2024-04-19T07:32:36.736Z

Interview
Nicht nur auf dem Platz, auch in Lederhosen machen die Brüder Mohammad (links) und Abdullah (rechts) Cheikh Ahmad eine gute Figur. Sehr zur Freude von Abteilungsleiter Markus Biberacher.
Nicht nur auf dem Platz, auch in Lederhosen machen die Brüder Mohammad (links) und Abdullah (rechts) Cheikh Ahmad eine gute Figur. Sehr zur Freude von Abteilungsleiter Markus Biberacher.

„Sport ist die beste Integration“

Abdullah und Mohammad Cheikh Ahmad sind aus Syrien geflohen und fanden ihre neue sportliche Heimat bei der SpVgg Gundremmingen

Abdullah und Mohammad Cheikh Ahmad kamen im Sommer 2015 über die Balkanroute nach Deutschland. Über Bubesheim gelangten sie nach Gundremmingen. Die dortige SpVgg hatte kaum Spieler. Auch dank der Syrer steht sie aktuell auf Platz zwei der Tabelle in der A-Klasse.

Wenn man die vergangene und die laufende Saison verfolgt hat, dann drängt sich der Eindruck auf, dass sie auf Anhieb bei der SpVgg Gundremmingen eingeschlagen haben. Ist das so?

Abdullah und Mohammad: Ja, wir fühlen uns beide wohl in der Mannschaft und es macht uns stolz, dem Team so helfen zu können. Wir haben auch viele Freunde hier gefunden, mit denen wir auch außerhalb des Platzes Spaß haben.

Sie beide haben schon längst Spitznamen bei den Gundremminger Fußballern bekommen: „Mo“ und „Abu“. Hören Sie das gerne?

Abdullah und Mohammad: Ja, das ist gut, weil es einfach und kurz auszusprechen ist und hilft uns so vor allem auch auf dem Platz weiter.

Abdullah, Sie haben in der laufenden Saison in neun Spielen schon 13 Tore geschossen und stehen in der Torjägerliste der A-Klasse West 2 auf Platz zwei. Wie viele sollen es denn werden bis zum Saisonende?

Abdullah: Am besten natürlich so viel wie möglich. Wichtiger ist aber, dass ich meinen Stammplatz im Sturm behalte, weil ich gute Konkurrenz im Sturm habe und in den ersten Spielen wegen einer Schulterverletzung nicht so oft zum Einsatz gekommen bin. Da war ich nicht ganz so glücklich, denn ich will immer spielen. Aber wenn es so weiterläuft, könnten es schon so 25 Tore werden.

Wie charakterisiert auf fußballerischer Basis Abdullah seinen Bruder Mohammad und umgekehrt?

Mohammad: Abu ist ein guter und schneller Spieler. Aber er könnte fleißiger sein und öfter in das Training kommen und seine Chancenauswertung war oft nicht so gut. Trotzdem hat er einen Torriecher und weiß, wo der Ball hinkommt.

Abdullah: Mo ist ein sehr fleißiger und disziplinierter Spieler, der sich immer in den Dienst der Mannschaft stellt. Er ist in jedem Training und hat in der Mannschaft eine zentrale und wichtige Position. Er hat viel Erfahrung und hilft den anderen. Ich fühle mich immer gut, wenn er zusammen mit mir auf dem Platz steht und mir gute Tipps gibt. Er war in Syrien ein sehr bekannter und beliebter Fußballer. Ich denke, wäre er vor zehn Jahren bereits nach Deutschland gekommen, hätte er es vielleicht sogar in die oberen Ligen schaffen können.

Ihr beide seid aus Syrien geflüchtet. Was waren die Gründe?

Mohammad: Natürlich hatte ich wegen des Krieges Angst. Aber der Hauptgrund war, dass der Staat mich zum Kriegsdienst gezwungen hat. Eines Tages im Sommer 2015 wurde ich um neun Uhr in der Früh beim Training mit der Beach-Soccer-Nationalmannnschaft von der Polizei abgeholt und zum Militär gebracht. Als mir dann mal 24 Stunden Ausgang genehmigt wurden, bin ich geflüchtet. Zuerst ohne meine Frau, ganz alleine, zu meinem Bruder Abu in die Türkei.

Abdullah: Ich habe bereits 2011 das Land in Richtung Türkei verlassen, weil ich damals zum Grundwehrdienst eingezogen werden sollte. In der Türkei habe ich vier Jahre in einer Hüttensiedlung mit anderen Syrern gelebt. Dort habe ich dann auch meine jetzige Frau kennengelernt, auch eine Syrerin, die damals geflüchtet ist.

Sie haben in ihrer Heimat doch sicherlich auch Fußball gespielt. Wie ist Ihre dortige Liga im Vergleich zur A-Klasse einzuordnen?

Abdullah: Ich habe in Syrien nur in der Jugend Fußball gespielt, aber das war damals die höchste Jugendliga im Land.

Mohammad: Ich habe in der ersten Liga in Lattakia gespielt und zugleich in der Beach-Soccer-Nationalmannschaft. Ich denke die erste Liga in Syrien, liegt so zwischen 2. und 3. Liga. Die Highlights waren die Reisen mit der Beach-Soccer-Nationalmannschaft, hier sind wir in ganz Asien herumgekommen und haben die Teilnahme zur WM ganz knapp verpasst.

War für Sie Fußball die beste Art der Integration?

Mohammad: Natürlich, ich denke Sport ist die beste Möglichkeit für Integration. Und durch die Kameradschaft in der Mannschaft fällt einem natürlich vieles leichter. Zudem nimmt man so automatisch auch etwas am Dorfleben teil.

Abdullah: Ja, wir waren letztes Jahr auch beim Vereinsausflug dabei und sind auf das Maibaumfest und das Oktoberfest in Gundremmingen gegangen.

Haben Sie Chancen, dauerhaft in Deutschland bleiben zu können?

Mohammad: Es sieht ganz gut aus. Denn wir können nicht zurück, da droht uns Gefängnis oder Todesstrafe.

Besteht im Hinterkopf der Gedanke, eines Tages doch einmal in die alte Heimat zurückzukehren?

Mohammad: Wenn der Krieg zu Ende ist und wir dort nicht mehr verfolgt werden, möchte ich mit meiner Familie wieder zurück. Es ist einfach meine Heimat, auch wenn es mir in Deutschland gut gefällt. Ich will beim Neuaufbau meines Landes dabei sein, denn ich bin Maurermeister und kann helfen.

Abdullah: Ich möchte hier bleiben. Ich bin ja bereits seit 2011 weg von Syrien und vom Staat damals sehr enttäuscht worden. Ich vermisse natürlich meine Eltern, Verwandte und Freunde und würde sie gerne bald wieder sehen und ihnen meine zwei Kinder zeigen. Aber nur zu Besuch, bleiben möchte ich dort nicht mehr.

Aufrufe: 021.10.2017, 10:15 Uhr
Günzburger Zeitung / Alois ThomaAutor