2024-04-24T13:20:38.835Z

Interview der Woche
Nach 20 Jahren verlässt Ercan Ürün Eintracht Bad Kreuznach II.
Nach 20 Jahren verlässt Ercan Ürün Eintracht Bad Kreuznach II. – Foto: Redaktion

"Ich konnte nächtelang nicht schlafen"

Interview der Woche mit Ercan Ürün +++ Schwerer Abschied von Eintracht Bad Kreuznach nach 20 Jahren +++ Ehemaliger Coach prangert Kommunikation an

Bad Kreuznach. Beben bei der Eintracht: Nach 20 Jahren im Verein hat Ercan Ürün als Trainer der zweiten Mannschaft hingeschmissen. Er kritisiert vor allem Kommunikation und Zusammenarbeit bei den Aktiven-Teams. Wir haben mit dem Vollblut-Eintrachter gesprochen:
FuPa: Ercan, Du warst jetzt 20 Jahre bei der Eintracht. Was hat Dich dazu bewegt, dein Amt nach so langer Zeit abzugeben?

Ercan Ürün: Ich habe jetzt fast die Hälfte meines Lebens bei der Eintracht verbracht. In der Jugend und im Aktivenbereich gekickt, lange als Trainer gearbeitet und viel Zeit und Herz in diesen Verein gesteckt. Mein Leben bestand nur aus Arbeit, Familie und Fußball - aber es hat mir immer einen riesen Spaß gemacht!
Es gab jedoch in den letzten Wochen und Monaten viel Unruhe und ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass man strukturell und sportlich etwas bewegen kann. Leute mischen sich in sportliche Dinge ein, bei denen sie eigentlich nichts zu suchen haben. Wenn Marketingleiterinnen, wie Kathrin Breivogel, sportliche Entscheidungen treffen, dann kann etwas nicht stimmen. Und dazu ein Trainer der ersten Mannschaft, der sich für das Vereinsleben nicht interessiert, nur auf sich schaut und nicht kommunikationsbereit ist - so ist dieser Job unmöglich.

Du sprichst die Kommunikation mit dem Trainer der "Ersten" an - das hattest Du im Vorfeld ja schonmal erwähnt. Kannst Du das etwas ausführen?

Es geht hier vor allem um Egoismus. Das Problem war nicht nur meins. Auch der aktuelle Übergangstrainer bekommt nicht den gewünschten Kontakt zu Thomas Schwarz. Er denkt an sich und seinen Erfolg. Wir hatten großartige Trainer in den letzten Jahren, selbst Ex-Profis waren unter ihnen. Sie alle haben verstanden, dass wir ein Amateurverein sind und zusammenarbeiten und -halten müssen. Nur so kann es funktionieren.
Das Problem habe ich mehrfach angesprochen, immer wieder das Gespräch gesucht, dass man sich beraten kann. Das kam nie zustande.

Du hast vor deinem Aus noch ein Gespräch mit dem Vorstand geführt. Warum konnte Dich das nicht abhalten?

Es war wirklich ein sehr gutes Gespräch. Ich schätze Klaus Meffert und Ruth Weißmann sehr. Sie sind tolle Persönlichkeiten und enorm wichtig für Bad Kreuznach und die Eintracht. Aber mit der aktuellen Konstellation mit Kathrin Breivogel und Thomas Schwarz ist eine Zusammenarbeit nicht möglich und das passt nicht zu meinen Prinzipien.
Natürlich steht die "Erste" bei einem Verein etwas im Vordergrund, aber am Ende gehören wir alle zusammen. Das war von Seiten des Coaches aber wohl nicht gewünscht.

Nach so langer Zeit hast Du aber doch bestimmt auch tolle Momente, an die Du dich erinnern kannst. Was war denn dein persönliches Highlight?

Sicherlich die ganzen Aufstiegsspiele der letzten Jahre mit beiden Aktiven-Teams. Das war alles nur möglich, durch eine tolle Zusammenarbeit von A bis Z. Von der Jugend, über die zweite Mannschaft bis hin zur "Ersten" waren wir eine Familie. Das ist es, was ich heute vermisse. Nur so waren diese Erfolge möglich - und die sind die größten Highlights meiner Laufbahn.



Dann ist es Dir auch bestimmt nicht leicht gefallen, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen, oder?

Na klar! Ich habe im Vorfeld meiner Entscheidung nächtelang nicht schlafen können. Das war eine der schwersten Entscheidungen meines Lebens. Die Eintracht ist und bleibt nunmal mein Herzensverein. Meine Kids spielen auch noch in der Jugend hier und die Jugendarbeit möchte ich auch weiterhin unterstützen. ich hoffe nur, dass die nicht auch in diesem neuen Gebilde kaputt geht.

Wie sieht denn dann Deine genaue Planung für die nahe Zukunft aus? Wirst du jetzt Jugend-Coach?

Natürlich werde ich unterstützen, wenn es nötig ist. Aber die Jungs haben tolle Trainer und ich werde erstmal eine Pause einlegen. Ich habe auch schon einige Anfragen von anderen Vereinen für verschiedenste Positionen bekommen, aber dankend abgelehnt. Jetzt genieße ich mal die Zeit mit meiner Familie - meine Frau ist wohl die, die am meisten von der Situation profitiert *lacht*.

Und langfristig? Könntest Du dir sogar eine Rückkehr vorstellen?

Das ist nie ausgeschlossen! Wie schon gesagt, die Eintracht ist immer mein Verein. Wenn schwere Zeiten kommen und ich helfen kann, stehe ich jederzeit zur Verfügung! Dann aber natürlich nur mit den richtigen Leuten.

Man merkt, Du hängst sehr an dem Klub. Hast Du denn noch Kontakt? Und verfolgst Du die Leistungen deiner alten Jungs?

Natürlich! ich habe mir auch das letzte Spiel angeschaut. Im Anschluss kamen alle Jungs geschlossen zu mir und haben mich umarmt - das war schon sehr emotional. Da hatte ich sogar ein paar Tränen in den Augen. Ich habe sehr guten Kontakt zu den Jungs, auch aus der "Ersten". Viele haben sich nach der ganzen Sache bei mir gemeldet, sich für die Zusammenarbeit und den Respekt bedankt. Das geht einem schon nahe.
Ich bin Vollblut-Fußballer und werde auch weiterhin viel auf den Sportplätzen unterwegs sein. Das geht gar nicht anders.


Beben im Verein

Das Aus von Ürün geht nicht spurlos an den Akteuren vorbei. Ein Kicker hat die Eintracht bereits in Folge der Vorkommnisse verlassen und sich mit einem Leserbrief an uns gewendet.
Aufrufe: 030.9.2020, 16:00 Uhr
Philipp StummAutor