2024-04-25T14:35:39.956Z

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Spielbetrieb in der Justizvollzugsanstalt Darmstadt: Die Gefängnismannschaft SV Kiefer empfängt dort die Mannschaften der Kreisliga D. 	Archivfoto: Thomas Zöller
Spielbetrieb in der Justizvollzugsanstalt Darmstadt: Die Gefängnismannschaft SV Kiefer empfängt dort die Mannschaften der Kreisliga D. Archivfoto: Thomas Zöller

Spiele hinter Mauern: Aus für Modellprojekt?

Einlasskontrollen sorgen bei der Gefängnismannschaft SV Kiefer zunehmend für Probleme / Sonderrolle in der Kreisliga D wackelt

Mittlerweile die sechste Saison spielt der SV Kiefer Darmstadt in der Kreisliga D Darmstadt. Der SV Kiefer ist kein normaler Fußballverein sondern eine Gefängnismannschaft, die am Ligaspielbetrieb des Hessischen Fußball-Verbandes (HFV) teilnimmt. Anzeichen sprechen dafür, dass dieses bundesweit beachtete Projekt vor dem Aus steht.

Es waren seinerzeit harte Bretter zu bohren, ehe die Sache perfekt gemacht werden konnte. Der SV Kiefer Darmstadt, ein von Gerhard Wydra als Bediensteten der JVA Darmstadt gegründeter Sportverein, kickte ab Mitte der neunziger Jahre als Sondermannschaft im Kreis Darmstadt.

Aus nachvollziehbaren Gründen nur Heimspiele

Diese Spiele galten als Freundschaftsspiele und wurden vom Fußballkreis Darmstadt organisiert. Die Besonderheit schon damals: der SV Kiefer konnte aus nachvollziehbaren Gründen nur Heimspiele austragen. Die jeweiligen Gegner mussten also in die JVA fahren, um innerhalb des Geländes auf einem Tennenplatz ihre Spiel auszutragen. Selbstverständlich fanden bereits damals Ausweis- und Taschenkontrollen derjenigen statt, die in die JVA zum Fußballspielen kamen. Im Verlauf der Jahre wurde der Spielbetrieb der Sondermannschaften wegen fehlender Mannschaften im Kreis Darmstadt eingestellt. Der SV Kiefer orientierte sich zunächst in den Kreis Groß-Gerau, in dem aber wenige Jahre später der Spielbetrieb ebenfalls eingestellt wurde.

Das hätte für den SV Kiefer als Fußballmannschaft das Aus bedeutet. In dieser Situation kam der Gedanke auf, die Mannschaft am regulären Punktspielbetrieb des HFV teilnehmen zu lassen. Um das zu realisieren, mussten Darmstadts Kreisfußballwart Michael Sobota (Ober-Ramstadt) und sein Vertreter Dieter Behrendt (Wixhausen) viel Überzeugungsarbeit leisten. Nach der Spielordnung des hessischen Verbandes muss zum Beispiel jeder Verein gegen seinen jeweiligen Gegner ein Heim- und ein Auswärtsspiel austragen. Für Kiefer gibt es aber nur Heimspiele. Nach dem positiven Plazet des Verbandsvorstandes galt es, die Vereine der Kreisliga D mit ins Boot zu holen. Verbunden mit dem zweimaligen Anreisen in die JVA waren auch Sicherheitsüberprüfungen durch die Anstalt. Nach anfänglichen Vorbehalten nahm der SV Kiefer in der Saison 2011/12 erstmals an einem Punktspielbetrieb teil.

