2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
– Foto: Timo Babic

Ein Kor­schen­broi­cher in der Bun­des­li­ga

Mar­kus Schül­ler ist Schieds­rich­ter-As­sis­tent in der Bun­des­li­ga. Ei­ne Kar­rie­re, die er so nicht ge­plant hat­te und die in Tei­len dem Zu­fall ge­schul­det ist.

Von sei­nem Auf­stieg wur­de Mar­kus Schül­ler auf dem ei­ge­nen Pol­ter­abend über­rascht. Schül­ler war schlecht er­reich­bar, al­so er­fuhr die gu­te Nach­richt zu­erst sein Kol­le­ge Mark Borsch. Borsch klet­ter­te kur­zer­hand auf den Bier­wa­gen. „Der Schül­ler ist auf­ge­stie­gen in die Bun­des­li­ga“, rief er in die Men­ge. Der Bier­wa­gen blieb das gan­ze Wo­chen­en­de ste­hen.

Mark Borsch und Mar­kus Schül­ler sind bei­de Schieds­rich­ter. Ge­nau­er ge­sagt Schieds­rich­ter-As­sis­ten­ten. Sie ge­hö­ren zu den Bes­ten in Deutsch­land. Der Mön­chen­glad­ba­cher Borsch hat mitt­ler­wei­le be­reits an zwei Welt­meis­ter­schaf­ten teil­ge­nom­men. Der Kor­schen­broi­cher Schül­ler ist ak­tu­ell in der neun­ten Sai­son in der Bun­des­li­ga im Ein­satz. Das ist auch dem Zu­fall ge­schul­det.

„Mit 15 Jah­ren hat­te ich ei­nen Ne­ben­job im Ge­trän­ke­markt“, sagt er. Schül­ler war un­zu­frie­den. Er schmiss hin und brauch­te ei­nen neu­en Job. Ein Freund war be­reits Schieds­rich­ter. Fuß­bal­ler war Schül­ler eh, der Ver­such lag al­so na­he.

Vier, fünf Jah­re lang mach­te Schül­ler bei­des: Spie­len und Pfei­fen. Teil­wei­se am sel­ben Tag. Bei­des für die Sport­freun­de Neers­broich Als er sei­ne Aus­bil­dung zum Bank­kauf­mann be­gann, muss­te ei­ne Ent­schei­dung fal­len. „Es war klar, dass ich über ei­nen Er­gän­zungs­spie­ler in der Be­zirks­li­ga nicht hin­aus­kom­me“, sagt er. Aber nicht nur das grö­ße­re Po­ten­zi­al sprach für ei­ne Schieds­rich­ter-Kar­rie­re. „Man lernt, Ent­schei­dun­gen zu tref­fen und hin­ter den Ent­schei­dun­gen auch zu ste­hen.“

Ir­gend­wann war je­doch klar, dass es für die ganz gro­ße Kar­rie­re als Schieds­rich­ter nicht reicht. Bis in die Re­gio­nal­li­ga schaff­te er es. Dann war Schluss. Schül­ler mach­te statt­des­sen als As­sis­tent Kar­rie­re. „Ich war ei­gent­lich lie­ber Schieds­rich­ter“, sagt Schül­ler. „Aber vie­le ha­ben mir ge­sagt, dass ich das als As­sis­tent gut kann. Das hat sich dann nach­her tat­säch­lich be­wahr­hei­tet.“

Frü­her konn­ten As­sis­ten­ten mit ih­ren rich­ti­gen oder fal­schen Ab­seits-Ent­schei­dun­gen über Sieg oder Nie­der­la­ge ent­schei­den. Seit der Ein­füh­rung des Vi­deo­be­wei­ses ist das zu­min­dest in der Bun­des­li­ga an­ders.

„Es ist wirk­lich be­ru­hi­gend“, sagt Schül­ler über die Vi­deo-Un­ter­stüt­zung. Er wird nun nicht mehr so leicht zum Buh­mann Zehn­tau­sen­der Fuß­ball­fans. Be­geht er ei­nen Feh­ler, wird er nach­träg­lich kor­ri­giert. Und Schül­ler sitzt auch auf der an­de­ren Sei­te. Im „Köl­ner Kel­ler“ ist er an Spiel­ta­gen re­gel­mä­ßig selbst als As­sis­tent des Vi­deo­schieds­rich­ters im Ein­satz und über­prüft die Ent­schei­dun­gen sei­ner Kol­le­gen.

Bei sei­nem ers­ten Spiel als Schieds­rich­ter war Schül­ler hin­ge­gen noch ganz al­lei­ne mit den Mann­schaf­ten. Sport­freun­de Neu­werk ge­gen Rot-Weiß Hock­stein. D-Ju­gend. Die Paa­rung fällt ihm noch heu­te so­fort ein. Das bis­lang be­deu­tends­te Spiel sei­ner Kar­rie­re fand vor knapp drei Jah­ren statt. FC Schal­ke 04 ge­gen Ein­tracht Frank­furt. DFB-Po­kal-Halb­fi­na­le.

Um sei­ner Lei­den­schaft nach­ge­hen zu kön­nen, ist für Schül­ler viel Ein­satz not­wen­dig. Als Bun­des­li­ga-As­sis­tent ver­dient er zwar 40.000 Eu­ro pro Sai­son und wei­te­re 2500 Eu­ro für je­den Ein­satz in die­ser Spiel­klas­se. An­ders als die Spie­ler ist er je­doch kein Pro­fi. Schül­ler hat ei­ne 70-Pro­zent-Stel­le. Ne­ben­bei muss er im­mer auch Zeit für die Vor- und Nach­be­rei­tung der Spie­le fin­den. Zwei­mal die Wo­che trai­niert er im Ide­al­fall. Und dann sind da auch noch Frau und Kin­der. Der vier­ein­halb­jäh­ri­ge Sohn has­se Fuß­ball, sagt Schül­ler und lacht. Al­le Hoff­nung ru­he da­her für ihn auf der ein­ein­halb­jäh­ri­gen Toch­ter.

Schül­ler sieht sei­ne Kar­rie­re rea­lis­tisch. Für die noch grö­ße­re Büh­ne, für Cham­pi­ons Le­ague und Län­der­spie­le, wird es nicht mehr rei­chen. Für ei­nen wei­te­ren Auf­stieg ist er mit sei­nen 39 Jah­ren zu alt. Un­si­cher hin­ge­gen ist es, ob er noch ein Spiel in der Münch­ner Al­li­anz-Are­na er­lebt.

Seit die­ser Sai­son steht Schül­ler bei Flo­ri­an Bad­stüb­ner an der Sei­ten­li­nie. Der drit­te Schieds­rich­ter, dem er in der Bun­des­li­ga dau­er­haft as­sis­tiert. Der drit­te Bay­er. Die wer­den aus re­gio­na­len Grün­den in der Re­gel nicht nach Mün­chen ge­schickt. „Ich war über­all schon, au­ßer bei Bay­ern Mün­chen“, sagt Schül­ler. „Wenn das nach­her so bleibt, dann ist das eben so.“

Aufrufe: 010.1.2021, 20:00 Uhr
NGZ / Marc LatschAutor