Die Erlangerinnen spielten Karsbach, einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf, an die Wand. In der 80. Minute allerdings traf Daniela Siedler für die Gäste, „ein komisches Kopfballtor nach einer Ecke“, sah Hertwich und verstand die Welt nicht mehr. Seine Mannschaft war besser, auch im Rückstand erspielte sich der Landesliga-Aufsteiger noch Möglichkeiten. „Aber wieder haben wir sie überhastet vergeben. Vielleicht haben die Spielerinnen zu viel gewollt in diesem Moment.“ Hinzu kam, dass die Top-Torjägerin Nina Felgendreher wie schon zu Saisonbeginn zwischen den Pfosten aushelfen musste, weil die etatmäßigen Keeperinnen alle ausgefallen waren. Mit sieben Treffern ist die 19-Jährige die erfolgreichste Angreiferin der Spieli. „Sie hätte ein bis zwei Torchancen sicher verwandelt“, sagt ihre Coach. Doch auch ohne Felgendreher hätten die Erlangerinnen ihre Möglichkeiten nutzen müssen.
„Wir hatten extra Torschuss-Training, unter der Woche, direkt vor dem Spiel. Da knallen sie alles rein“, sagt Hertwich. Im Spiel allerdings läuft eine Angreiferin auf die gegnerische Torhüterin zu und schließt aus 16 Metern überhastet ab, direkt in die Arme der Keeperin. „Der Schuss verhungert, dabei könnten wir den Torhüter auch ausspielen. Die Gegner waren ohne Ball langsamer als wir mit Ball.“ Vor dem Kasten die richtige Entscheidung treffen, das fehlt den Fußballerinnen aktuell, „Kopfsache“, sei es, sagt der Trainer.
Gegen Karsbach bekam das Team die Quittung dafür: Nach vier Siegen in Folge, darunter das 2:1 gegen den Tabellendritten TSV Theuern, verlor die Spielvereinigung erstmals wieder. Der Aufwärtstrend, der Erlangen seit der Winterpause vom Letzten Tabellenplatz auf Rang sieben führte, war gestoppt. „Für mich ist dieses Spiel viel schlimmer“, sagt Hertwich. „Es ist ein Schlag ins Gesicht. Mit drei Punkten wären wir weit weg gewesen von unten.“ So aber ist der Aufsteiger wieder Neunter und mittendrin im Abstiegskampf. Dennoch zweifelt der Trainer nicht am Klassenverbleib. „Mein Team ist taktisch so gut eingestellt, spielerisch gehören wir in der Landesliga unter die Top fünf.“ Erlangen könne jeden Gegner schlagen. „Auch jetzt haben wir acht Hundertprozentige in 90 Minuten heraus gespielt und den Gegner beherrscht.“ Was Thomas Hertwich besonders Mut macht, ist die Art und Weise, wie seine Mannschaft mittlerweile auftritt. „Sie hat mein System langsam begriffen.“ Zu Saisonbeginn war der Coach auf Olaf Müller gefolgt, ein halbes Jahr dauerte die Umstellung. „Immer wieder sind die Spielerinnen ins alte System zurückgefallen.“ Seit der Winterpause läuft es immer öfter so, wie sich das der neue Trainer vorstellt.
„Wir spielen aggressiv gegen Ball und Gegner. So machen wir wenige Fehler und der Gegner hat weniger Torchancen.“ In diesem Kalenderjahr haben die Erlangerinnen bereits zwölf Punkte gesammelt - von möglichen 15. „Insgesamt bin ich total zufrieden“, sagt Hertwich. „Von hinten heraus spielen wir gut, die Laufbreitschaft stimmt.“ Das ist extrem wichtig, denn „unser Spiel ist sehr aufwendig“. Aktuell - und trotz Heimniederlage - würden seine Spielerinnen das „fast perfekt“ umsetzen.
„Wenn wir es weiter so umsetzen, dann klappt’s auch mit dem Klassenverbleib“, ist sich der Coach sicher. Die nächsten drei Wochen werden richtungsweisend sein. Doch selbst danach will Hertwich sein Team nicht abschreiben. „Wir können jeden schlagen.“ Einfacher jedoch wäre es, sich aus dem Abstiegskampf bereits frühzeitig zu verabschieden.
Am kommenden Samstag treten die Erlangerinnen in Aschaffenburg zum „Sechs-Punkte-Spiel“ an. „Wenn wir das gewinnen, könnte es unser Wochenende werden.“ Die gesamte Konkurrenz im Tabellenkeller muss gegen Top-Teams der Liga antreten. Mit einem Dreier könnte sich die Spieli im Bestfall also bereits absetzen. Dafür sind freilich Tore nötig. Allerdings hat Thomas Hertwich auch hier wieder Hoffnung: Weil die etatmäßige Keeperin zurück ist, kann Nina Felgendreher wieder in vorderster Front stürmen. Und die Angreiferin verwandelt schließlich immer ein bis zwei Großchancen.