„Die Halbwertzeiten von verlässlichen und planbaren Informationen stellen uns alle auf eine sehr harte Geduldsprobe. Der Corona-Live-Ticker tickt im Stundentakt,“ heißt es auf der Homepage der SG Kaarst. Die darf zwar theoretisch wieder die städtischen Turnhallen benutzen, tut dies wie die meisten Vereine aber nur zögerlich. Der Grund ist in den meisten Fällen der gleiche: Die dafür nötigen Hygienekonzepte müssen nicht nur erstellt, sondern auch mit den städtischen Ämtern abgestimmt werden.
Auch die TG Neuss bietet weiterhin nur „Outdoor-Aktivitäten“ auf ihrem Vereinsgelände hinter der Geschäftsstelle an der Schorlemerstraße an, gleiches gilt für den TSV Bayer Dormagen, den dritten der drei mitgliederstärksten Sportanbieter im Rhein-Kreis. Und wer gedacht hatte, nach Pfingsten wieder ins Mannschaftstraining bei Ballsportarten einsteigen oder im Judo, Ringen oder Boxen wieder mit Partner (oder Gegner) üben zu können, wie es die für Sport zuständige NRW-Staatssekretärin Andrea Milz vor drei Wochen angekündigt hatte, sieht sich ge- und in vielen Fällen enttäuscht: „Untersagt sind der nicht-kontaktfreie Sport- und Trainingsbetrieb sowie jeder Wettkampfbetrieb,“ heißt es in der am Mittwoch veröffentlichten, aktualisierten Fassung der Corona-Schutzverordnung des Landes.
Um deren den Sport betreffenden Inhalte zu verstehen, muss man ein Semantik-Seminar besucht haben. „Im Breiten- und Freizeitsport auf und außerhalb von öffentlichen oder privaten Sportanlagen sind Wettbewerbe im Freien zulässig auf der Grundlage eines besonderen Hygiene- und Infektionsschutzkonzeptes nach §2b,“ heißt es da. Im nächsten Satz steht: „Sportfeste und ähnliche Sportveranstaltungen sind bis mindestens zum 31. August 2020 untersagt.“ Was der Unterschied zwischen einem „Wettbewerb im Freien“ und einem „Sportfest“ oder einer „ähnlichen Sportveranstaltung“ ist, wird nicht erläutert. Die Konsequenz: Die Vereine lassen gleich ganz die Finger von irgendwelchen Veranstaltungen.
Mit einschneidenden Konsequenzen: Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) „zieht nach einer aktuellen Schadenserhebung bei seinen 100 Mitgliedsorganisationen das Fazit, dass die Schäden im organisierten Sport in Deutschland durch die Corona-Pandemie Milliardenhöhe erreichen werden,“ teilte der DOSB am Mittwochabend mit. „Als zentraler Faktor für die dramatischen Schäden in zahlreichen Sportarten auf Vereins- und Verbandsebene werden die derzeit fehlenden Sportveranstaltungen benannt, die sich auf zahlreiche Einnahmepositionen erheblich auswirken,“ heißt es weiter.
Alfons Hörmann sieht deshalb „die Vielfalt der Vereins- und Verbandslandschaft in Deutschland massiv in Gefahr. Wenn wir nicht bald zum herkömmlichen Sporttreiben mit entsprechenden Wettkampfaktivitäten zurückfinden und zusätzlich dringend notwendige Hilfen über alle Ebenen erfahren, wird Sportdeutschland im kommenden Jahr nicht mehr wiederzuerkennen sein,“ schreibt der DOSB-Präsident.
Selbst die, die behutsam ihrem Sport wieder nachgehen können, sehen sich mit vielen Unwägbarkeiten konfrontiert. So dürfen die 92.963 Mitglieder im Tennisverband Niederrhein wieder trainieren, auch die von Ort zu Ort unterschiedliche Auslegung, ob Doppel erlaubt sind, wurde inzwischen geklärt. Und ab 9. Juni soll es in einer „Übergangssaison“ (TVN-Präsident Dietloff von Arnim) auch Medenspiele geben. „Wir wissen nur noch nicht genau, unter welchen Bedingungen,“ sagt Bernhard Rüsing, Geschäftsführer beim TC Blau-Weiss Neuss, „wir warten da noch auf Hinweise von Verbandsseite.“
Gleichwohl hat Blau-Weiss die meisten Mannschaften für die „Übergangssaison“ gemeldet, die Damen 65 verzichten allerdings auf einen Start in der Niederrheinliga. Für sie gilt, was Henning Pauwels, der neue Vorsitzende des Tenniskreises Neuss, sagt: „Ich habe für alle Spieler und Spielerinnen Verständnis, die sich aus verschiedenen Gründen, zum Beispiel aus Rücksicht und Schutz wegen der Ansteckungsgefahr, in dieser Sommersaison zurückhalten.“
Wie viele das letztlich auf Verbandsebene sind, wird erst nächste Woche feststehen. Der TVN hat die Frist, innerhalb derer sich Mannschaften ohne Sanktionen und unter Beibehaltung der aktuellen Spielklasse vom Spielbetrieb abmelden können, um zehn Tage bis zum 30. Mai verlängert. Durchaus möglich, dass dann das nächste Corona-Update fällig wird.