Grund zur Freude. Der sonst eher selten als Torjäger auftretende Niederbayer hatte in der 28. Minute seinen großen Auftritt. Mit einem traumhaften Schuss traf er zum 1:0 für den Jahn: „Das ist eine sehr schöne Erinnerung. Das war sicher mein schönstes und wichtigstes Tor.“

Der Aufstieg von 2012 gehöre gemeinsam mit der Meisterschaft und dem Aufstieg im vergangenen Jahr zu den absoluten Höhepunkten seiner Karriere, sagt Hein. Und das, obwohl es nach dem Höhenflug eine harte Landung in der 2. Liga gab. Der Jahn stieg bereits nach einer Saison sang- und klanglos ab. Der Hauptgrund für den Absturz war Heins Meinung nach, „dass das, was uns zuvor stark gemacht hat, die Kontinuität auf wichtigen Posten, nicht mehr da war“. Weinzierl war nach Augsburg gewechselt, für ihn bekam der Jahn mit Oscar Corrochano und später Franz Smuda Trainer, „die fachlich sicher sehr gut waren, aber nicht so ganz genau gewusst haben, wie dieser Verein funktioniert“, sagt Hein. Damals habe es beim Jahn schließlich noch nicht wirklich professionelle Bedingungen gegeben: „Wenn du schlechte Trainingsplätze hast, jemand vorher aber bei absoluten Profiklubs gearbeitet hat, ist das sicher eine große Umstellung.“


Hymnisch gefeiert

Apropos Kontinuität: An der mangelte es bereits 2003. Erfolgscoach Sebert, ein knorriger, wortkarger Typ mit Ecken und Kanten, erhielt nach vollbrachtem Aufstieg den Laufpass. Von atmosphärischen Störungen zwischen ihm und der damaligen Vereinsspitze war verklausuliert die Rede. So kam es zu der fast schon absurd anmutenden Situation, dass im letzten RegionalligaHeimspiel Sebert seinem Nachfolger Ingo Peter die Hand schüttelte, der da noch als Trainer der Sportfreunde Siegen in Regensburg gastierte. Der Jahn-Kader wurde unter der Regie Peters anschließend für die zweite Liga grotesk aufgebläht – auf mehr als 30 Akteure. Altstars wie Karsten Hutwelker oder Altin Rraklli fanden sich zu gut dotierten Stippvisiten an der Donau ein. Für Ingo Peter indes ertönte noch vor Weihnachten der Abpiff. Mit dem jungen, unerfahrenen Günter Brandl auf dem Trainerstuhl gelang sogar die vorübergehende Trendwende, gekrönt am 2. April 2004 von einem hymnisch gefeierten 2:1-Sieg am 27. Spieltag vor vollem Haus gegen den 1. FC Nürnberg.

Sieben sieglose Spiele später stand der SSV Jahn, der sich schon gerettet wähnte, doch als Absteiger in die Regionalliga da. Der Kader zerstreute sich in alle Winde, ein Jahr darauf schlitterte der Klub in der kurzen Ära von Mario Basler in die vorläufige Insolvenz. Für Mario Stieglmair, einen der Aufstiegshelden und „Jahn-Spieler der Saison 2003/04“, war die Verpflichtung Peters der Knackpunkt und ursächlich für den Abstieg. „Wir hatten plötzlich einen Kader von 33 bis 35 Leuten, zwei Co-Trainer und fast jede Woche zwei Neuzugänge. Das hat alles durcheinandergewirbelt“, blickt der frühere österreichische Juniorennationalspieler, der heute als sportlicher Leiter beim ambitioniert Landesligisten SV Donaustauf fungiert, zurück. Tatsächlich kam der begeisternde Fußball, den Günter Seberts Aufstiegsteam 2002/03 spielte, den Auftritten des aktuellen Jahn-Teams unter Heiko Herrlich recht nahe.

Aufrufe: 018.5.2017, 07:40 Uhr
Heinz Gläser und Jürgen Scharf, MZAutor