2024-04-16T09:15:35.043Z

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Bei seinem Heimatverein lässt der ehemaligen Junioren-Nationalspieler Andreas Karl seine ereignisreiche Karriere ausklingen. Trotz seiner inzwischen 39 Jahre hat er noch lange nicht genug vom Fußball.
Bei seinem Heimatverein lässt der ehemaligen Junioren-Nationalspieler Andreas Karl seine ereignisreiche Karriere ausklingen. Trotz seiner inzwischen 39 Jahre hat er noch lange nicht genug vom Fußball. – Foto: Helmut Weiderer

Sein größter Sieg

Andreas Karl (39) spielte für Sechzig und die Junioren-Nationalmannschaft. Der größte Erfolg seiner Karriere war jedoch der Sieg über den eigenen Körper

In jungen Jahren gehörte er der Bayern-Auswahl an, wechselte in den elitären Nachwuchsbereich der Sechzger, war Junioren-Nationalspieler. Um ihn zu scouten, kam der damalige Club-Trainer Hermann Gerland extra nach Ruhmannsfelden. Später schaffte er mit den Lerchenfeld-Kickern den größten Erfolg der Vereinsgeschichte, den sensationellen Aufstieg in die fünftklassige Bayernliga. Trotz aller Triumphe, trotz einer Karriere, die im Bayerischen Wald seinesgleichen sucht, feierte Andreas Karl den größten Sieg seines Sportlerlebens allerdings abseits des Platzes: Das nicht mehr für möglich gehaltene Comeback nach einer zweijährigen Verletzungs-Odysee. Die eigentlich selbstverständliche Tatsache, dass er einfach wieder das machen kann, was er so liebt: Fußballspielen.

Die Jagd nach dem runden Leder ist für den 39-Jährigen seit frühester Kindheit - nach der Familie - einfach alles, betont er. Seine Verbundenheit zur beliebsten Sportart kann er irgendwie nicht in Worte fassen, so innig ist sie seit jeher. Dennoch versucht es Karl: "Fußball ist ein Teil von mir. Ein Lebensinhalt." Wie so viele andere junge Burschen lernte er das Schießen und Passen praktisch gleichzeitig mit den ersten Schritten. Im Gegensatz zu vielen Altersgenossen blieb es beim Waidler allerdings nicht nur beim Traum, einmal im Konzert der ganz Großen mitmischen zu dürfen. Denn der gebürtige Patersdorfer war mit einem Talent gesegnet, das nicht lange im Verborgenen blieb.

Im Trikot seines Heimatvereins zeigte Andreas Karl nicht nur starke, sondern vielmehr außergewöhnliche Leistungen. Er wurde in die Niederbayern- und später in die Bayern-Auswahl eingeladen. Und während eines Turniers in Duisburg wurde 1860 München auf ihn aufmerksam. "Ich kann mich noch genau an den Anruf erinnern. Ich war nicht Zuhause. Als mir meine Eltern davon erzählten, stand für mich sofort fest: Das probiere ich." Das junge Talent ging 1995 nach München, wohnte bei einer Gastfamilie und spielte gemeinsam mit bekannten Spielern wie Manuel Baum und Andreas Görlitz. Seine Trainer prophezeiten ihm eine große Zukunft. Und dennoch war der Privilegierte unglücklich.

Per Telefon musste er die Hiobsbotschaft verkünden.

"Ja, das kann ich schon zugeben: Ich hatte Heimweh. Ich wollte wieder nach Hause", erzählt er. Anfangs noch, während seiner Schulzeit, pendelte er mit dem Zug in die Landeshauptstadt. Sechzig kam ihm entgegen - er musste nur zwei- statt dreimal pro Woche trainieren. Mit dem Einstieg ins Berufsleben im Jahr 1997 musste sich Andreas Karl jedoch endgültig entscheiden. Und er zog seine Heimat der großen Perspektive vor - eine Herzenssache. Nach seiner Rückkehr in den Bayerischen Wald schloss er sich Bad Kötzting an, eher er das erste Mal zur Spvgg Ruhmannsfelden wechselte.