Ein über die hessischen Landesgrenzen hinaus beachtetes und einzigartiges Projekt nahm seinen Lauf. Seit der vergangenen Saison liegen nun Schatten auf dem sozialen Projekt. Durch die konsequente Umsetzung von Sicherheitsbestimmungen durch die JVA kommt es immer häufiger zur Zurückweisung von Spielern der Mannschaften, die zu Punktspielen in der JVA antreten. Prüfte die JVA in früheren Tagen nur, ob ein Spieler selbst eingesessen oder Besuchskontakte hatte, werden die Spieler der Mannschaften nun durch die Polizei auf bestimmte Eintragungen im Polizei-Informationssystem überprüft. Rauschgiftdelikte und Körperverletzung im Verlauf der letzten drei Jahre begangen führen dazu, dass die Spieler draußen bleiben müssen. Die Info erhält die JVA als Rückmeldung von der Polizei.

Zwar versucht Peter Büttner, als Beschäftigter der JVA und Manager der Knastmannschaft, die Vereine, die vor Beginn der Saison eine Spielerliste an die JVA übermitteln, frühzeitig zu informieren. Doch seit mehr als einem Jahr häufen sich die Fälle, in denen Spieler zurückgewiesen werden. „Vor allem betroffen sind Spieler, die nicht auf der eingereichten Liste stehen, weil sie neu im Team sind oder aus der ersten Mannschaft in der Reserve eingesetzt werden“, erklärt Büttner, der selbst unglücklich über die Entwicklung ist. „Der Aufwand, den ich betreiben muss, ist immens. Zudem wird es immer schwieriger den Mannschaften zu erklären, dass bestimmte Spieler keinen Einlass erhalten“. Das bürokratische Prozedere ist riesig, weil die JVA verlangt, eine aktuelle Spielerliste für das konkrete Spiel nochmals mindestens eine Woche vorher abzuliefern. Das klappt teilweise, aber häufig auch nicht. Zuletzt verweigerte man drei Spielern der TGB Darmstadt den Zutritt, worauf die Mannschaft abreiste. Am Sonntag nun ist ein Gastspiel der zweiten TGB-Mannschaft vorgesehen.

Gespräche von Kreisfußballwart Michael Sobota mit Anstaltsleiterin Claudia Fritz im Frühjahr verliefen zwar von gegenseitigem Verständnis geprägt. In der Sache selbst hat es nicht dazu geführt, die Lage zu entspannen. Bis zur Justizminsterin Eva Kühne-Hörmann ist das Thema bereits vorgedrungen, die nach Aussage von Peter Büttner großen Wert darauf legen soll, das Projekt zu erhalten. Allerdings herrscht im operativen Bereich von Ministerium und JVA vermeintlich die Auffassung, zur derzeitigen Regelung gäbe es keine Alternative.

Sobota will jetzt einen Termin mit der Ministerin vereinbaren und den Versuch unternehmen, das Projekt noch zu retten. Der Zeitplan ist knapp. Sollte bis zur Winterpause keine Lösung erzielt sein, könnte ein bundesweit beachtetes Modellprojekt der Vergangenheit angehören.



Zum ersten Punktspiel des SV Kiefer in der Kreisliga D am 20- August 2011 kam auch Prominenz in die Justizvollzugsanstalt Darmstadt: der damalige Justizminister Jörg-Uwe Hahn, HFV-Präsident Rolf Hocke, und der Weltmeister von 1954, Horst Eckel. Sportlich gehörte der SV Kiefer die ersten vier Jahre zur Elite der Liga. Im vorletzten Jahr wurde man sogar Vizemeister, doch konnte man an Aufstiegsspielen nicht teilnehmen, weil nach den kreisinternen Regularien nur die Meisterschaft einen Aufstieg ermöglicht hätte.

Große Resonanz findet seit Jahren auch ein weiterer Wettkampf mit Beteiligung von Inhaftierten und Externen im Fritz-Bauer-Haus: Der Knastmarathon. Das Rennen, bei dem die 42,195 Kilometer auf einem knapp zwei Kilometer langen Rundkurs ausgetragen wird, wurde im Mai zum zehnten Mal ausgetragen.

Auch Weltmester Horst Eckel kam
Aufrufe: 09.10.2016, 12:17 Uhr
Daniel Sobota (Darmstädter Echo)Autor