Erinnern Sie sich noch an die Fernsehsendung „Das Familien-Duell“? In dieser einfachen, wie genialen Spielshow duellieren sich zwei Teams. Das besondere dabei: Sie müssen je nach Spielrunde die sechs/fünf usw. häufigsten gegebenen Antworten nennen. Legendär und unentrinnbar festgesetzt im Ohr haen sich die Worte des Moderators Werner Schulze - Erdel „100 Leute haben wir gefragt….“ , Wer als erstes den Buzzer drückt, hatte die Chance, seinen Favoriten zu benennen. Wenn er richtig lag, durfte sein Team weitere Einschätzungen abgeben. Je nachdem, ob und an welcher Stelle (gemessen an der Anzahl der Personen, die diese Antwort gegeben haben) der geratene Begriff stand, erhält das eigene Team eine entsprechende Anzahl der Punkte. Fähigkeiten, wie Risikofreude, Antizipation und Allgemeinwissen in seinem ursprünglichsten Wortsinne führen zum Erfolg und dem damit verbundenen Geldgewinn.
Denn nicht selten hören, aktiv spielende Frauen von Freunden, Bekannten oder flüchtigen Begegnungen diese eine entscheidende Frage: Jetzt mal unter uns: Wieviele Frauen sind denn bei euch lesbisch? Da gibts doch eine ganze Menge oder so? Und ich frage mich ganz ehrlich :D Wieso hört MANN diese Frage nie? Oder kommen Sie als Frau, wenn Sie mitbekommen, dass ein Mann Fussball spielt, als erstes auf die Idee, zu fragen: Sag mal, jetzt mal ehrlich, ganz unter uns, wieviel Spieler von euch sind schwul? Wohl kaum! Warum stellt aber niemand (diese höchst indiskrete) Frage. Woran liegt das?!
Ich will darauf ein paar Antworten finden und aufzeigen, was dieser Umgang mit dem (un)verhohlenen Interesse an der sexuellen Orientierung der entsprechenden männlichen und weiblichen Akteure für Rückschlüsse auf Gesellschaftsbilder und zugrunde liegenden Werthaltungen zulässt. Und was an Prozessen oder Einstellungsänderungen passieren muss, damit entweder eine solche Frage hinfällig wird oder im Sinne der Gleichberechtigung in beide Richtungen ohne Angst vor Denunzierung zu haben, gestellt werden kann.
Denn letztlich offenbart diese im schützenden Mantel der Pseudo-Vertrautheit formulierte Frage einen ganz subtilen gesellschaftlich legitimierten Sexismus, vor dem sich die betroffenen SpielerInnen kaum retten können und entweder stillschweigend hinnehmen oder selten laut protestierend abwiegeln.
Denn die Annahme, dass es eine Korrelation zwischen der sexuellen Orientierung und der Sportart gibt, erstreckt sich nur auf den FRAUENFussball. Alleine die Bezeichnung FRAUENFUssball ist schon obsolet: warum muss es für die Frauen, die Fussball spielen, einen eigenen Begriff geben? Als ob FRAUENFussball nicht gleichzusetzen wäre mit dem eigentlichen Fussball, als Fussball zweiter Klasse wäre, dem eine andere Wertigkeit inne wohnt. Genauso pervers wäre es ja von Ballett und Männerballett zu sprechen, oer nicht? Mit welcher Rechtfertigung denn bitte? :D)
Während es also in Hinblick auf den Frauenfussball geradezu erwartet wird, dass ihre AkteurInnen sich gegenseitig, untereinander lieben, ist diese Prämisse beim MÄNNERFußball kaum zu denken. Obwohl meiner kühnen Einschätzung nach und der Statistik nach zu urteilen, da sich die prozentuale Verteilung über beide Geschlechter gleichermaßen erstreckt, es da keine großen Abweichungen geben dürfte. Man nimmt ungefähr an, dass 10% der Menschheit eine homosexuelle Veranlagung/ Neigung besitzt. Rechnerisch umgerechnet müsste also bei einem Team aus durchschnittlich 22 bestehenden SpielerInnen min. 2,2 SpielerInnen homosexueller Natur sein. Wo dieser Wert beim FRAUENFussball regelmäßig abgefragt und eingefordert (und der Ironie zufolge) ja auch bei Weitem erreicht wird. herrscht bei den Männern eisernes Schweigen. Grund dafür sind inhärente Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit. Man(n) darf ja nicht vergessen, dass Frauenfussball erst seit den 70ern erlaubt ist und auch als eine Art Errungenschaft der Emanzipationsbewegung betrachtet werden kann. Die Bewegungen und Abläufe bei diesem Ballsport (der in juristischer Hinsicht sogar unter die Kampfsportarten fällt, Dank an Laura Liedmeier für dieses wunderbare Detailwissen :D) wurden bis dato (und werden bestimmt auch noch von einem Großteil der Gesellschaft, auch wenn die einstigen Bilder langsam zu verblassen drohen) als sehr hart, ruppig und unweiblich de-klassiert. Jede Frau, die also sich einem solchen spielerischen Treiben freiwillig aussetzte, geriet in Gefahr und in Verdacht, als Mannsweib denunziert zu werden. Und da Mannsweiber der heteronormativen Logik nach für Männer nicht begehrenswert sind, blieb ihnen nur die Flucht zu den Frauen.
