2024-04-24T13:20:38.835Z

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Souverän behauptet: Hachings U17, hier gegen Augsburg, spielte als Aufsteiger eine starke Saison. FOTOS: HÜBNER
Souverän behauptet: Hachings U17, hier gegen Augsburg, spielte als Aufsteiger eine starke Saison. FOTOS: HÜBNER

Schwabl: Haching wird nicht bei den Löwen wildern

Eigengewächse sollen den Durchbruch schaffen

Arg lange ist es noch nicht her, da galt die SpVgg Unterhaching als Rettungsanker. Als letzte Hoffnung für die Talente, die es bei den Bayern und 1860 nicht geschafft hatten, die aussortiert wurden. Und nun ihre letzte, vage Chance suchten. Immerhin kickte Haching unter der Aegide des kantigen, auf strengste Disziplin bedachten Nachwuchsleiters Klaus Tobis auch immer wieder mal mit U19 und U17 in der Bundesliga, aber man spielte halt nur die dritte Geige in der Region, für die meisten war der Weg nach Unterhaching so etwas wie die Straße ins Nichts, das Ende der schönen Träume vom großen Fußball.

Dieses Jahr 2017 aber hat die Fußball-Landschaft in und um München umgegraben, hat Unterhaching nach oben befördert, 1860, im Jugendbereich lange auf Augenhöhe mit den stolzen Bayern, erst mal versenkt. „Eine Momentaufnahme“, Manni Schwabl wiegelt ab, kein Wort der Schadenfreude in Richtung der Löwen werde man von ihm hören, kein Wort. „Das fliegt dir in ein, zwei Jahren vielleicht um die Ohren.“ Stolz aber ist er natürlich schon, stolz darf er sein. In diesem Frühsommer, in dem man an der Grünwalder Straße den fünffachen Abstieg zu verdauen hat, sind vier Hachinger Teams aufgestiegen, die Profis zurück in die dritte Liga, die A-Jugend in die Bundesliga, die U16 in die Bayernliga, die U15 in die Regionalliga. Und die U17 hat, im Gegensatz zu den Löwen, den Klassenerhalt in der höchsten Spielklasse geschafft, zweimal wurden sogar die Bayern geschlagen.

Manni Schwabl hat als Profi bei den Bayern gespielt, bei 1860. In Unterhaching nie. Als Jugendkoordinator ist er einst in die Vorstadt gekommen, sein Sohn spielte hier. Inzwischen ist er Präsident. Als solcher freut er sich über den Erfolg der ersten Mannschaft, genauso aber, vielleicht sogar noch mehr, über die Entwicklung bei der Jugend. Alle Nachwuchsteams von der U15 aufwärts in den höchsten Spielklassen, Hans Reitinger, schon zu Tobis‘ Zeiten eine Institution im Verein, hat nachgerechnet: „Das gab es noch nie.“ 2002 war man nahe dran, die U17 und die U16 sind aufgestiegen, aber die U19 verlor am letzten Spieltag ihren Platz in der Regionalliga, damals die höchste Spielklasse. Trainer war Claus Schromm, die U17 wurde von Frank Thömmes gecoacht, die U15, ebenfalls in der höchsten Liga, von Reitinger. Auch diese Personalien stehen für Kontinuität.

"Ohne Schromm wäre das hier alles unmöglich"

Thömmes ist heute sportlicher Leiter im Nachwuchsleistungszentrum, Schromm trainiert die Profis. Was aber sein Aufgabenfeld nur völlig unzureichend umschreibt. „Ohne Schromm“, sagt Schwabl, „wäre das hier alles unmöglich.“ Schromm steht für die Philosophie des Klubs, der sich in erster Linie als Ausbildungsverein versteht. Und wenn Schwabl sagt, „bei uns hat schon ein Zehnjähriger das Recht, so behandelt zu werden wie ein Stephan Hain“, dann beschreibt das in etwa die Wertschätzung, die der Nachwuchs hier genießt. Hain hat immerhin schon Bundesliga gespielt, nun hat er mit sagenhaften 32 Treffern in 28 Spielen die Hachinger nach oben geschossen, mit Sascha Bigalke ist er die Galionsfigur eines Teams, das in einigen Jahren in der zweiten Liga spielen soll, mit möglichst vielen selbst ausgebildeten Spielern.

Das ist Hachings Weg, alternativlos sei er, sagt Schwabl. Haching hat sich mit seinem vom DFB zertifizierten Nachwuchsleistungszentrum zum Sprungbrett entwickelt, zwölf Jungs aus Schwabls Talentschmiede spielen heute erste oder zweite Bundesliga, Janik Haberer, mit 23 Stammspieler beim SC Freiburg, gilt als Musterbeispiel für den Hachinger Weg. „Top-Talente dürfen gerne raus in die große, weite Fußballwelt“, die anderen aber will Schwabl lieber bei Unterhaching sehen. Durchlässigkeit heißt sein Mantra, „wir wollen unsere Leute selbst ausbilden, möglichst schon ab der E-Jugend.“ In der aktuellen U19 stehen sieben Mann, die schon als Zehnjährige für Haching gekickt haben, in diesem Sommer geht die gesamte U15 rauf in die U16. Schwabl selbst sucht die Jungs mit aus, die ab der U11 die Zukunft der SpVgg Unterhaching bilden sollen. „Da brauchst du Fantasie, das sind alles gute Kicker, aber haben sie auch den richtigen Charakter?“

