2024-04-19T07:32:36.736Z

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Bei den Nachwuchskickern in der Fair-Play-Liga gibt es keinen Schiedsrichter. Die Spieler entscheiden selbst, wenn ein Foul vorliegt. Außerdem sollen die Zuschauer mindestens 15 Meter vom Spielfeldrand entfernt stehen.	F: Ernst Mayer
Bei den Nachwuchskickern in der Fair-Play-Liga gibt es keinen Schiedsrichter. Die Spieler entscheiden selbst, wenn ein Foul vorliegt. Außerdem sollen die Zuschauer mindestens 15 Meter vom Spielfeldrand entfernt stehen. F: Ernst Mayer

Spielabbruch in der Fair-Play-Liga

Nachdem Eltern aneinandergeraten, wird das F2-Jugend-Spiel TSV Meitingen gegen TSV Steppach vorzeitig beendet

„Es macht bald keinen Spaß mehr!“ Gerhard Kesselring schüttelt den Kopf. Seit Jahrzehnten ist der Funktionär aus Dinkelscherben im Bayerischen Fußball-Verband als Spielleiter im Jugendfußball tätig. Was ihm am vergangenen Wochenende auf den Schreibtisch flatterte, hat er noch nie erlebt: Einen Spielabbruch in der Fair-Play- Liga. „Das ist wohl ein Witz?“

Gut. Die Fair-Play-Liga gibt es erst seit zwei Jahren. Der Ausgang des Spiels ist sekundär. Ziel sei es, dass der Sport für die kleinen Spieler kindgerecht und das Spielfeld an die Sichtweise der Kinder angepasst wird. Mit der Fair-Play-Liga will man den Leistungsdruck von den Sechs-, Sieben- oder Achtjährigen nehmen, die in den F- und E-Junioren-Mannschaften kicken. „Die Kinder haben schon genug Druck in der Schule. Wenn man sieht, wie wenig Freizeit die Kinder heutzutage haben, sollen sie wenigstens Spaß im Sport haben“, sagt ein Jugendspielgruppenleiter aus dem Allgäu. „Es ist wichtiger, sich in diesem Alter sportlich zu betätigen und in ein Team zu integrieren, als möglichst viele Tore zu schießen.“

Als Problem hat man aber auch überengagierte Eltern ausgemacht. Deshalb sollen die Erwachsenen bei den Spielen der Fair-Play-Liga nicht direkt am Spielfeldrand stehen. Anstelle eines Schiedsrichters entscheiden die jungen Kicker selbst, ob es Foul war oder nicht. Ein Fußballspiel ohne Schiedsrichter? Das ist möglich. Sagt zumindest der Bayerische Fußball-Verband.

Die Realität sieht anders aus. Am vergangenen Wochenende wurde die Partie der Fair-Play-Liga zwischen den F2-Junioren des TSV Meitingen gegen den TSV Steppach abgebrochen. Beim Stand von 0:3 soll die Mutter eines gefoulten Steppacher Spielers auf das Spielfeld gelaufen sein, ihr weinendes Kind vom Platz getragen und einen Meitinger Spieler verbal attackiert haben. Als sie vom Betreuer des TSV Meitingen aufgefordert wurde, das Spielfeld zu verlassen, hätten andere Steppacher Eltern beleidigende Worte gerufen. Vom „Bauernverein“ soll die Rede gewesen sein. Nach diesen verbalen Attacken entschieden sich die Meitinger, das Spiel abzubrechen, weil sie sich nicht länger beleidigen lassen wollten.

Die kleinen Kicker standen derweil ziemlich bedröppelt auf dem Platz. Jetzt muss sich das Jugendsportgericht mit der Fair-Play-Liga beschäftigen. Das ist schwierig, weil es ja keinen neutralen Schiedsrichter gibt. Diese Aufgabe übernehmen die kleinen Kicker selber. „Ein F-Jugend-Spieler kann sehr wohl entscheiden, was ein Foul war und was nicht. Und in einem F-Jugend-Spiel gibt es höchstens drei, vier kritische Szenen zu beurteilen“, sagen die Befürworter. „Sechsjährige haben noch kein Gespür für Recht und Unrecht“, widerspricht Thorsten Vrazic, der Abteilungsleiter des TSV Meitingen. Seitenlange Stellungnahmen wurden inzwischen angefertigt.

Vrazic ist grundsätzlich erst einmal maßlos enttäuscht, über einen Spielabbruch bei siebenjährigen F2-Junioren überhaupt Stellung beziehen zu müssen. „Schenkt man der Stellungnahme der Mutter des Steppacher Spielers Glauben, hätte das Spielfeld einem ‚Schlachtfeld‘ ähneln müssen.“ Dass ihr Sohn sich bei einem Zweikampf verletzt hat, tut ihm leid. „Ich wehre mich aber gegen die Vorwürfe, dass unsere siebenjährigen Spieler bewusst auf die Knochen, Füße oder sogar Genitalien des Gegners getreten haben.“

Dass der Abbruch durch den Meitinger Trainer verursacht wurde, bedauert Vrazic sehr. Ihm stelle sich jedoch in erster Linie die Frage, warum die Trainer von Steppach auf ihre mitgereisten Eltern nicht eingewirkt haben und unsere Trainer nicht imstande waren, sich zu besinnen und die letzten zwei, drei Minuten positiv zu Ende gebracht haben.

Des Weiteren werde er sich persönlich dafür einsetzen, dass ab dem nächsten Heimspiel die Sicherheitsabstände zum Spielfeld für Eltern ausreichend gekennzeichnet und eingehalten werden. Vor dem Spiel sei sehr wohl mit dem TSV Steppach besprochen worden, ob die Abstandslinien aufgebaut werden sollen, was beide Parteien verneinten. „Weil vorausgesetzt wurde, dass die Eltern sich immer ordentlich verhalten.“ Ein Irrtum.

„Was heutzutage alles passiert“, wundert sich Gerhard Kesselring über nichts mehr. „Überall wird nur noch geklagt, gemotzt und gefordert. Die Menschen werden immer aggressiver und rücksichtsloser.“ Die Fair-Play-Liga wäre eine gute Gelegenheit für den Beweis des Gegenteils gewesen.

Aufrufe: 012.5.2014, 14:09 Uhr
Augsburger LandboteAutor