2024-04-23T13:35:06.289Z

Interview der Woche
Warum es wichtig ist, wann ein Sportler 10.000 Trainingsstunden absolviert hat, erfahrt ihr im FuPa-Interview der Woche.
Warum es wichtig ist, wann ein Sportler 10.000 Trainingsstunden absolviert hat, erfahrt ihr im FuPa-Interview der Woche. – Foto: Allgemeine Zeitung

Wer zu spät anfängt, kommt nicht ganz nach oben

Nachspielzeit mit David Klose +++ Der Ingelheim-Coach über den "Goldminen-Effekt" in der Talententwicklung und was Amateurklubs daraus lernen können

Ingelheim. In der Regel drehen sich unsere Hintergrundgespräche um verpasste Chancen und ausstehende Begegnungen. In dieser Woche läuft es etwas anders. Wir haben mit David Klose über dessen aktuelle Lieblingsbeschäftigung während der Zwangspause gesprochen: Lesen. Der Bezirksliga-Trainer der SpVgg Ingelheim spricht im FuPa-Interview der Woche über sein derzeitiges Lieblingsbuch, die Erkenntnisse, die er daraus für sein Trainingskonzept zieht und warum er in Zukunft nur noch zwei Mal die Woche trainieren lässt.

Herr Klose, was macht ein Fußballverrückter wie Sie derzeit mit seiner Freizeit?

Ich nutze die gewonnene Zeit um neue, bisher wenig beachtete Schwerpunkte in Trainingseinheiten zu verpacken und ich kann endlich angefangene Bücher zu Ende lesen.

Klingt interessant. Welches Buch lesen Sie denn gerade?

Der Goldminen-Effekt von Rasmus Ankersen.

Können Sie uns erzählen worum es in dem Buch geht?

Rasmus Ankersen beschäftigt sich mit Talententwicklung und der Frage, warum zum Beispiel die weltbesten Sprinter aus nur einem Club aus Jamaika stammen und warum aus einer einzigen Stadt in Äthiopien, die besten Mittelstreckenläufer der Welt hervorgehen. Das Buch beschäftigt sich mit insgesamt sechs dieser Goldminen und geht Ihrem Erfolg auf den Grund.

Können Sie uns einen kurzen Einblick geben, worin das Geheimnis einer dieser Goldminen liegt?

Das Geheimnis ist, dass es kein Geheimnis gibt! Goldminen muss man einrichten und nicht entdecken. So verhält es sich mit Russland, welches nach 1997 (Anmerkung: Anna Kournikova zieht ins Halbfinale von Wimbeldon ein) in kürzester Zeit 25% der Top 40 der Damenweltrangliste im Tennis stellt und auch mit Brasilien, welches nur 2,7% der Weltbevölkerung ausmacht aber 35% der bisherigen Weltfussballer hervor brachte.

Das heißt es liegt am System dahinter? Sprich es liegt an Trainern und Trainingsmethoden?

Es gibt mehr als eine Handvoll Prinzipien die überall in diesen sogenannten Goldminen gleich sind, Naheliegend und absolut notwendig ist sicherlich der richtige Pate oder die Köpfe dahinter und ebenfalls leicht auszumachen ist, dass die absoluten Topstars nicht schnell aufgeben und die richtige Einstellung entscheidend ist, nicht die richtige Einrichtung. Am meisten inspiriert und am meisten wiedergefunden in meinem Trainingskonzept habe ich mich jedoch in der Aussage: Wer zu spät anfängt, komm nicht ganz nach oben.

Sie könnten sich in dem Buch wiederfinden. Aber wahrscheinlich haben Sie auch neue Erkenntnisse aus dem Buch gezogen? Was können Sie für Ihr Team in Ingelheim mitnehmen?