Den brauchen sie, darauf legt Schwabl größten Wert. Und sie brauchen Trainer, die sie besser machen. Jahr für Jahr. Marc Unterberger ist seit 2010 dabei, trainierte in dieser Saison die U15 und die U16, mit beiden Teams steigt er auf. Zudem ist er zuständig für den Bereich bis hinunter zur U11, setzt konsequent die Hachinger Philosophie durch. Und die beschränkt sich nicht allein auf Fußball. Auf die Schule legt man mindestens genauso großen Wert, Unterberger weiß, wer da Probleme hat, „nimmt sie mit auf den Platz“. Also reagiert man, bietet Nachhilfe an. Oder stellt mal Spieler vom Training frei, wenn es in der Schule hakt. Tim Schels hat letztes Jahr als 16-, 17-Jähriger schon achtmal Herren-Regionalliga gespielt, war deutscher U18-Nationalspieler. In dieser Saison haben ihn Verletzungen zurückgeworfen, an die erste Stelle rückte das Abitur, das er nun am Anne-Frank-Gymnasium in Erding ablegte. Schwabl unterstützte ihn dabei, „auch wenn er fußballerisch vielleicht ein Jahr verloren hat“. Wichtiger aber ist ihm die Entwicklung der Persönlichkeit, „keiner darf beruflich oder schulisch auf der Strecke bleiben.“

Vorgeben muss er seinen Trainern nichts, „die ticken alle gleich“, deswegen sind sie auch hier. Mit Basti Dreier hat er den „Geist von Heiko Herrlich“ zurück nach Haching geholt, der erst 25-jährige Chefcoach der Bundesliga-U17 war bei den Bayern als Assistent des aktuellen Regensburger Aufstiegstrainers tätig, der 2011/12 für ein Jahr Haching coachte. Sein Premierenjahr hat Dreier glanzvoll mit dem Klassenerhalt abgeschlossen, zur neuen Saison bekommt er nun die U19, für Dreier ein Riesenkompliment. Alex Schmidt, den Ex-Löwen und Aufstiegscoach, lockt Red Bull Salzburg. Die U17 hätte Marc Unterberger „schon ganz gerne übernommen“, Schwabl aber hält ihn an seinem bisherigen Platz für wertvoller, davon ließ sich Unterberger auch überzeugen. „Es gibt hier keinen Neid, wir sehen uns als Trainerteam, in dem jeder seinen Anteil am Erfolg hat.“

Haching will ohne Druck ausbilden

Gerade Schromm und Unterberger sind die Eckpfeiler einer Jugendarbeit, die nach dieser Saison so gut dasteht wie nie. Die Hierarchie in München ist verändert, doch wird es auf Dauer sein? Manni Schwabl will, er kann das nicht versprechen, dafür ist der Fußball viel zu schnelllebig. Wichtig ist ihm die weitere kontinuierliche Entwicklung seines Jugendbereichs. Natürlich, sagt er, „rennen sie uns jetzt die Bude ein“ nach dem Absturz der Sechziger stellt Haching schließlich die zweite Macht im Raum München hinter dem FC Bayern, der gerade sein 70 Millionen teures Nachwuchsleistungszentrum im Münchner Norden eröffnet. Schwabl blickt ohne Neid dorthin, „das ist eine völlig andere Welt“, eine andere Philosophie. Der FC Bayern denkt national und global, Haching regional. Da gibt es kaum Berührungspunkte. Was man den Bayern voraus hat, ist die Durchlässigkeit, bei Bayerns Weltklassekader wird der Flaschenhals schon sehr, sehr eng.

Da sind die Sechziger schon deutlich näher. Trotzdem, den großen Run von Löwen-Talenten Richtung Unterhaching wird es nicht geben, Schwabl will weiter in erster Linie auf die setzen, die man selbst ausgebildet hat. „Trotz unseres Erfolgs werden wir jetzt sicher nicht den Fehler machen, eigene Leute zugunsten eines Neuzugangs wegzuschicken. Wenn wir einen nehmen, dann muss der schon wesentlich besser sein als unsere Leute.“ Ziel ist, alle Mannschaften im Mittelfeld der Tabelle zu platzieren, „ohne den großen Druck, nur so kann man gut ausbilden“, sagt Schwabl.

Noch weiß keiner, wie es an der Grünwalder Straße weitergeht, sollte nicht alles zusammenbrechen, glaubt Nachwuchschef Wolfgang Schellenberg an eine schnelle Rückkehr der U17 und U19 in die Bundesliga. „Da kommen jetzt gute Jahrgänge nach, deshalb ist die Hoffnung auf einen sofortigen Wiederaufstieg nicht vermessen.“ Und dann könnte sich das Blatt schnell wenden, zugunsten der Sechziger, die nicht nur Weigl und die Benders, die Leute wie Fabian Johnson, Daniel Baier, Marcel Schäfer, Christian Träsch, Bobby Wood, Kevin Volland, Tobias Strobl oder Julian Baumgartlinger in die Bundesliga gebracht haben.

Manni Schwabl weiß das. Weshalb er sich zu keinerlei Spitzen hinreißen lässt in Richtung der Löwen. „Unser Erfolg“, sagt er, „bestätigt nur unsere Grundphilosophie.“ Und beeilt sich, ein im Fußball ganz wichtiges Attribut einzufügen: „Unser momentaner Erfolg“, verbessert er. Selbst konsequente und kontinuierliche Arbeit ist keine absolute Garantie, aber eine Basis. Den Ruf, letzter Rettungsanker für Talente zu sein, ist man zumindest los. Wohl für längere Zeit.

JUGENDSPORT Die Jugendsportseite erscheint alle drei Wochen am Freitag. Autor ist Reinhard Hübner, für Tipps, Infos und Anregungen erreichbar unter 08031/42657 oder Huebner-Rosenheim@t-online.de.

Aufrufe: 09.6.2017, 10:05 Uhr
Reinhard Hübner - Münchner MerkurAutor