2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
„Zweite Kraft in München, das ist ein Titel, den wir nicht verdient haben“: Claus Schromm über die Tatsache, dass Haching 1860 in der Ligazugehörigkeit überflügelt hat. F: Leifer
„Zweite Kraft in München, das ist ein Titel, den wir nicht verdient haben“: Claus Schromm über die Tatsache, dass Haching 1860 in der Ligazugehörigkeit überflügelt hat. F: Leifer

Frecher Realist: Schromms Plan für die 2.Bundesliga

Schromm und Schwabl, die DNA der SpVgg

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Hachings Trainer Claus Schromm über freche Pläne, Kinder in Mosambik, DNA-Stränge und Salami mit Trüffeln

Herr Schromm, letztes Jahr sagten Sie, die Regionalliga-Saison sei wie eine Riesensalami: Man muss sie Stück für Stück nehmen, sonst packt man sie nicht. Was ist die Dritte Liga?

(grinst) Hmm, ist das jetzt eine Salami mit Trüffeln? Auf jeden Fall ist sie ein Stück edler, aber auch länger und wesentlich härter zu schneiden – jede einzelne Scheibe davon.

Nur zwei Neuzugänge kamen – mutig oder Ausdruck von Vertrauen in den vorhandenen Kader?

Wir haben in den letzten zwei Jahren in Alex Sieghart nur einen echten Stammspieler verloren. Thomas Hagn wollte wieder zu uns zurück, und ich finde das ein starkes Signal, wenn einer sagt: „Ich will heim zu Unterhaching.“ Stefan Schimmer trifft seit Jahren mit hoher Quote, er hat das gewisse Etwas: Einer wie Stephan Hain, der vor der Kiste in sich ruht. Somit sind wir heuer bestens aufgestellt.

Der Kader steht – aber der Trainer hat nur noch zehn Tage Vertrag. Was machen Sie ab 1. Juli?

Nur noch zehn Tage? Wirklich? (lacht) Aber im Ernst: Bei uns zählt das Wort. Wir haben eine Vision, einen Plan, einen Weg – und dieser Weg ist noch nicht zu Ende. Das wissen wir alle. Ich habe einen Arbeitsauftrag, über 1. Juli und darüber hinaus.

Was treibt Sie an? Mit 24 mussten Sie Ihre Karriere beenden. Kreuzbandriss, fünf Knie-Operationen. Muss der Trainer Schromm alles erreichen, was der Spieler Schromm nicht erreichen konnte?

Mit den Operationen sind die Träume, die ich als Spieler hatte, geplatzt. Aber der Trainer Schromm hat jedenfalls bereits viel mehr erreicht, als ich mir zunächst gedacht habe. Ich gehe jetzt in meine 20. Saison als Coach, und es ist eine große Bandbreite: B-, A-Junioren, Pokalsieg, Senioren-Bayernliga, Abstieg, nun habe ich eine Regionalliga-Meisterschaft gewonnen, die Dritte Liga erlebe ich jetzt dann wieder, und ich konnte über all diese Stationen mein eigenes Trainerprofil erarbeiten. Der eine oder andere Kollege hat mich vielleicht überholt, aber mir war es immer wichtig, dass man seinen Platz hat. Matthias Zimmermann, damals Kapitän der Bundesligamannschaft in Haching, sagte da mal einen Satz, der mich bis heute beschäftigt, da steckt viel drin.

Wie lautet der?

Damals wurde die Osttribüne im Sportpark ausgebaut, und er sagte, auch im Flachs: Zu ein paar dieser Sitze habe ich meinen Teil beigetragen, die sind quasi von mir. Ich denke, darum geht es am Ende des Tages: Dass man etwas hinterlässt, wenn man geht, dass man etwas geschaffen hat. Es geht hier gerade in die Richtung, weil dieses Unterhaching schon viel von unseren Ideen, von Manfred Schwabl und mir, hat. Aber wie ich bereits sagte: Das Ding ist noch nicht beendet. Wenn wir diese Geschichte, wie sie jetzt seit einiger Zeit läuft, gut weiterschreiben und zu einem tollen Ende bringen, das wäre ein kleines Lebenswerk.

Wann wäre denn dieser Punkt erreicht?

Wenn die SpVgg Unterhaching ein stabiler Zweitligist ist, der in dem Wahn der Fußball-Branche den jetzt eingeschlagenen Weg ruhig weitergeht. Dabei Jahr für Jahr einige Spieler von unserem Nachwuchsleitungszentrum in die Erste Mannschaft zu integrieren – das wär’s. Ich weiß, das ist ein frecher Plan. Aber unrealistisch ist er auch nicht.

Sie arbeiten hauptsächlich mit jungen Spielern. Es heißt, die neuen Generationen sind immer schwerer zu erreichen.

Mensch und Charakter haben sich in den letzten 20 Jahren sehr verändert, das stimmt. Was früher selbstverständlich war, geht heute oft verloren. Aber unsere Werte hier kommen bei den jungen Spielern an. Hier zählt noch das Wort – siehe meinen Vertrag –, und Spieler sagen mir immer wieder, dass sie hier mehr mitgenommen haben als anderswo.

Klingt romantisch.

Eines ist in der Ansprache bei den jungen Leuten auch klar: Diktatorisch ist Vergangenheit. Domenico Tedesco (der neue Chefcoach von Schalke/d.Red), sagte jetzt gerade in einem Interview, er verstehe unter Taktiktraining, mit seinen Spielern gemeinsam einen Weg zu erarbeiten. Das sehe ich genauso. Und ich hatte, was das Thema Fußball und soziale Werte angeht, dazu noch ein anderes Schlüsselerlebnis, als ich in meiner Zeit beim Bayerischen Fußballverband mal ein Projekt in Mosambik besucht habe. Nie sah ich glücklichere Kinder, obwohl sie so arm waren, so bitterarm. Auch wenn das kitschig klingt in unseren Zeiten: Ich sehe das bei unseren Spielern, dass sie erkennen, man kann in Haching mehr mitnehmen als nur Geld.

„Man nimmt in Haching mehr mit als nur Geld“

Ist Hachings DNA auch Schromms DNA – und auch Schwabls DNA? Das wäre eine schöne Überschrift.

Die drei DNA-Stränge haben jedenfalls viel gemeinsam.

Ist die SpVgg Unterhaching nach dem Abstieg von 1860 nun die zweite Kraft in München?

Nein.

Obwohl Unterhaching jetzt Dritte Liga und der TSV 1860 Vierte Liga spielt?

Ja. Zweite Kraft in München, das ist ein Titel, den wir nicht verdient haben. Was bei 1860 passiert, ist schade – gleichzeitig denke ich, dass es auch eine Chance für die Löwen ist. Man sieht ja gerade den enormen Zuspruch von der Basis. Auf Sicht hat 1860 wieder eine gute Zukunft. Generell finde ich, Nummer eins, zwei, drei in dieser Stadt ist nicht wichtig. Noch dazu, wo der FC Bayern per se gar nicht in so eine Aufzählung reingehört – dafür ist dieser Klub viel zu weit entfernt. Auch der TSV 1860 hat ganz andere Strukturen als wir. Ich denke, jeder kann in seinem Bereich Nummer eins sein. Ich sehe das als ein Nebeneinander.

Interview: Andreas Werner

Aufrufe: 021.6.2017, 09:10 Uhr
Münchner Merkur: Andreas WernerAutor