2024-05-10T08:19:16.237Z

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Profi im Wartestand: Haching-Kapitän Dominik Stahl. Sven Leifer
Profi im Wartestand: Haching-Kapitän Dominik Stahl. Sven Leifer

Kapitän Stahl: Haching will "den Staat nicht anzapfen"

Spielführer der SpVgg im Interview

Die Spieler der SpVgg Unterhaching versuchen sich im Home Office für die 3. Liga fit zu halten. Kapitän Dominik Stahl schildert im Interview, wie es funktioniert.
  • Als Tabellendritter der 3. Liga sind die Spieler der SpVgg Unterhaching zwangsläufig in die Coronapause gegangen.
  • Aktuell halten sich die Spieler mit Trainingsplänen im Home Office fit.
  • Kapitän Dominik Stahl spricht im Interview über den Alltag als Fußball-Profi in der Coronakrise.

München – Viele Deutsche haben sich inzwischen daran gewöhnt: Im Homeoffice arbeiten und nebenbei die Kinder betreuen – das geht schon irgendwie, wenngleich diese Form der Doppelbelastung für alle Beteiligten Neuland ist. Doch wie läuft das eigentlich bei Fußballprofis, die ja außerhalb von Krisenzeiten häufig unterwegs sind? Sind Sportler generell belastbarer? Oder ist das Gegenteil der Fall – und mit jedem nicht absolvierten Training erhöht sich die Gefahr eines Lagerkollers? Wir haben Dominik Stahl, 31, zu diesem und anderen aktuellen Themen befragt. Der Kapitän der SpVgg Unterhaching berichtet, wie es sich lebt, wenn der Fußballprofi-Papa mit Ehefrau und zwei kleinen Kindern rund um die Uhr zu Hause ist.

Dominik, man hört und liest gerade viel von gestressten Homeoffice-Eltern und blank liegenden Nerven bei Kindern, die nicht raus dürfen. Wie ist die Lage im Hause Stahl?

Im Hause Stahl ist es auch ein Auf und Ab, wir kriegen’s aber ganz gut hin. Zum Glück haben wir einen Garten, da können wir die Kinder öfter mal rausschicken – oder selber frische Luft schnappen. Wir wohnen auch direkt am Wald und drehen da gerne eine Runde. Natürlich nur als Familie – wie sich das gehört. Es ist schon eine Herausforderung mit der Rund-um-die-Uhr-Betreuung – und für die Kids ist es ja auch komisch.

Dominik Stahl: Erklärvideo zur Coronakrise für Tochter Helena

Verstehen Ihre Kinder, was gerade passiert?

Jonathan ist erst eins, aber Helena wird im Mai vier – sie kriegt alles mit. Es gibt da ein tolles Erklärvideo, das wir ihr gezeigt haben. Sie weiß, was Sache ist. Wir sprechen auch ganz offen darüber.

Genießt sie es, so viel Zeit mit Mama und Papa zu haben? Oder vermisst sie ihre Kindergartenfreunde?

Teils, teils. Sie vermisst schon den Kontakt zu anderen Kindern. Auch zum Nachbarskind, mit dem sie relativ viel spielt. Das ist jetzt halt nicht mehr so möglich.

Viele ans Haus gefesselte Menschen verlieren ihr Zeitgefühl. Sie auch?

Das mit dem Zeitgefühl ist mir auch schon aufgefallen. Man kennt das ja aus dem Urlaub. Aber nicht nur das ist ein Phänomen, es wirkt überhaupt alles etwas surreal im Moment. Wie lange wir jetzt schon zu Hause sind, könnte ich gar nicht genau sagen.

Kontakt mit Spielern per Videoanruf oder WhatsApp

Wie gestaltet sich denn gerade Ihr Alltag? Alles um den Fitnessplan oder eher um die Kinder herum?

Sagen wir mal so: Ich lege meine Läufe so, wie es dann auch mit den Kindern passt. Es gibt ja gerade sonst nicht so viele Termine, auf die man Rücksicht nehmen muss. Beim Aufstehen mit den Kids wechseln wir uns ab, damit wenigstens einer von uns beiden manchmal etwas länger liegen bleiben kann.

Schwierig für einen Fußballer, wenn er nur noch alleine Sport machen darf?

Alleine laufen macht mir nichts aus, aber ich vermisse diesen Kabinenalltag. Die Jungs zu sehen, gemeinsam auf dem Platz zu stehen und gegen die Kugel zu treten . . . Die Emotionen, die du im Training hast, die kannst du zu Hause natürlich nicht simulieren. Wir chatten zwar per WhatsApp oder machen mal einen Videoanruf, aber das ist kein Ersatz.

Zum neuen Alltag dürften auch die Corona-Berichte im Fernsehen gehören.

Da beschränken wir uns auf den Podcast von Professor Drosten. Den hören wir täglich im NDR, immer so 30, 40 Minuten. Ist für mich besser, als stets die Newsticker mit den neuesten Fallzahlen zu verfolgen – oder sich irgendwo sonst ungeprüfte Informationen zu holen.