Für mich war der Fakt interessant, dass ein brasilianischer Fußballer bereits mit 13 Jahren 10.000 Übungsstunden absolviert hat, während ein deutscher Fußballer erst mit ca. 30 Jahren auf 10.000 Stunden kommt. Unterm Strich kann man sagen, dass jeder Topstar einer komplexen Sportart wie Fußball, Tennis oder auch Basketball, diese 10.000 Übungsstunden in frühen Jahren erreicht hat.

Die Zahlen sind im Vergleich enorm. Das wird sich in Deutschland aufgrund Schule, Anzahl der Sportplätzen und zahlreichen Ehrenamtlichen Trainer kaum ändern lassen. Inwiefern helfen Ihnen die Erkenntnisse dieser Zahlen als Trainer der 1. Mannschaft der SpVgg Ingelheim weiter?

Ich für meinen Teil glaube hier herausgelesen zu haben, dass mein jahrelanger Ansatz durch weniger Trainingstage mehr effektive Trainingszeit zu generieren, der Richtige ist. Bei all meinen Teams stand im Vordergrund, dass die Mannschaft die am Wochenende auf dem Spielbericht steht, mehr Trainingszeit gemeinsam bestreitet als unsere Gegner, um im Kollektiv mehr Lösungen für das Wochenende erarbeitet zu haben. Zwei Trainingseinheiten mit 2 Stunden sind hier zielführender als drei Trainingstage mit 1,5 Stunden Erwerbszeit.

Das heißt ihr Team wird im Zukunft weniger Einheiten absolvieren, diese aber intensiver bestreiten?

Zumindest aktuell, sehen wir keine Notwendigkeit eine dritte Einheit anzubieten. Dies gilt übrigens auch für die Vorbereitung, in der wir Fußballer dazu neigen wettbewerbsfremd zu trainieren und unsere Spieler oftmals überbelasten.

Sie trainieren als Bezirksligist wirklich nur zweimal in der Woche?

Wir sind überzeugt davon, dass wir durch unsere spezielle Planung einer Trainingseinheit und Woche nicht weniger, eher mehr Ballkontakte für unsere Spieler generieren als die Konkurrenz mit drei Einheiten. Zum Beispiel in der Vorbereitung sind alle Einheiten darauf ausgelegt 400-500 Ballkontakte und mindestens 90 Minuten reine Belastungszeit zu garantieren.

Zurück zum Buch. Welche neuen Erkenntnisse werden Sie in Ihr künftiges Trainingsprogramm mit aufnehmen?

Das Buch geht nicht sonderlich auf Trainingsmethodik ein, aber ein ganz wesentlicher Aspekt ist das ausfindig machen von Talenten, die andere vielleicht so nicht auf dem Schirm haben. Einen 20-Jährigen, der in der Kreisliga 45 Buden schießt oder einen 6er mit wenig Einsatzzeit in der Oberliga macht jeder meiner Kollegen aus und entsprechend groß ist die Konkurrenz.

Das heißt Sie haben neue Ansätze im Scoutingbereich auf die Sie künftig achten?

Wenn wir in Zukunft auf der Suche nach einem Spieler sind, werden unsere Prioritäten sich etwas verschoben haben, Faktoren die bisher eher nebensächlich waren werden künftig ganz oben rangieren.

Verraten Sie uns auf welche Aspekte Sie zukünftig achten werden?

Fußballer mit Trainerschein sind sicherlich ganz weit oben auf meiner Liste. Es ist eine ganze simple Formel, je mehr man sich mit dem, was man tut, beschäftigt, desto besser wird man darin.

Zum Abschluss eine Frage, Gibt es ein weiteres Buch, dass Sie ihren Kollegen empfehlen können?

Die einzige Empfehlung die ich wirklich jemandem geben würde, ist dass man die Finger von den Übungen aus dem Internet oder Büchern lassen sollte. Eine Trainingsübung ist immer ein Prozess und in den Büchern wird viel zu komplex gestartet.

Aufrufe: 030.4.2020, 16:00 Uhr
Benjamin MarthAutor