Ein anderer Grund, der dieses verbreitete Denken nährt, ist gewiss die Problematik der Sichtbarkeit. Auch wenn der DFB grundsätzlich das Thema Homosexualität stiefmütterlich behandelt (selbst im FRAUENFussball hahaha und es so z.B. ungern gesehen ist, wenn sich eine Spielerin outet) gibt es weitere Unterschiede. Denn im Umkehrschluss wird automatisch ein ganz interessanter Erwartungsdruck auf heterosexuelle Spielerinnen ausgelöst, die quasi nicht dieser homosexuellen Norm im Frauenfussball entsprechen. Wie oft hat zum Beispiel eine Celine Preuß von der DSC Arminia Bielefeld zu hören bekommen. „Du siehst gar nicht aus wie eine Fußballerin“. Was ist denn das für eine Nonsens - Aussage? Wie sieht denn bitte eine stereotypische Fußballerin aus? Oder andersrum gedacht. Der Druck, der auf die männlichen Fußballer ausgeübt wird, sich um Gottes Willen nicht zu outen, evoziert das Phänomen, dass keiner den Mut findet an die Öffentlichkeit zu gehen. Demzufolge wird die Erkenntnis genährt, dass es keine schwulen Männer im Fussball gebe. Sorgsam arrangierte Instanzen wie Spieleragenturen, die dazu dienen den Schein zu wahren, sind ein nicht unbedeutender Teil dieser sich selbst erhaltenen Hetero - Maschinerie. Wenn eine solche Kultur und Mentalität der Repression herrscht, aus Angst vor marketingtechnischen Einbußen oder der homophonen Reaktionen des „gemeinen“ Fanvolkes, dann ist es ja auch kein Wunder, dass es vermeintlich keine schwulen Fussballer gibt.
Als sich Thomas Hitzlsperger nach seinem Karriereende in einem bewegenden Interview in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ dazu bekannte, Männer zu lieben, war die Hoffnung groß, dass mit der gezeigten Welle der Solidarität und des gezollten Respekts für diesen Schritt, andere (aktive) Spieler es ihm gleich taten, Doch der Schneeballeffekt ließ auf sich warten, nicht zuletzt weil Hitzsperger selbst eindrucksvoll geschildert hatte, warum es aktuell für einen männlichen Profi unzumutbar sei, sich zu outen.
Ich bin mir sicher, so wie bei allen gesellschaftlichen Veränderungen, dass auch dies nur eine Frage der Zeit ist und mit zunehmender Auseinandersetzung an Brisanz verliert. Der Weg dorthin ist aber seehhhrrr schwer, weil es dafür Pioniere benötigt, die den ersten Sturm der Entrüstung oder des Schocks souverän und cool abfedern können, bevor es dann zur Normalität geworden ist und sich das Denken in solchen Kategorien von selbst auslöst. Und das ist nur möglich, wenn betroffene Spieler von ganz oben geschützt werden und jede Form der Anfeindung und Denunzierung im Keim erstickt wird. Die Welt hat einen großen Schritt gemacht, dem Rassismus zumindestens im Sport offiziell keine Nahrung mehr zu geben. Jetzt ist es an der Zeit Homophobie, gerade im Männerfussball, auszulöschen. Denn der Volkssport Fußball kommt dank seiner riesigen Popularität die Verantwortung zu, mit eben solchen Vorurteilen aufzuräumen. Denn dort werden Gesellschaftsbilder geprägt und können dementsprechend aufgebrochen werden.
Doch wie sagte Albert Einstein schon einmal? „Es ist leichter, ein Atom zu spalten, als ein Vorurteil.“
weitere Links:
eine kleine Satire zu dieser Thematik indem die herrschenden Vorurteile einfach mal auf den Kopf gestellt werden:
https://www.youtube.com/watch?v=bABWAiGyEwM
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