2024-04-23T13:35:06.289Z

FuPa Portrait
Vor zwei Jahren jubelte Stefan Schimmer (Mitte) noch in der Landesliga, jetzt zeigt er auch in der 3. Liga seine Qualitäten.   F.: Sven Leifer
Vor zwei Jahren jubelte Stefan Schimmer (Mitte) noch in der Landesliga, jetzt zeigt er auch in der 3. Liga seine Qualitäten. F.: Sven Leifer

Keine 220 Millionen, aber immerhin 50.000 Euro

Im Trikot der SpVgg Unterhaching läuft Stefan Schimmer aus Gottmannshofen jetzt schon mal vor 5000 Zuschauern auf +++ Die Bundesliga gibt es für ihn nur auf dem Fernseher oder von der Tribüne aus – zumindest vorerst

Die ersten Torjubel hat Stefan Schimmer bereits hinter sich. Im Gegensatz zur Ersten Fußball-Bundesliga, die an diesem Wochenende loslegt, hat der Stürmer schon vier Spieltage in der 3. Liga absolviert. Plus – als kleines Sahnehäubchen gedacht – den Auftritt in der ersten DFB-Pokal-Hauptrunde gegen den 1. FC Heidenheim (0:4). Denn Schimmer, der aus dem Wertinger Ortsteil Gottmannshofen stammt und sechs Jahre lang beim FC Gundelfingen ausgebildet wurde, ist seit dieser Saison Fußball-Profi bei der SpVgg Unterhaching.

In einem Sommer, in dem die Ablösesummen regelrecht explodierten und Paris St. Germain für den Brasilianer Neymar die Rekordablöse von 222 Millionen Euro bezahlte, ist auch der Marktwert von Stefan Schimmer gewaltig gestiegen. Vor Jahresfrist noch ablösefrei, beziffert die einschlägige Website transfermarkt.de den Wert des 23-Jährigen mit mittlerweile 50.000 Euro.

Schimmer ist ein „Spätberufener“, der nicht den klassischen Weg durch die Nachwuchsleistungszentren (NLZ) der Bundesligisten absolviert hat. Und auch beim FCG gab es das NLZ noch nicht, als der Offensivspieler im Sommer 2010 von der JFG Riedberg zu den B-Junioren der Grün-Weißen wechselte. Schimmer steigerte sich dort stetig, schaffte es als A-Junior bereits ins Landesliga-Team und schoss die Gundelfinger mit 18 Treffern im Sommer 2016 in die Bayernliga Süd.

Es war die bis dato erfolgreichste Saison von Stefan Schimmer im FCG-Trikot, der damit auch höherklassige Aufmerksamkeit erreichte. „Der FV Illertissen hatte großes Interesse“, bestätigt der Stürmer, der sich dann doch anders entschied. Der ausschlaggebende Grund: Stefan Anderl, sein Trainer aus Gundelfinger Zeit, wechselte zum Regionalligisten FC Memmingen. Obwohl Anderl seinen Schützling mitunter hart rannahm, erkannte Schimmer, dass er sich durch das Coaching stetig verbessert.

Und weil er das Spielsystem Anderls regelrecht mit der Muttermilch aufgesogen hatte, erhoffte er sich wohl auch bessere Einsatzchancen im Allgäu. Was sich schnell bestätigte. In Memmingen schlug er gleich voll ein. Mit 26 Treffern wurde Schimmer hinter dem Unterhachinger Stephan Hain zweitbester Torschütze in der Regionalliga Bayern, die Allgäuer landeten als reiner Amateurklub in einer halbprofessionellen Liga auf dem vierten Rang.

Von dieser Entwicklung wurde der (Ex-)Student selbst überrascht: „Ganz ehrlich: Ich weiß selbst nicht, warum ich plötzlich so viel häufiger treffe. Aber mein Torschuss ist jetzt einfach präziser, ich brauche weniger Chancen für meine Tore.“ Parallel zu den sportlichen Erfolgen wuchs auch die Aufmerksamkeit an ihm, sodass er sich mittlerweile auch einen Berater zulegte. Waldemar Matuschek, einst beim TuS Geretsried aktiv und ein Bekannter von Trainer Stefan Anderl aus gemeinsamen Studienzeiten, nahm Schimmer mit der Agentur sportlobby unter seine Fittiche.

„Die hielten alle Anfragen von mir fern, ich konnte mich voll auf mein Spiel und das Studium konzentrieren. Es gab zwar immer wieder Gerüchte, dass sich Profiklubs für mich interessieren, doch die Anfragen sind erst gar nicht bei mir gelandet“, zeigt sich der Torjäger von der Zusammenarbeit mit Matuschek bislang ganz zufrieden.

Dass er seit diesem Sommer aber doch das Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der FH Kempten unterbrochen hat und es als Profifußballer in Unterhaching versucht, war wohl überlegt. „Die Bundesliga ist fern, daran verschwende ich jetzt keinen Gedanken. Ich konzentriere mich voll auf den Fußball und die SpVgg Unterhaching. Damit bin ich glücklich und zufrieden“, erklärt Schimmer glaubhaft, denn: „Warum soll ich mich denn aus dem Fenster lehnen und sagen, dass ich nächste Saison in der zweiten Bundesliga spielen möchte? Das erzeugt nur unnötigen Druck. Ich setzte mir überhaupt keine Frist, ob und bis wann ich was schaffen will.“

Stattdessen will sich der von seinem Trainer Claus Schromm in Anlehnung an den legendären Gerd Müller oft „Bomber“ genannte Angreifer einfach nur weiter verbessern. „Anfangs hatte ich ja nur gehofft, dass ich ein paar Einsätze bekomme. Jetzt habe ich schon zwei Drittliga-Tore erzielt und merke, wie ich mit jedem Training dazulerne. Das Tempo und die Intensität sind schon eine ganz andere Geschichte als in Gundelfingen oder Memmingen“, so Schimmer, der mit den Oberbayern in der Regel acht Trainingseinheiten pro Woche absolviert.

Ein Tag ist frei, dafür bittet Schromm seine Schützlinge durchaus mal vor- und nachmittags auf den Platz. Da bleibt für die Fortsetzung des Studiums wenig Zeit. Doch Schimmer bleibt Realist und hat die berufliche Ausbildung keineswegs aus den Augen verloren: „Je nachdem, wie es läuft, werde ich entweder per Fernstudium weitermachen oder mich eben in München einschreiben.“

Doch zunächst will er mit Unterhaching für Furore sorgen und die Zuschauer weiter anlocken. „Gegen den Karlsruher SC hatten wir 5000 Fans im Stadion, das motiviert zusätzlich. So große Kulissen kenne ich ja bislang nicht und es ist ein tolles Gefühl, vor so vielen Leuten ein entscheidendes Tor zu erzielen.“ So wie es eben zum 3:2 gegen den KSC gelang. An mehr, und da bleibt Stefan Schimmer seiner Linie treu, will er im Augenblick nicht denken. Denn sein persönlicher Aufstieg ist ohnehin rasant.

Und trotzdem ist die Bundesliga noch so fern, die großen Stars wird Schimmer nach dem Pokalaus, das er mit seinem Platzverweis gegen Heidenheim mit begünstigte, (vorerst) auch nur vor dem Fernseher oder von der Tribüne aus sehen – oder in Testspielen während der Sommer- und Wintervorbereitung…

Aufrufe: 019.8.2017, 13:11 Uhr
Donau-Zeitung / Walter BruggerAutor