Coronakrise: Dominik Stahl hofft auf deutsche Klischees

Sind Sie besorgt?

Was meine Person angeht, hält es sich in Grenzen. Ich glaube, dass es nach wie vor das Hauptziel sein muss, die Risikogruppen zu schützen. Ich hoffe, dass Deutschland noch zu einem guten Zeitpunkt Maßnahmen eingeleitet hat – und dass uns hier die deutschen Klischees zugutekommen: Genauigkeit, Sauberkeit und so weiter.

Haben Sie Hamsterkäufe gemacht?

Nee (lacht). Da sind wir absolut die Falschen. Auch diesen Toilettenpapierhype machen wir nicht mit. Wir gehen regelmäßig einkaufen, immer so für zwei, drei Tage. Und wenn alles aufgebraucht ist, gehen wir wieder einkaufen.

Ehe die Sportwelt zum Stillstand kam, haben Sie noch schnell einen neuen Vertrag unterschrieben . . .

Offiziell ist da noch nichts. Mündlich sind wir uns einig – und das heißt ja beim Manni (Präsident Schwabl) schon was. So gesehen ist es dann vielleicht schon fix (lacht). Ich fühle mich wohl hier, schätze auch das Umfeld und freue mich auf weitere zwei Jahre.

Thema Kurzarbeit: Hachinger Spieler „zapfen nicht den Staat an“

Die Mehrheit der Drittligisten setzt in der Krise auf Kurzarbeit, Haching laut „kicker“ auf einen Gehaltsverzicht . . .

Es ist so, dass wir erst mal ganz normal weiterbezahlt werden, aber Teile unseres Gehalts spenden werden. Das war aber eine Initiative aus der Mannschaft heraus. Manni hat betont, dass er keine Kurzarbeit beantragen will; er findet es einfach nicht gut, wenn Profifußballer quasi den Staat anzapfen, wo das Geld woanders dringender gebraucht wird. Ich denke, es ist eine ganz gute Lösung, stattdessen ein sinnvolles Projekt zu unterstützen.

Es können Monate vergehen, bis wieder Punktspiele möglich sind. Quält Sie diese Ungewissheit?

Irgendwie schon, aber das hilft ja nix. Man muss das Ganze jetzt annehmen – auch wenn’s für alle Beteiligten seltsam ist. Keiner weiß ja: Auf welchen Zeitpunkt trainierst du jetzt hin? Ein bisschen hängt man da schon in der Luft. Du kannst eigentlich nur abwarten, was passiert. Wichtig ist, was für die Gesellschaft Sinn ergibt. Dem muss man alles unterordnen. Wenn man schon so krasse Maßnahmen macht und Schule und Kitas schließt, dann stellt sich gerade mehr die Frage, wie und wann man ins normale Leben zurückzufinden kann. Die Wiederaufnahme der Drittligasaison ist vor diesem Hintergrund nicht ganz so wichtig.

„Im Moment ist eigentlich nur klar, dass nichts klar ist“

In den oberen Ligen läuft es auf Geisterspiele und Englische Wochen raus, in der 3. Liga ist alles offen. Für welches Modell könnten Sie sich erwärmen?

Schwer zu sagen, weil ich nicht weiß, welche Modelle genau diskutiert werden. Ich glaube, es macht am meisten Sinn, erst mal auf Geisterspiele zu setzen – auch wenn das weitere finanzielle Einbußen zur Folge hat. Der Fußball ist für viele Leute wichtig. Gerade in diesen Zeiten sehnen sich viele nach Unterhaltung.

Ein Saisonabbruch wäre für Haching vermutlich die am wenigsten willkommene Lösung . . .

Natürlich. Wenn man mal oben dran ist, auch punktmäßig, dann wäre das schon schade.

Ärgerlich wäre auch, wenn Aufsteiger und Absteiger nach aktuellem Tabellenstand ermittelt würden. Haching ist Dritter.

Was auch immer das dann bedeuten würde. Würden wir dann ein Relegationsspiel auf neutralem Platz bekommen? Im Moment ist eigentlich nur klar, dass nichts klar ist.

Dominik Stahl hofft auf Umdenken im Fußball

Glauben Sie an ein sportliches Happy End für die SpVgg Unterhaching?

Ein Happy End für mich wäre, wenn es insgesamt gut ausgeht für die Gesellschaft. Ich wünsche mir, dass die Chance wahrgenommen wird, gewisse Dinge neu zu ordnen, auch im Sport. Muss ein Berater von Hamburg nach München fliegen und wieder zurück? Kann man nicht auch weiterhin vieles mit Videokonferenzen lösen? Krisen können eine Chance sein, für alle Branchen.

Künftig also nur noch Homeoffice für die Hachinger Profis?

Um Gottes Willen, nein! (lacht). Dem ganzen Fußball würde es aber nicht schaden, wenn er mal wieder ein bisschen auf den Boden kommen würde.

Interview: Uli Kellner

Aufrufe: 030.3.2020, 10:01 Uhr
Münchner Merkur (Süd) / Uli KellnerAutor