Dort trumpfte die Offensivkraft, gerade dem Juniorenalter entwachsen, in der damaligen Bezirksoberliga so richtig auf. "In den ersten acht Spielen habe ich 14 Tore geschossen - das hat Hermann Gerland bei seinem Besuch wohl beeindruckt. Ein Wechsel nach Nürnberg stand im Raum." Ein Vertreter des FCN wollte ihm das am Telefon mitteilen, wie sich Karl erinnert. Doch anstatt zuzusagen und es über einen Umweg doch noch in den Profibereich zu schaffen, musste der Waidler mitteilen, dass er sich gerade das Kreuzband gerissen hatte. "Der Club hat mir versichert, dass er mich dennoch auf dem Schirm behalten wird. Ich solle erstmal gesund werden, dann ergibt sich der Rest, hat er gesagt."



Zu diesem Zeitpunkt wusste noch keiner, dass der Kabelkonstrukteur nicht nur kurzfristig ausfallen wird, sondern sogar um seine Karriere bangen muss. Einige Ärzte sprachen von einer Invalidität. Der Grund: Mehrere Knie-Operationen misslangen, Vernarbungen und Entzündungen gehörten praktisch zum Alltag. "Es stand Spitz auf Knopf, ob ich meinen Fuß überhaupt mal wieder komplett belasten kann." Eine verständlicherweise sehr schwierige Zeit für den begeisterten Sportler. Gleichwohl eine Phase, in der er zu sich selbst fand, in der er feststellte, was für ihn wirklich wichtig ist.

So war das Comeback nach über 24 Monaten im Trikot seines Heimatvereins eine Art Wiedergeburt für den damals noch jungen Burschen. "Ich war überglücklich. Ich konnte wieder Fußballspielen - was will man mehr." Vergessen waren die verpassten Möglichkeiten bei 1860 und beim Club. Vergessen waren Gedanken, ob er es nicht doch hätte probieren sollen. Was zählte war das, was auf dem Platz vor sich ging - mit Andreas Karl als technisch beschlagenen Spielmacher sprichwörtlich mittendrin. Und auch seine Zweit-Karriere kann sich durchaus sehen lassen: In Miltach und Deggendorf konnte sich der Mittelfeldstratege höherklassig beweisen, ehe er sich ein zweites Mal Ruhmannsfelden anschloss und schließlich zu seinem Heimatverein zurückkehrte, für den er nach wie vor als Spielertrainer aktiv ist.

Der Spielmacher war Teil der Ruhmannsfeldener Elf, die sensationell in die Bayernliga aufstieg und somit den größten Erfolg der Vereinsgeschichte feierte.
Der Spielmacher war Teil der Ruhmannsfeldener Elf, die sensationell in die Bayernliga aufstieg und somit den größten Erfolg der Vereinsgeschichte feierte. – Foto: Helmut Weiderer


Andreas Karl hat Spuren hinterlassen. Nicht, wie vielleicht möglich, in der Bundesliga, im unpersönlichen Profigeschäft - aber im regionalen Amateurfußball. Sportlich und menschlich. Das bestätigen ehemalige Weggefährten So berichtet Alois Wittenzellner, Sportlicher Leiter von Ruhmannsfelden: "Andreas ist ein sehr guter Kicker mit einer herausragenden Technik. Er hat sich das aber nie raushängen lassen. Im Gegenteil. Er ist ein sehr bodenständiger und angenehmer Zeitgenosse." Marco Fenzl, 1. Vorsitzender der Spvgg Patersdorf, schlägt in eine ähnliche Kerbe: "Andreas hat viele Jahre auf hohem sportlichen Niveau gespielt und einige beachtliche Erfolge gefeiert. Er hat aber nie vergessen, wo seine Wurzeln sind. Er ist ein Vorbild was Fitness, Ehrgeiz und Einsatzbereitschaft betrifft."

Worte, die dem Angesprochenen runtergehen wie Honig. Denn sie stehen sinnbildlich für das, auf was er großen Wert legt. Ihm sind nämlich nicht irgendwelche Erfolge, Titel oder Ehrungen wichtig. Er ist auch keiner, der Bestätigung braucht, wie im Gespräch deutlich wird. Er liebt den Fußball in seiner ursprünglichsten Art und Weise - gemeinsam Leistung zeigen und diese dann auch gemeinsam feiern. Es verwundert also nicht, dass das Ausnahmetalent - trotz fortgeschrittenem Fußballalter - noch lange nicht genug hat. "Solange mich die Beine noch tragen, werde ich spielen." Der Spaß am Spiel sei das Wichtigste. Logisch. Denn der größte Sieg seiner Karriere lässt sich ohnehin durch nichts mehr toppen...



Aufrufe: 027.6.2020, 06:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor