2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligavorschau
Der Frauenfußball hat im Kreis Euskirchen einen schweren Stand. In der ersten Pokalrunde fielen drei Spiele wegen Personalmangels aus.
Der Frauenfußball hat im Kreis Euskirchen einen schweren Stand. In der ersten Pokalrunde fielen drei Spiele wegen Personalmangels aus.

Das Interesse hat nachgelassen

Zeiten von Bettina Wiegmann, Silke Rottenberg und Sonja Fuss sind lange vorbei

Es war eine Art Offenbarungseid in Sachen Frauenfußball im Kreis Euskirchen. Drei Pokalspiele waren in der ersten Runde angesetzt, alle drei mussten wegen Personalmangels abgesagt werden.

Beim VfR Flamersheim waren beispielsweise gleich zwölf Spielerinnen im Urlaub oder standen aus anderen Gründen nicht zur Verfügung. Auch der SV Sötenich bekam seine Mannschaft nicht zusammen. Für den Meisterschaftsbetrieb sieht das laut Trainer Holger Nestler schon anders aus. Dennoch steht die Frage im Raum: Sind die rosigen Zeiten des Frauenfußballs im Kreis Euskirchen vorbei? Immerhin hat die Frauenmannschaft des VfL Kommern mal in der Regionalliga gespielt und mit Sonja Fuss, Silke Rottenberg und Bettina Wiegmann kommen gleich drei ehemalige Nationalspielerinnen aus dem Kreis Euskirchen. Pauschal zu beantworten ist die Frage nicht, denn die Spielerinnen, die jeden Sonntag um Punkte kämpfen, tun es mit viel Leidenschaft. Dennoch ist der Boom vorbei, zumal die Frauen-Nationalmannschaft bei der EM in Holland nach schlechter Leistung überraschend im Viertelfinale ausgeschieden ist.

Eine Spielerin, die viele Höhen und Tiefen miterlebt hat, ist Isabelle Strunk – Kapitänin beim Landesligisten SG Erfthöhen. Im Juniorenbereich wurde sie mit der SG Rotbachtal mehrfach Kreismeisterin, 2010 folgte dann der Wechsel zur Senioren-Mannschaft der SG Erfthöhen.

Auch da feierte die Defensivspezialistin einige Erfolge. 2011 und 2016 gewannen die Eifelerinnen den Kreispokal. In der neuen Saison ist erneut der Klassenerhalt in der Landesliga das Ziel. „Es war nicht immer einfach, hätte meine Familie nicht so hinter mir gestanden, hätte ich bestimmt nicht lange Fußball gespielt“, erinnert sich Strunk, die gerade im Jugendbereich oft von ihren Eltern und ihrem Opa zum Training und zu den Spielen gefahren wurde.

Missen will sie all ihre Erfahrungen nicht. „Ich würde jedem Mädchen empfehlen, mit dem Fußball anzufangen. Es ist eine tolle Mannschaftssportart“, sagt Strunk: „Jeder weiß, dass man Frauenfußball nicht mit Männerfußball vergleichen kann. Die Männer spielen einfach schnelleren und körperlich anderen Fußball. Das heißt aber noch lange nicht, dass Frauen die Technik nicht auch beherrschen.“

Nicht gut auf den Fußball-Verband Mittelrhein ist Sandra Igel zu sprechen. Die 43-Jährige spielt für den SV Sistig-Krekel. „Wir haben ein Mädchen, dass bei uns in der B-Jugend spielt. Sie darf aber nicht zur Seniorin erklärt werden, weil sie noch keine zwölf Monate im Verein ist – da wundert man sich, dass Spiele wegen Personalmangels ausfallen müssen“, ärgert sich Igel, die seit 36 Jahren Fußball spielt. Der Kader des SV, der in die Kreisliga abgestiegen ist, umfasse 20 Spielerinnen. „Natürlich stehen die nicht jeden Sonntag alle zur Verfügung. Auch wir müssen mitunter kämpfen, eine Mannschaft zusammen zu bekommen“, sagt sie. Die Lust am Fußball habe sie in all den Jahren nie verloren. Dafür sei es einfach der schönste Sport der Welt. Allerdings habe auch sie Veränderungen wahrgenommen. „Es gab mal einen richtigen Boom. Da wollten ja mehr Mädchen Fußball spielen als Jungs“, erinnert sie sich. Die Zeiten seien aber vorbei.

1994 fing Tamara Weber mit dem Fußball an – damals war sie 19 Jahre alt. Mit dem VfL Kommern spielte sie unter anderem in der Regionalliga. In der vergangenen Saison half Weber dann noch in der Landesliga aus. „Ich hatte nie mit Vorurteilen zu kämpfen. Meine Klappe ist und war schon immer groß genug. Sicherlich hat sich keiner getraut“, sagt sie schmunzelnd. Auch sie kann jedem Mädchen nur empfehlen, Fußball zu spielen. „Es macht wirklich Spaß und man kann den Jungs zeigen, wo es lang geht“, sagt Weber.

Beim SV Sötenich heißt der Trainer seit der Winterpause Holger Nestler. Nestler trainierte zuvor die Frauenteams der SG Rotbachtal und des SC Wißkirchen. „Das Interesse der 23- bis 25-Jährigen an Fußball hat in den vergangenen Jahren merklich nachgelassen. In dem Alter hat jetzt alles andere Vorrang“, so Nestler. Auch die Bereitschaft, längere Strecken zum Training oder Spiel in Kauf zu nehmen, sei nicht mehr vorhanden. „Zum Heimspiel sind immer wesentlich mehr Spielerinnen da als für eine Auswärtspartie“, so der Sötenicher Übungsleiter: „Aus Euskirchen kommt doch kaum eine Fußballerin in die Eifel zum Training. Da wird sich ein Verein um die Ecke gesucht, auch wenn das Training dort vielleicht nicht so viel Spaß macht.“ In der kommenden Saison will Nestler mit dem SV Sötenich möglichst den Klassenerhalt schaffen.

Profivertrag

Die Freude bei Saskia Schreiner war groß. Die 17-jährige Fußballerin, die in der Jugend unter anderem bei der JSG Erft 01 gespielt hat, hat beim 1. FC Köln einen Vertrag für die Seniorenmannschaften unterschrieben. Die „Erste“ spielt in der Bundesliga, die Reserve in der Zweiten Bundesliga.

In der vergangenen Saison erzielte die Stotzheimerin in 24 Spielen in der Regionalliga immerhin 13 Treffer.

Mit drei Jahren trat sie das erste Mal gegen einen Ball. Bereits in der Jugend wurde der 1. FC Köln auf die junge Kickerin aufmerksam, nach dem ersten Probetraining sagte sie aber noch ab. Der Grund: Sie wollte ihre Mannschaftskolleginnen bei der JSG, die gerade in die Bezirksliga aufgestiegen waren, nicht im Stich lassen.

„Ich habe dem Fussball so viel zu verdanken“

Sie war Fußball-Weltmeisterin 2003 und 2007. 1997, 2005 und 2009 wurde Sonja Fuss Europameisterin und bei den Olympischen Spielen 2004 holte sie sich mit der Frauen-Fußballnationalmannschaft die Bronzemedaille.

Ihre aktive Karriere hat die Flamersheimerin beendet. Dem Fußball ist sie dennoch treu geblieben. Seit zwei Jahren ist sie die Frauenbeauftragte beim Fußballkreis Euskirchen. „Ich habe dem Fußball so viel zu verdanken. Auf diese Weise möchte ich einfach etwas zurückgeben“, sagt die 38-Jährige. Keine leichte Aufgabe, denn der Frauenfußball durchlebt eine kleine Krise. „Die Weltmeisterschaft 2011 in Deutschland war vielleicht ein Knackpunkt“, sagt Fuss.

Die Euphorie sei vor dem Turnier im eigenen Land enorm gewesen – genau wie die Erwartungshaltung. Nach dem überraschenden Aus im Viertelfinale gegen den späteren Weltmeister Japan sei die Enttäuschung sehr groß gewesen. „Es wurde im Vorfeld der WM unheimlich die Werbetrommel gerührt. Alles andere als der Titel kam irgendwie nie in Frage“, so die Flamersheimerin. Nach dem Aus im Viertelfinale sei man in Sachen Frauenfußball förmlich in ein Loch gefallen.

Jetzt versucht Fuss im Kreis Euskirchen die Mädchen vom Fußball zu überzeugen, für den Fußball zu begeistern. „Das macht Spaß, ist aber auch viel Arbeit“, erklärt sie: „Aber es lohnt sich, denn Fußball ist die schönste Sportart der Welt.“

Beim Hallenpokal in der vergangenen Saison trug ihre Arbeit bereits Früchte. „Das war ein tolles Turnier. Bei der nächsten Auflage sind hoffentlich noch mehr Mannschaften dabei“, so Fuss, die auch Schirmherrin bei Plan International Deutschland e.V ist. Mit ihrem Engagement unterstützt sie die Mädchen-Fußball-Projekte des Kinderhilfswerks.

Aufrufe: 02.8.2017, 19:30 Uhr
Kölner Stadt-Anzeiger / Tom SteinickeAutor