Mark Borsch und Markus Schüller sind beide Schiedsrichter. Genauer gesagt Schiedsrichter-Assistenten. Sie gehören zu den Besten in Deutschland. Der Mönchengladbacher Borsch hat mittlerweile bereits an zwei Weltmeisterschaften teilgenommen. Der Korschenbroicher Schüller ist aktuell in der neunten Saison in der Bundesliga im Einsatz. Das ist auch dem Zufall geschuldet.
„Mit 15 Jahren hatte ich einen Nebenjob im Getränkemarkt“, sagt er. Schüller war unzufrieden. Er schmiss hin und brauchte einen neuen Job. Ein Freund war bereits Schiedsrichter. Fußballer war Schüller eh, der Versuch lag also nahe.
Vier, fünf Jahre lang machte Schüller beides: Spielen und Pfeifen. Teilweise am selben Tag. Beides für die Sportfreunde Neersbroich Als er seine Ausbildung zum Bankkaufmann begann, musste eine Entscheidung fallen. „Es war klar, dass ich über einen Ergänzungsspieler in der Bezirksliga nicht hinauskomme“, sagt er. Aber nicht nur das größere Potenzial sprach für eine Schiedsrichter-Karriere. „Man lernt, Entscheidungen zu treffen und hinter den Entscheidungen auch zu stehen.“
Irgendwann war jedoch klar, dass es für die ganz große Karriere als Schiedsrichter nicht reicht. Bis in die Regionalliga schaffte er es. Dann war Schluss. Schüller machte stattdessen als Assistent Karriere. „Ich war eigentlich lieber Schiedsrichter“, sagt Schüller. „Aber viele haben mir gesagt, dass ich das als Assistent gut kann. Das hat sich dann nachher tatsächlich bewahrheitet.“
Früher konnten Assistenten mit ihren richtigen oder falschen Abseits-Entscheidungen über Sieg oder Niederlage entscheiden. Seit der Einführung des Videobeweises ist das zumindest in der Bundesliga anders.
„Es ist wirklich beruhigend“, sagt Schüller über die Video-Unterstützung. Er wird nun nicht mehr so leicht zum Buhmann Zehntausender Fußballfans. Begeht er einen Fehler, wird er nachträglich korrigiert. Und Schüller sitzt auch auf der anderen Seite. Im „Kölner Keller“ ist er an Spieltagen regelmäßig selbst als Assistent des Videoschiedsrichters im Einsatz und überprüft die Entscheidungen seiner Kollegen.
Bei seinem ersten Spiel als Schiedsrichter war Schüller hingegen noch ganz alleine mit den Mannschaften. Sportfreunde Neuwerk gegen Rot-Weiß Hockstein. D-Jugend. Die Paarung fällt ihm noch heute sofort ein. Das bislang bedeutendste Spiel seiner Karriere fand vor knapp drei Jahren statt. FC Schalke 04 gegen Eintracht Frankfurt. DFB-Pokal-Halbfinale.
Um seiner Leidenschaft nachgehen zu können, ist für Schüller viel Einsatz notwendig. Als Bundesliga-Assistent verdient er zwar 40.000 Euro pro Saison und weitere 2500 Euro für jeden Einsatz in dieser Spielklasse. Anders als die Spieler ist er jedoch kein Profi. Schüller hat eine 70-Prozent-Stelle. Nebenbei muss er immer auch Zeit für die Vor- und Nachbereitung der Spiele finden. Zweimal die Woche trainiert er im Idealfall. Und dann sind da auch noch Frau und Kinder. Der viereinhalbjährige Sohn hasse Fußball, sagt Schüller und lacht. Alle Hoffnung ruhe daher für ihn auf der eineinhalbjährigen Tochter.
Schüller sieht seine Karriere realistisch. Für die noch größere Bühne, für Champions League und Länderspiele, wird es nicht mehr reichen. Für einen weiteren Aufstieg ist er mit seinen 39 Jahren zu alt. Unsicher hingegen ist es, ob er noch ein Spiel in der Münchner Allianz-Arena erlebt.
Seit dieser Saison steht Schüller bei Florian Badstübner an der Seitenlinie. Der dritte Schiedsrichter, dem er in der Bundesliga dauerhaft assistiert. Der dritte Bayer. Die werden aus regionalen Gründen in der Regel nicht nach München geschickt. „Ich war überall schon, außer bei Bayern München“, sagt Schüller. „Wenn das nachher so bleibt, dann ist das eben so.“